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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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in Düsseldorf seinen dauernden Wohnsitz. Beide verstanden es, sich die Liebe
der Rheinländer zu erringen.

Wenn demungeachtet die feindliche Stimmung gegen die Regierung nicht
ganz beseitigt werden konnte, so waren die Hauptgründe: Begünstigung der
altpreußischen Beamten, Furcht, daß die französische Gesetzgebung entzogen
werden könnte und konfessionelle Streitigkeiten. Die letzteren traten anfäng¬
lich minder hervor. Der König hatte den Schutz des Glaubens den Rhein¬
ländern versprochen. Er hatte ihnen zugerufen: "Eure Religion, das Heiligste,
was dem Menschen angehört, werde ich ehren und schätzen, ihre Diener werde
ich auch in ihrer äußeren Lage zu verbessern suchen, damit sie die Würde des
Amtes behaupten. Ich werde einen bischöflichen Sitz, eine Universität und
Bildungsanstalten für Eure Geistlichen und Lehrer unter Euch errichten."
Auf dem Wiener Congreß hatte sich auch wirklich der König auf Seite des
Papstes gestellt und war Oestreich entgegen getreten, als dieses die Grenzen
des Kirchenstaates verrücken wollte. Er hatte ferner mit dem Papste einen
Vertrag abgeschlossen, welcher den Katholiken sehr günstig war und harte
durch denselben sein Versprechen nicht blos erfüllt, sondern auch mehr gegeben,
indem er zwei Bischofssitze, nämlich zu Cöln einen Erzbischof und zu Trier
einen Bischof einsetzte. Endlich machten auch die persönliche Freundschaft des
Königs mit dem Erzbischof, Grafen Spiegel, und die Zurückweisung der ka¬
tholischen Geistlichen, welche für Preußen die Aufhebung des Cölibats ver¬
langten, einen vortheilhaften Eindruck auf die Rheinländer und beruhigten
die ängstlichen Gemüther. -- Der erste ernstliche Mißmuth, ja sogar Unwille,
zeigte sich bei dem Uebertritte der preußischen Kronprinzessin zur protestan¬
tischen Religion und wurde darauf hingewiesen, daß ihr Bruder, der dama-
liche Kronprinz Ludwig, eine protestantische Prinzessin zur Gemahlin habe,
ohne daß eine Convertirung gefordert worden wäre. Da man nun aber da¬
mals zu verbreiten suchte, der Papst habe die Bewilligung ertheilt und da
selbst die Geistlichkeit diesen Glauben zu theilen schien, und Graf Spiegel
eine Opposition der Geistlichkeit nicht aufkommen ließ, so wurde dieser Ueber¬
tritt erst zur Zeit, als am Ende der Lebensjahre Friedrich Wilhelm's III. die
Streitigkeiten mit der katholischen Kirche begannen, zum Vorwurf gegen das
Hohenzollersche Herrscherhaus und zur Aufregung der preußischen Katholiken
benutzt.

Die im Jahre 1837 hervorgetretenen Streitigkeiten waren nicyv unvor¬
bereitet eingetreten. Die katholische Kirche, welche in Frankreich, Beig^n,
Oesterreich und Baiern erstarkt war, hatte Alles aufgeboten, um in Preußen
wie Hilfe des mit dem Papste errichteten Vertrages immer mehr Terrain
Und Macht zu gewinnen. In Westphalen und in der Rheinprovinz hatte
steh zum Schutze und zur Kräftigung der katholischen Kirche eine mächtige


in Düsseldorf seinen dauernden Wohnsitz. Beide verstanden es, sich die Liebe
der Rheinländer zu erringen.

Wenn demungeachtet die feindliche Stimmung gegen die Regierung nicht
ganz beseitigt werden konnte, so waren die Hauptgründe: Begünstigung der
altpreußischen Beamten, Furcht, daß die französische Gesetzgebung entzogen
werden könnte und konfessionelle Streitigkeiten. Die letzteren traten anfäng¬
lich minder hervor. Der König hatte den Schutz des Glaubens den Rhein¬
ländern versprochen. Er hatte ihnen zugerufen: „Eure Religion, das Heiligste,
was dem Menschen angehört, werde ich ehren und schätzen, ihre Diener werde
ich auch in ihrer äußeren Lage zu verbessern suchen, damit sie die Würde des
Amtes behaupten. Ich werde einen bischöflichen Sitz, eine Universität und
Bildungsanstalten für Eure Geistlichen und Lehrer unter Euch errichten."
Auf dem Wiener Congreß hatte sich auch wirklich der König auf Seite des
Papstes gestellt und war Oestreich entgegen getreten, als dieses die Grenzen
des Kirchenstaates verrücken wollte. Er hatte ferner mit dem Papste einen
Vertrag abgeschlossen, welcher den Katholiken sehr günstig war und harte
durch denselben sein Versprechen nicht blos erfüllt, sondern auch mehr gegeben,
indem er zwei Bischofssitze, nämlich zu Cöln einen Erzbischof und zu Trier
einen Bischof einsetzte. Endlich machten auch die persönliche Freundschaft des
Königs mit dem Erzbischof, Grafen Spiegel, und die Zurückweisung der ka¬
tholischen Geistlichen, welche für Preußen die Aufhebung des Cölibats ver¬
langten, einen vortheilhaften Eindruck auf die Rheinländer und beruhigten
die ängstlichen Gemüther. — Der erste ernstliche Mißmuth, ja sogar Unwille,
zeigte sich bei dem Uebertritte der preußischen Kronprinzessin zur protestan¬
tischen Religion und wurde darauf hingewiesen, daß ihr Bruder, der dama-
liche Kronprinz Ludwig, eine protestantische Prinzessin zur Gemahlin habe,
ohne daß eine Convertirung gefordert worden wäre. Da man nun aber da¬
mals zu verbreiten suchte, der Papst habe die Bewilligung ertheilt und da
selbst die Geistlichkeit diesen Glauben zu theilen schien, und Graf Spiegel
eine Opposition der Geistlichkeit nicht aufkommen ließ, so wurde dieser Ueber¬
tritt erst zur Zeit, als am Ende der Lebensjahre Friedrich Wilhelm's III. die
Streitigkeiten mit der katholischen Kirche begannen, zum Vorwurf gegen das
Hohenzollersche Herrscherhaus und zur Aufregung der preußischen Katholiken
benutzt.

