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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Teleskops beobachtet werden; auch führte daneben die Hauptallee an das Ufer
und den Landungsplatz, so daß hier der meiste Verkehr sich concentrirte. --

Ich ging jedoch selten nach diesen Versammlungsplätzen, wo wie überall,
wenn die Kranken sich zusammenfanden, meistens Krankenberichte ausgetauscht
oder modificirt wurden. Statt dessen las ich mit L. oder beschäftigte mich
mit meinen Blumen oder suchte neue. Nach Tische wurden gewöhnlich größere
Spaziergänge von mir unternommen und den Abend pflegten wir durch
Schachspiel oder Lektüre auszufüllen.

In solchem stetem Einerlei wäre selbst in dieser schönen Natur der
Aufenthalt bald unerträglich geworden, wenn man sich nicht durch weite Aus¬
flüge in die Umgegend oder aus die Berge das Herz erquickt und den Muth
zur Ausdauer gestählt hätte.

Ich will nun in Folgendem versuchen, einzelne solcher Ausflüge zu
schildern, wodurch der geneigte Leser denn auch einigen Ueberblick über die
Insel gewinnen wird. Die nächste Veranlassung zu einer Excursion gab mir
die Einladung des dänischen Consuls S., an welchen ich adressirt war. Der¬
selbe wohnte während der Sommermonate mit seinen beiden Schwestern auf
dem Berge nahe bei der Kirche N. S. d. Monte. Der Bergvorsprung, auf
welchem die Kirche gebaut ist, wird vom Caminho de Melo durch eine tiefe
Schlucht, der kleine Curral genannt, getrennt. Man muß also entweder
durch die untere Stadt und dann auf direktem Wege hinauf, welcher jedoch
zwischen Mauern wenig Aussicht zur Seite bietet, oder man kann den Caminho
do Melo verfolgend später durch die Schlucht die andere Höhe erreichen.
Letzteren Weg wählte ich und wurde von einem muthigen Schimmel, dem der
Arriero folgte, schnell den steilen Weg hinaufgetragen. Anfangs liegen Häuser
zu beiden Seiten, zwar weitläufig auseinander gebaut, aber doch eine Straße
bildend, zuweilen ein größerer Grundbesitz dazwischen mit terrassenförmig an¬
gelegtem Garten. Wenn man den letzten derartigen zur Linken passirt ist,
theilt sich der Weg; die bequemere neue Straße führt links und schneidet dann
in mehren Windungen die alte steil und gerade aufwärts gehende Straße,
welche nur von Fußgängern und den herabkommenden Schlitten benutzt wird.
Die Aussicht wird jetzt frei und überraschend. Erst geht's an den Abhang
der Schlucht, an dessen jenseitigen Abhang die Kirche N. S. d. M.; unten
in der Ravine rauscht das Bergwasser, welches durch kleine Wasserfälle neue
Nahrung erhält. Der Abhang, an welchem der Weg sich hinzieht, wird be¬
wachsener; Kastanien und Fichten wechseln und lassen doch einen üppigen
Unterwuchs von Sträuchern und Blumen gedeihen, unter denen Hortensien
und Belladonna vor Allem das Auge aus sich ziehen. Bei einer neuen
Schwingung des Weges hat man jetzt die östlich gelegenen Abhänge vor sich;
rechts unten Funchal in seiner ganzen Ausdehnung aus der Vogelperspektive.


Teleskops beobachtet werden; auch führte daneben die Hauptallee an das Ufer
und den Landungsplatz, so daß hier der meiste Verkehr sich concentrirte. —

Ich ging jedoch selten nach diesen Versammlungsplätzen, wo wie überall,
wenn die Kranken sich zusammenfanden, meistens Krankenberichte ausgetauscht
oder modificirt wurden. Statt dessen las ich mit L. oder beschäftigte mich
mit meinen Blumen oder suchte neue. Nach Tische wurden gewöhnlich größere
Spaziergänge von mir unternommen und den Abend pflegten wir durch
Schachspiel oder Lektüre auszufüllen.

In solchem stetem Einerlei wäre selbst in dieser schönen Natur der
Aufenthalt bald unerträglich geworden, wenn man sich nicht durch weite Aus¬
flüge in die Umgegend oder aus die Berge das Herz erquickt und den Muth
zur Ausdauer gestählt hätte.

