Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Partei gebildet, an deren Spitze geachtete Männer standen, in Coblenz Cle¬
mens Brentano, in Bonn die Professoren Windischmann, Walter, und Klee,
in Düsseldorf Binterim und Schulter und in Münster Kistemacker, Keller¬
mann, die Grafen Stollberg und Robiano. Dieselben waren in engster Ver¬
bindung mit den Gleichgesinnten des übrigen Deutschlands und namentlich
mit Baiern, wo Görres und später der Bischof von Eichstädt, Graf Reisach
und der päpstliche Nuntius die Fäden in der Hand hatten.

Dieser streng kirchlichen Partei konnte nicht gleichgültig sein, daß Her¬
mes die alten Grundsätze der Kirche, welche er mit Hilfe der Philosophie
stützen wollte, untergraben hatte und sonst nicht minder mußte es der Kirche
gefährlich erscheinen, daß in dem Rheinlande und Westphalen die Uebertritte
zum Protestantismus durch die vielen Mischehen junger protestantischer Be¬
amten und Offiziere mit reichen Katholikinnen immer häufiger wurden. Gegen
Beides waren die ersten Angriffe der katholischen Partei gerichtet und
zwar gingen dieselben von dem Haupte der rheinländischen Kirche, dem Erz-
bischof von Droste Mschering aus. Er war es, welcher die Hermes'sche Lehre
gewaltsam unterdrückte und nicht minder energisch und unbeugsam trat er
gegen die Mischehen auf. Sie waren schon längst Gegenstand des Streites,
allein unterm 19. Juni 1830 war zwischen den preußischen Landesbischöfen
und der Negierung eine Verabredung getroffen worden, nach welcher solche
Mischehen zwar als ein schweres Verbrechen gegen Gott bezeichnet werden
sollten, jedoch als gültig und wahr anerkannt wurden und man sich nur aus
Ermahnung der Braut beschränkte, keineswegs aber vom Bräutigam ein Ver¬
sprechen wegen Erziehung der Kinder forderte. Es war dies die sogenannte
milde Auslegung des päpstlichen Breve vom 28. März 1830. Der Erzbischof
von Droste-Mschering hatte bei seiner Ernennung versprochen, diese Praxis
auch ferner beizuhalten; aber später theilte er der Regierung mit, daß er sein
Versprechen nicht halten könne. Dieselbe verlangte in Folge dieser Mitthei¬
lung Niederlegung des Amtes und da der Erzbischof nicht darauf einging,
so wurde er im November 1837 in Cöln verhaftet und nach der Festung
Minden gebracht. Eine allgemeine Aufregung, welche sich in Cöln, Coblenz
und Cleve sogar in kleinen, unbedeutenden Aufläufen kund gab, durchlief die
ganze Rheinprovinz und die ultramontane Partei war bemüht diese Aufre¬
gung noch mehr anzufachen. Man erinnerte das Volk an die Zurücksetzungen,
welche die Katholiken erleiden müßten; hervorhebend, daß sich der preußische
Staat noch immer als ein rein protestantischer betrachte, daß der Kronprinzes¬
sin nicht erlaubt gewesen, bet ihrer angebornen Religion zu beharren, daß
fast alle hohen Stellen und alle Ministerien mit Protestanten besetzt würden
und den Katholiken nicht einmal der Eintritt in das Leibregiment Karte an
Oorxs gestattet sei. Solche Anreizungen blieben nicht ohne Erfolg und waren


Partei gebildet, an deren Spitze geachtete Männer standen, in Coblenz Cle¬
mens Brentano, in Bonn die Professoren Windischmann, Walter, und Klee,
in Düsseldorf Binterim und Schulter und in Münster Kistemacker, Keller¬
mann, die Grafen Stollberg und Robiano. Dieselben waren in engster Ver¬
bindung mit den Gleichgesinnten des übrigen Deutschlands und namentlich
mit Baiern, wo Görres und später der Bischof von Eichstädt, Graf Reisach
und der päpstliche Nuntius die Fäden in der Hand hatten.