Die im Jahre 1837 hervorgetretenen Streitigkeiten waren nicyv unvor¬
bereitet eingetreten. Die katholische Kirche, welche in Frankreich, Beig^n,
Oesterreich und Baiern erstarkt war, hatte Alles aufgeboten, um in Preußen
wie Hilfe des mit dem Papste errichteten Vertrages immer mehr Terrain
Und Macht zu gewinnen. In Westphalen und in der Rheinprovinz hatte
steh zum Schutze und zur Kräftigung der katholischen Kirche eine mächtige


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[0213] in Düsseldorf seinen dauernden Wohnsitz. Beide verstanden es, sich die Liebe der Rheinländer zu erringen. Wenn demungeachtet die feindliche Stimmung gegen die Regierung nicht ganz beseitigt werden konnte, so waren die Hauptgründe: Begünstigung der altpreußischen Beamten, Furcht, daß die französische Gesetzgebung entzogen werden könnte und konfessionelle Streitigkeiten. Die letzteren traten anfäng¬ lich minder hervor. Der König hatte den Schutz des Glaubens den Rhein¬ ländern versprochen. Er hatte ihnen zugerufen: „Eure Religion, das Heiligste, was dem Menschen angehört, werde ich ehren und schätzen, ihre Diener werde ich auch in ihrer äußeren Lage zu verbessern suchen, damit sie die Würde des Amtes behaupten. Ich werde einen bischöflichen Sitz, eine Universität und Bildungsanstalten für Eure Geistlichen und Lehrer unter Euch errichten." Auf dem Wiener Congreß hatte sich auch wirklich der König auf Seite des Papstes gestellt und war Oestreich entgegen getreten, als dieses die Grenzen des Kirchenstaates verrücken wollte. Er hatte ferner mit dem Papste einen Vertrag abgeschlossen, welcher den Katholiken sehr günstig war und harte durch denselben sein Versprechen nicht blos erfüllt, sondern auch mehr gegeben, indem er zwei Bischofssitze, nämlich zu Cöln einen Erzbischof und zu Trier einen Bischof einsetzte. Endlich machten auch die persönliche Freundschaft des Königs mit dem Erzbischof, Grafen Spiegel, und die Zurückweisung der ka¬ tholischen Geistlichen, welche für Preußen die Aufhebung des Cölibats ver¬ langten, einen vortheilhaften Eindruck auf die Rheinländer und beruhigten die ängstlichen Gemüther. — Der erste ernstliche Mißmuth, ja sogar Unwille, zeigte sich bei dem Uebertritte der preußischen Kronprinzessin zur protestan¬ tischen Religion und wurde darauf hingewiesen, daß ihr Bruder, der dama- liche Kronprinz Ludwig, eine protestantische Prinzessin zur Gemahlin habe, ohne daß eine Convertirung gefordert worden wäre. Da man nun aber da¬ mals zu verbreiten suchte, der Papst habe die Bewilligung ertheilt und da selbst die Geistlichkeit diesen Glauben zu theilen schien, und Graf Spiegel eine Opposition der Geistlichkeit nicht aufkommen ließ, so wurde dieser Ueber¬ tritt erst zur Zeit, als am Ende der Lebensjahre Friedrich Wilhelm's III. die Streitigkeiten mit der katholischen Kirche begannen, zum Vorwurf gegen das Hohenzollersche Herrscherhaus und zur Aufregung der preußischen Katholiken benutzt. Die im Jahre 1837 hervorgetretenen Streitigkeiten waren nicyv unvor¬ bereitet eingetreten. Die katholische Kirche, welche in Frankreich, Beig^n, Oesterreich und Baiern erstarkt war, hatte Alles aufgeboten, um in Preußen wie Hilfe des mit dem Papste errichteten Vertrages immer mehr Terrain Und Macht zu gewinnen. In Westphalen und in der Rheinprovinz hatte steh zum Schutze und zur Kräftigung der katholischen Kirche eine mächtige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/213>, abgerufen am 22.07.2024.