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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Wir fühlten uns nicht sehr heimisch in dem großen Trubel und zogen
uns bald nach Tische in unsere comfortablen Zimmer zurück, wo wir uns mit
Briefen nach Hause beschäftigten, da am andern Tage schon das von der Küste
nach England zurückkehrende Schiff erwartet wurde. Abends nach Sonnen¬
untergang konnte ich mir es aber doch nicht versagen auch der Bewegung
halber auszugehen, aber es war so dunkel in den Straßen, daß man
Wenig erkennen konnte. Ich ging demnach nur zu G's., um ihnen einige
aus Lübeck mitgebrachte Sachen zu übergeben, und konnte bei dem hoch-und
freigelegenen Hause beim klaren Sternenhimmel erkennen, daß das Haus eine
prachtvolle Lage haben müsse. Deßhalb beeilten wir uns am andern Morgen
dort ein Logis zu finden, welches denn auch zu unserer Zufriedenheit glückte.

Ehe ich von unserer Wohnung und dem dortigen Leben spreche, wäre es
hier wohl am Orte eine kürzere Angabe von der Lage der Stadt zu geben,
wodurch sich am besten die Lage unseres Hauses erkennen läßt.

Das Terrain, auf welchem Funchal gebaut ist, wird nach dem Meere
zu von zwei bedeutenden Vorgebirgen, gegen Westen vom Cabo Girno, dem
größten, gegen Osten vom Cabo Carajäo, begrenzt. Beide sind in einer Ent¬
fernung von ca. 9 englischen Meilen von einander als die Ausläufer der im
Halbkreise zurücktretenden Bergkette zu betrachten. Nirgend auf der ganzen
Insel hat die Bergformation den Menschen eine so günstige Gelegenheit zum
Anbau geboten. Es concentrirt sich daher auch auf diesen verhältnißmäßig
kleinen Raum eine anscheinend unverhältnißmäßig große Anzahl der Be¬
wohner der Insel. Nicht allein haben dieselben sich hier in der nicht unbe¬
deutenden Stadt Funchal angesiedelt, für dessen Verkehr zur See sich an
dieser Stelle die größte Strecke offenen Strandes bot, während mit geringen
Ausnahmen rund um die Insel die Felsen schroff ins Meer treten, sondern
auch so weit das Auge reicht, erblickt man die Hütten der Landbewohner
inmitten des üppigen Grüns ihrer Zuckerrohrfelder, oder die Quintas der
Reicheren, welche mit der wärmeren Jahreszeit sich in die höheren Regionen
zurückzuziehen pflegen. Das hervorragendste Gebäude, welches in einer Höhe
von 1800' über dem Meere belegen, von fast allen Punkten des fraglichen
Terrains gesehen werden konnte, war die Kirche Cossa Serao del Monte, ein
blendend weißes mit zwei stattlichen Thürmen versehenes Bauwerk, welches
zuweilen an Festtagen selbst Abends durch eine von Außen angebrachte Illu¬
mination wie ein leuchtendes Meteor erschien.

Man darf sich diese vom Meere nicht sehr allmählich aufsteigende lebhaft
angebaute Landschaft nicht als ein ununterbrochenes Terrain denken, sondern
viele größere und kleinere Ravinen verliehen dieser üppigen Gegend einen
neuen Reiz durch die schönen Formen des Basalts, durch den Wechsel an Schat¬
ten und Licht und zu Zeiten durch das in ihnen hinabströmende Wasser.


Wir fühlten uns nicht sehr heimisch in dem großen Trubel und zogen
uns bald nach Tische in unsere comfortablen Zimmer zurück, wo wir uns mit
Briefen nach Hause beschäftigten, da am andern Tage schon das von der Küste
nach England zurückkehrende Schiff erwartet wurde. Abends nach Sonnen¬
untergang konnte ich mir es aber doch nicht versagen auch der Bewegung
halber auszugehen, aber es war so dunkel in den Straßen, daß man
Wenig erkennen konnte. Ich ging demnach nur zu G's., um ihnen einige
aus Lübeck mitgebrachte Sachen zu übergeben, und konnte bei dem hoch-und
freigelegenen Hause beim klaren Sternenhimmel erkennen, daß das Haus eine
prachtvolle Lage haben müsse. Deßhalb beeilten wir uns am andern Morgen
dort ein Logis zu finden, welches denn auch zu unserer Zufriedenheit glückte.

Ehe ich von unserer Wohnung und dem dortigen Leben spreche, wäre es
hier wohl am Orte eine kürzere Angabe von der Lage der Stadt zu geben,
wodurch sich am besten die Lage unseres Hauses erkennen läßt.