Dieser streng kirchlichen Partei konnte nicht gleichgültig sein, daß Her¬
mes die alten Grundsätze der Kirche, welche er mit Hilfe der Philosophie
stützen wollte, untergraben hatte und sonst nicht minder mußte es der Kirche
gefährlich erscheinen, daß in dem Rheinlande und Westphalen die Uebertritte
zum Protestantismus durch die vielen Mischehen junger protestantischer Be¬
amten und Offiziere mit reichen Katholikinnen immer häufiger wurden. Gegen
Beides waren die ersten Angriffe der katholischen Partei gerichtet und
zwar gingen dieselben von dem Haupte der rheinländischen Kirche, dem Erz-
bischof von Droste Mschering aus. Er war es, welcher die Hermes'sche Lehre
gewaltsam unterdrückte und nicht minder energisch und unbeugsam trat er
gegen die Mischehen auf. Sie waren schon längst Gegenstand des Streites,
allein unterm 19. Juni 1830 war zwischen den preußischen Landesbischöfen
und der Negierung eine Verabredung getroffen worden, nach welcher solche
Mischehen zwar als ein schweres Verbrechen gegen Gott bezeichnet werden
sollten, jedoch als gültig und wahr anerkannt wurden und man sich nur aus
Ermahnung der Braut beschränkte, keineswegs aber vom Bräutigam ein Ver¬
sprechen wegen Erziehung der Kinder forderte. Es war dies die sogenannte
milde Auslegung des päpstlichen Breve vom 28. März 1830. Der Erzbischof
von Droste-Mschering hatte bei seiner Ernennung versprochen, diese Praxis
auch ferner beizuhalten; aber später theilte er der Regierung mit, daß er sein
Versprechen nicht halten könne. Dieselbe verlangte in Folge dieser Mitthei¬
lung Niederlegung des Amtes und da der Erzbischof nicht darauf einging,
so wurde er im November 1837 in Cöln verhaftet und nach der Festung
Minden gebracht. Eine allgemeine Aufregung, welche sich in Cöln, Coblenz
und Cleve sogar in kleinen, unbedeutenden Aufläufen kund gab, durchlief die
ganze Rheinprovinz und die ultramontane Partei war bemüht diese Aufre¬
gung noch mehr anzufachen. Man erinnerte das Volk an die Zurücksetzungen,
welche die Katholiken erleiden müßten; hervorhebend, daß sich der preußische
Staat noch immer als ein rein protestantischer betrachte, daß der Kronprinzes¬
sin nicht erlaubt gewesen, bet ihrer angebornen Religion zu beharren, daß
fast alle hohen Stellen und alle Ministerien mit Protestanten besetzt würden
und den Katholiken nicht einmal der Eintritt in das Leibregiment Karte an
Oorxs gestattet sei. Solche Anreizungen blieben nicht ohne Erfolg und waren