Ich will nun in Folgendem versuchen, einzelne solcher Ausflüge zu
schildern, wodurch der geneigte Leser denn auch einigen Ueberblick über die
Insel gewinnen wird. Die nächste Veranlassung zu einer Excursion gab mir
die Einladung des dänischen Consuls S., an welchen ich adressirt war. Der¬
selbe wohnte während der Sommermonate mit seinen beiden Schwestern auf
dem Berge nahe bei der Kirche N. S. d. Monte. Der Bergvorsprung, auf
welchem die Kirche gebaut ist, wird vom Caminho de Melo durch eine tiefe
Schlucht, der kleine Curral genannt, getrennt. Man muß also entweder
durch die untere Stadt und dann auf direktem Wege hinauf, welcher jedoch
zwischen Mauern wenig Aussicht zur Seite bietet, oder man kann den Caminho
do Melo verfolgend später durch die Schlucht die andere Höhe erreichen.
Letzteren Weg wählte ich und wurde von einem muthigen Schimmel, dem der
Arriero folgte, schnell den steilen Weg hinaufgetragen. Anfangs liegen Häuser
zu beiden Seiten, zwar weitläufig auseinander gebaut, aber doch eine Straße
bildend, zuweilen ein größerer Grundbesitz dazwischen mit terrassenförmig an¬
gelegtem Garten. Wenn man den letzten derartigen zur Linken passirt ist,
theilt sich der Weg; die bequemere neue Straße führt links und schneidet dann
in mehren Windungen die alte steil und gerade aufwärts gehende Straße,
welche nur von Fußgängern und den herabkommenden Schlitten benutzt wird.
Die Aussicht wird jetzt frei und überraschend. Erst geht's an den Abhang
der Schlucht, an dessen jenseitigen Abhang die Kirche N. S. d. M.; unten
in der Ravine rauscht das Bergwasser, welches durch kleine Wasserfälle neue
Nahrung erhält. Der Abhang, an welchem der Weg sich hinzieht, wird be¬
wachsener; Kastanien und Fichten wechseln und lassen doch einen üppigen
Unterwuchs von Sträuchern und Blumen gedeihen, unter denen Hortensien
und Belladonna vor Allem das Auge aus sich ziehen. Bei einer neuen
Schwingung des Weges hat man jetzt die östlich gelegenen Abhänge vor sich;
rechts unten Funchal in seiner ganzen Ausdehnung aus der Vogelperspektive.


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[0190] Teleskops beobachtet werden; auch führte daneben die Hauptallee an das Ufer und den Landungsplatz, so daß hier der meiste Verkehr sich concentrirte. — Ich ging jedoch selten nach diesen Versammlungsplätzen, wo wie überall, wenn die Kranken sich zusammenfanden, meistens Krankenberichte ausgetauscht oder modificirt wurden. Statt dessen las ich mit L. oder beschäftigte mich mit meinen Blumen oder suchte neue. Nach Tische wurden gewöhnlich größere Spaziergänge von mir unternommen und den Abend pflegten wir durch Schachspiel oder Lektüre auszufüllen. In solchem stetem Einerlei wäre selbst in dieser schönen Natur der Aufenthalt bald unerträglich geworden, wenn man sich nicht durch weite Aus¬ flüge in die Umgegend oder aus die Berge das Herz erquickt und den Muth zur Ausdauer gestählt hätte. Ich will nun in Folgendem versuchen, einzelne solcher Ausflüge zu schildern, wodurch der geneigte Leser denn auch einigen Ueberblick über die Insel gewinnen wird. Die nächste Veranlassung zu einer Excursion gab mir die Einladung des dänischen Consuls S., an welchen ich adressirt war. Der¬ selbe wohnte während der Sommermonate mit seinen beiden Schwestern auf dem Berge nahe bei der Kirche N. S. d. Monte. Der Bergvorsprung, auf welchem die Kirche gebaut ist, wird vom Caminho de Melo durch eine tiefe Schlucht, der kleine Curral genannt, getrennt. Man muß also entweder durch die untere Stadt und dann auf direktem Wege hinauf, welcher jedoch zwischen Mauern wenig Aussicht zur Seite bietet, oder man kann den Caminho do Melo verfolgend später durch die Schlucht die andere Höhe erreichen. Letzteren Weg wählte ich und wurde von einem muthigen Schimmel, dem der Arriero folgte, schnell den steilen Weg hinaufgetragen. Anfangs liegen Häuser zu beiden Seiten, zwar weitläufig auseinander gebaut, aber doch eine Straße bildend, zuweilen ein größerer Grundbesitz dazwischen mit terrassenförmig an¬ gelegtem Garten. Wenn man den letzten derartigen zur Linken passirt ist, theilt sich der Weg; die bequemere neue Straße führt links und schneidet dann in mehren Windungen die alte steil und gerade aufwärts gehende Straße, welche nur von Fußgängern und den herabkommenden Schlitten benutzt wird. Die Aussicht wird jetzt frei und überraschend. Erst geht's an den Abhang der Schlucht, an dessen jenseitigen Abhang die Kirche N. S. d. M.; unten in der Ravine rauscht das Bergwasser, welches durch kleine Wasserfälle neue Nahrung erhält. Der Abhang, an welchem der Weg sich hinzieht, wird be¬ wachsener; Kastanien und Fichten wechseln und lassen doch einen üppigen Unterwuchs von Sträuchern und Blumen gedeihen, unter denen Hortensien und Belladonna vor Allem das Auge aus sich ziehen. Bei einer neuen Schwingung des Weges hat man jetzt die östlich gelegenen Abhänge vor sich; rechts unten Funchal in seiner ganzen Ausdehnung aus der Vogelperspektive.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/190>, abgerufen am 22.07.2024.