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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Obwohl es ein heißer Tag war und der Himmel klar, zog doch hin und
wieder eine Wolke längs den Berg, die sich durch merkbare Abkühlung der
Temperatur ankündigte. Immer höher noch geht's, über die Höhe der jen¬
seitigen Kirche hinaus, bis das Pferd von der Hauptstraße in einen kleinen
Seitenpfad einlenken muß,^ der durch Wald und Gestrüpp links abwärts an
die Schlucht führt. Dieselbe ist aber nicht als ein mit einem Blick von Oben
zu übersehender Kessel zu denken, sondern hier hat sich ein längeres, dort ein
kürzeres Grat bei der Formation der Berge in dieses Thal hineingeschoben
und indem man auf schmalem Pfade abwärts dieselben umreiten muß, passirt
man verschiedene größere und kleinere Schluchten, trifft auch an weiter hervor¬
ragenden Bergestheilen Menschenwohnungen und bebaute Felder, wie in den
Biegungen der einzelnen Ravinen, wo die Wasser sich sammeln, Mühlen,
welche durch diese Triebkraft in Bewegung gesetzt werden. Die Vegetation
ist übrigens sehr dürftig; Bäume sind selten und in Folge der Sommerdürre
ist die Flora erstorben. Zur Bewässerung der Gärtchen muß hier wie überall
auf der Südseite der Insel das Wasser in Leitungen herbeigeführt werden.
Wenn man das Hauptfelsgrat umritten, erblickt man zur Linken am Ende
der Ravine Funchal im Rahmen der beiden Felswände und dahinter das un¬
ermeßliche Meer; sonst umgiebt Einen tiefe Einöde, unfruchtbarer Fels und
schwindelnder Abgrund, zwischen denen der schmale Pfad hinläuft. An der
letzten Biegung geht es wieder aufwärts und schnellen Schrittes führt das
sichere Pferd dem Berge zu, auf welchem die Kirche liegt. Hier angelangt,
entließ ich den Arriero mit seinem Pferde, um mich erst noch des überraschenden
Blickes vom Altan der Kirche zu freuen, welcher von dort das ganze Terrain
zwischen dem Cap Gircio und Carajiw beherrscht. Daselbst gesellte sich ein
Mann zu mir, der mir seine Dienste für die Schlittenbeförderung anbot, die
ich erst für den Abend annahm. Vorerst mußte er mich in den Garten eines
Mr. Gordon führen, der zwar sehr verwildert, aber durch seine Lage und
einzelne Partieen viel Interesse für mich hatte. In einem auf vorspringendem
Felsen erbauten Pavillon, erkannte ich ein Gebäude, welches ich von unserer
Pension Hollway oft bemerkt hatte. Durch ein gutes Fernrohr, welches
^selbst stand, erkannte ich manche unserer Hausgenossen, welche auf dem
wohlbekannten Platze vorm Hause saßen. Von hier brachte der Führer mich
in Mr. Selby's Wohnung, doch schon unterwegs begegnete mein Wirth mir
Nut einem andern deutschen Gaste, einem Hamburger Herrn B., dessen Bekannt¬
schaft ich hier machte und in dem ich zu meiner Freude einen Freund der
Botanik sogleich erkannte. Ich schloß mich den Herren an und machte mit
ihnen nach einem anderthalbstündiger Spaziergang, auf welchem unser Wirth
"us Aussichten auf Thäler und Schluchten zeigte, welche man vom Altan der
Kirche nicht sehen kann, namentlich Partien aus den Kirchspielen Se. Roque


Obwohl es ein heißer Tag war und der Himmel klar, zog doch hin und
wieder eine Wolke längs den Berg, die sich durch merkbare Abkühlung der
Temperatur ankündigte. Immer höher noch geht's, über die Höhe der jen¬
seitigen Kirche hinaus, bis das Pferd von der Hauptstraße in einen kleinen
Seitenpfad einlenken muß,^ der durch Wald und Gestrüpp links abwärts an
die Schlucht führt. Dieselbe ist aber nicht als ein mit einem Blick von Oben
zu übersehender Kessel zu denken, sondern hier hat sich ein längeres, dort ein
kürzeres Grat bei der Formation der Berge in dieses Thal hineingeschoben
und indem man auf schmalem Pfade abwärts dieselben umreiten muß, passirt
man verschiedene größere und kleinere Schluchten, trifft auch an weiter hervor¬
ragenden Bergestheilen Menschenwohnungen und bebaute Felder, wie in den
Biegungen der einzelnen Ravinen, wo die Wasser sich sammeln, Mühlen,
welche durch diese Triebkraft in Bewegung gesetzt werden. Die Vegetation
ist übrigens sehr dürftig; Bäume sind selten und in Folge der Sommerdürre
ist die Flora erstorben. Zur Bewässerung der Gärtchen muß hier wie überall
auf der Südseite der Insel das Wasser in Leitungen herbeigeführt werden.
Wenn man das Hauptfelsgrat umritten, erblickt man zur Linken am Ende
der Ravine Funchal im Rahmen der beiden Felswände und dahinter das un¬
ermeßliche Meer; sonst umgiebt Einen tiefe Einöde, unfruchtbarer Fels und
schwindelnder Abgrund, zwischen denen der schmale Pfad hinläuft. An der
letzten Biegung geht es wieder aufwärts und schnellen Schrittes führt das
sichere Pferd dem Berge zu, auf welchem die Kirche liegt. Hier angelangt,
entließ ich den Arriero mit seinem Pferde, um mich erst noch des überraschenden
Blickes vom Altan der Kirche zu freuen, welcher von dort das ganze Terrain
zwischen dem Cap Gircio und Carajiw beherrscht. Daselbst gesellte sich ein
Mann zu mir, der mir seine Dienste für die Schlittenbeförderung anbot, die
ich erst für den Abend annahm. Vorerst mußte er mich in den Garten eines
Mr. Gordon führen, der zwar sehr verwildert, aber durch seine Lage und
einzelne Partieen viel Interesse für mich hatte. In einem auf vorspringendem
Felsen erbauten Pavillon, erkannte ich ein Gebäude, welches ich von unserer
Pension Hollway oft bemerkt hatte. Durch ein gutes Fernrohr, welches
^selbst stand, erkannte ich manche unserer Hausgenossen, welche auf dem
wohlbekannten Platze vorm Hause saßen. Von hier brachte der Führer mich
in Mr. Selby's Wohnung, doch schon unterwegs begegnete mein Wirth mir
Nut einem andern deutschen Gaste, einem Hamburger Herrn B., dessen Bekannt¬
schaft ich hier machte und in dem ich zu meiner Freude einen Freund der
Botanik sogleich erkannte. Ich schloß mich den Herren an und machte mit
ihnen nach einem anderthalbstündiger Spaziergang, auf welchem unser Wirth
"us Aussichten auf Thäler und Schluchten zeigte, welche man vom Altan der
Kirche nicht sehen kann, namentlich Partien aus den Kirchspielen Se. Roque


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/191>, abgerufen am 22.07.2024.