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0214" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131908"/>
          <p xml:id="ID_781" prev="#ID_780"> Partei gebildet, an deren Spitze geachtete Männer standen, in Coblenz Cle¬<lb/>
mens Brentano, in Bonn die Professoren Windischmann, Walter, und Klee,<lb/>
in Düsseldorf Binterim und Schulter und in Münster Kistemacker, Keller¬<lb/>
mann, die Grafen Stollberg und Robiano. Dieselben waren in engster Ver¬<lb/>
bindung mit den Gleichgesinnten des übrigen Deutschlands und namentlich<lb/>
mit Baiern, wo Görres und später der Bischof von Eichstädt, Graf Reisach<lb/>
und der päpstliche Nuntius die Fäden in der Hand hatten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_782" next="#ID_783"> Dieser streng kirchlichen Partei konnte nicht gleichgültig sein, daß Her¬<lb/>
mes die alten Grundsätze der Kirche, welche er mit Hilfe der Philosophie<lb/>
stützen wollte, untergraben hatte und sonst nicht minder mußte es der Kirche<lb/>
gefährlich erscheinen, daß in dem Rheinlande und Westphalen die Uebertritte<lb/>
zum Protestantismus durch die vielen Mischehen junger protestantischer Be¬<lb/>
amten und Offiziere mit reichen Katholikinnen immer häufiger wurden. Gegen<lb/>
Beides waren die ersten Angriffe der katholischen Partei gerichtet und<lb/>
zwar gingen dieselben von dem Haupte der rheinländischen Kirche, dem Erz-<lb/>
bischof von Droste Mschering aus. Er war es, welcher die Hermes'sche Lehre<lb/>
gewaltsam unterdrückte und nicht minder energisch und unbeugsam trat er<lb/>
gegen die Mischehen auf. Sie waren schon längst Gegenstand des Streites,<lb/>
allein unterm 19. Juni 1830 war zwischen den preußischen Landesbischöfen<lb/>
und der Negierung eine Verabredung getroffen worden, nach welcher solche<lb/>
Mischehen zwar als ein schweres Verbrechen gegen Gott bezeichnet werden<lb/>
sollten, jedoch als gültig und wahr anerkannt wurden und man sich nur aus<lb/>
Ermahnung der Braut beschränkte, keineswegs aber vom Bräutigam ein Ver¬<lb/>
sprechen wegen Erziehung der Kinder forderte. Es war dies die sogenannte<lb/>
milde Auslegung des päpstlichen Breve vom 28. März 1830. Der Erzbischof<lb/>
von Droste-Mschering hatte bei seiner Ernennung versprochen, diese Praxis<lb/>
auch ferner beizuhalten; aber später theilte er der Regierung mit, daß er sein<lb/>
Versprechen nicht halten könne. Dieselbe verlangte in Folge dieser Mitthei¬<lb/>
lung Niederlegung des Amtes und da der Erzbischof nicht darauf einging,<lb/>
so wurde er im November 1837 in Cöln verhaftet und nach der Festung<lb/>
Minden gebracht. Eine allgemeine Aufregung, welche sich in Cöln, Coblenz<lb/>
und Cleve sogar in kleinen, unbedeutenden Aufläufen kund gab, durchlief die<lb/>
ganze Rheinprovinz und die ultramontane Partei war bemüht diese Aufre¬<lb/>
gung noch mehr anzufachen. Man erinnerte das Volk an die Zurücksetzungen,<lb/>
welche die Katholiken erleiden müßten; hervorhebend, daß sich der preußische<lb/>
Staat noch immer als ein rein protestantischer betrachte, daß der Kronprinzes¬<lb/>
sin nicht erlaubt gewesen, bet ihrer angebornen Religion zu beharren, daß<lb/>
fast alle hohen Stellen und alle Ministerien mit Protestanten besetzt würden<lb/>
und den Katholiken nicht einmal der Eintritt in das Leibregiment Karte an<lb/>
Oorxs gestattet sei. Solche Anreizungen blieben nicht ohne Erfolg und waren</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0214] Partei gebildet, an deren Spitze geachtete Männer standen, in Coblenz Cle¬ mens Brentano, in Bonn die Professoren Windischmann, Walter, und Klee, in Düsseldorf Binterim und Schulter und in Münster Kistemacker, Keller¬ mann, die Grafen Stollberg und Robiano. Dieselben waren in engster Ver¬ bindung mit den Gleichgesinnten des übrigen Deutschlands und namentlich mit Baiern, wo Görres und später der Bischof von Eichstädt, Graf Reisach und der päpstliche Nuntius die Fäden in der Hand hatten. Dieser streng kirchlichen Partei konnte nicht gleichgültig sein, daß Her¬ mes die alten Grundsätze der Kirche, welche er mit Hilfe der Philosophie stützen wollte, untergraben hatte und sonst nicht minder mußte es der Kirche gefährlich erscheinen, daß in dem Rheinlande und Westphalen die Uebertritte zum Protestantismus durch die vielen Mischehen junger protestantischer Be¬ amten und Offiziere mit reichen Katholikinnen immer häufiger wurden. Gegen Beides waren die ersten Angriffe der katholischen Partei gerichtet und zwar gingen dieselben von dem Haupte der rheinländischen Kirche, dem Erz- bischof von Droste Mschering aus. Er war es, welcher die Hermes'sche Lehre gewaltsam unterdrückte und nicht minder energisch und unbeugsam trat er gegen die Mischehen auf. Sie waren schon längst Gegenstand des Streites, allein unterm 19. Juni 1830 war zwischen den preußischen Landesbischöfen und der Negierung eine Verabredung getroffen worden, nach welcher solche Mischehen zwar als ein schweres Verbrechen gegen Gott bezeichnet werden sollten, jedoch als gültig und wahr anerkannt wurden und man sich nur aus Ermahnung der Braut beschränkte, keineswegs aber vom Bräutigam ein Ver¬ sprechen wegen Erziehung der Kinder forderte. Es war dies die sogenannte milde Auslegung des päpstlichen Breve vom 28. März 1830. Der Erzbischof von Droste-Mschering hatte bei seiner Ernennung versprochen, diese Praxis auch ferner beizuhalten; aber später theilte er der Regierung mit, daß er sein Versprechen nicht halten könne. Dieselbe verlangte in Folge dieser Mitthei¬ lung Niederlegung des Amtes und da der Erzbischof nicht darauf einging, so wurde er im November 1837 in Cöln verhaftet und nach der Festung Minden gebracht. Eine allgemeine Aufregung, welche sich in Cöln, Coblenz und Cleve sogar in kleinen, unbedeutenden Aufläufen kund gab, durchlief die ganze Rheinprovinz und die ultramontane Partei war bemüht diese Aufre¬ gung noch mehr anzufachen. Man erinnerte das Volk an die Zurücksetzungen, welche die Katholiken erleiden müßten; hervorhebend, daß sich der preußische Staat noch immer als ein rein protestantischer betrachte, daß der Kronprinzes¬ sin nicht erlaubt gewesen, bet ihrer angebornen Religion zu beharren, daß fast alle hohen Stellen und alle Ministerien mit Protestanten besetzt würden und den Katholiken nicht einmal der Eintritt in das Leibregiment Karte an Oorxs gestattet sei. Solche Anreizungen blieben nicht ohne Erfolg und waren

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/214
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/214>, abgerufen am 22.07.2024.