Das Terrain, auf welchem Funchal gebaut ist, wird nach dem Meere
zu von zwei bedeutenden Vorgebirgen, gegen Westen vom Cabo Girno, dem
größten, gegen Osten vom Cabo Carajäo, begrenzt. Beide sind in einer Ent¬
fernung von ca. 9 englischen Meilen von einander als die Ausläufer der im
Halbkreise zurücktretenden Bergkette zu betrachten. Nirgend auf der ganzen
Insel hat die Bergformation den Menschen eine so günstige Gelegenheit zum
Anbau geboten. Es concentrirt sich daher auch auf diesen verhältnißmäßig
kleinen Raum eine anscheinend unverhältnißmäßig große Anzahl der Be¬
wohner der Insel. Nicht allein haben dieselben sich hier in der nicht unbe¬
deutenden Stadt Funchal angesiedelt, für dessen Verkehr zur See sich an
dieser Stelle die größte Strecke offenen Strandes bot, während mit geringen
Ausnahmen rund um die Insel die Felsen schroff ins Meer treten, sondern
auch so weit das Auge reicht, erblickt man die Hütten der Landbewohner
inmitten des üppigen Grüns ihrer Zuckerrohrfelder, oder die Quintas der
Reicheren, welche mit der wärmeren Jahreszeit sich in die höheren Regionen
zurückzuziehen pflegen. Das hervorragendste Gebäude, welches in einer Höhe
von 1800' über dem Meere belegen, von fast allen Punkten des fraglichen
Terrains gesehen werden konnte, war die Kirche Cossa Serao del Monte, ein
blendend weißes mit zwei stattlichen Thürmen versehenes Bauwerk, welches
zuweilen an Festtagen selbst Abends durch eine von Außen angebrachte Illu¬
mination wie ein leuchtendes Meteor erschien.

Man darf sich diese vom Meere nicht sehr allmählich aufsteigende lebhaft
angebaute Landschaft nicht als ein ununterbrochenes Terrain denken, sondern
viele größere und kleinere Ravinen verliehen dieser üppigen Gegend einen
neuen Reiz durch die schönen Formen des Basalts, durch den Wechsel an Schat¬
ten und Licht und zu Zeiten durch das in ihnen hinabströmende Wasser.


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[0186] Wir fühlten uns nicht sehr heimisch in dem großen Trubel und zogen uns bald nach Tische in unsere comfortablen Zimmer zurück, wo wir uns mit Briefen nach Hause beschäftigten, da am andern Tage schon das von der Küste nach England zurückkehrende Schiff erwartet wurde. Abends nach Sonnen¬ untergang konnte ich mir es aber doch nicht versagen auch der Bewegung halber auszugehen, aber es war so dunkel in den Straßen, daß man Wenig erkennen konnte. Ich ging demnach nur zu G's., um ihnen einige aus Lübeck mitgebrachte Sachen zu übergeben, und konnte bei dem hoch-und freigelegenen Hause beim klaren Sternenhimmel erkennen, daß das Haus eine prachtvolle Lage haben müsse. Deßhalb beeilten wir uns am andern Morgen dort ein Logis zu finden, welches denn auch zu unserer Zufriedenheit glückte. Ehe ich von unserer Wohnung und dem dortigen Leben spreche, wäre es hier wohl am Orte eine kürzere Angabe von der Lage der Stadt zu geben, wodurch sich am besten die Lage unseres Hauses erkennen läßt. Das Terrain, auf welchem Funchal gebaut ist, wird nach dem Meere zu von zwei bedeutenden Vorgebirgen, gegen Westen vom Cabo Girno, dem größten, gegen Osten vom Cabo Carajäo, begrenzt. Beide sind in einer Ent¬ fernung von ca. 9 englischen Meilen von einander als die Ausläufer der im Halbkreise zurücktretenden Bergkette zu betrachten. Nirgend auf der ganzen Insel hat die Bergformation den Menschen eine so günstige Gelegenheit zum Anbau geboten. Es concentrirt sich daher auch auf diesen verhältnißmäßig kleinen Raum eine anscheinend unverhältnißmäßig große Anzahl der Be¬ wohner der Insel. Nicht allein haben dieselben sich hier in der nicht unbe¬ deutenden Stadt Funchal angesiedelt, für dessen Verkehr zur See sich an dieser Stelle die größte Strecke offenen Strandes bot, während mit geringen Ausnahmen rund um die Insel die Felsen schroff ins Meer treten, sondern auch so weit das Auge reicht, erblickt man die Hütten der Landbewohner inmitten des üppigen Grüns ihrer Zuckerrohrfelder, oder die Quintas der Reicheren, welche mit der wärmeren Jahreszeit sich in die höheren Regionen zurückzuziehen pflegen. Das hervorragendste Gebäude, welches in einer Höhe von 1800' über dem Meere belegen, von fast allen Punkten des fraglichen Terrains gesehen werden konnte, war die Kirche Cossa Serao del Monte, ein blendend weißes mit zwei stattlichen Thürmen versehenes Bauwerk, welches zuweilen an Festtagen selbst Abends durch eine von Außen angebrachte Illu¬ mination wie ein leuchtendes Meteor erschien. Man darf sich diese vom Meere nicht sehr allmählich aufsteigende lebhaft angebaute Landschaft nicht als ein ununterbrochenes Terrain denken, sondern viele größere und kleinere Ravinen verliehen dieser üppigen Gegend einen neuen Reiz durch die schönen Formen des Basalts, durch den Wechsel an Schat¬ ten und Licht und zu Zeiten durch das in ihnen hinabströmende Wasser.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/186>, abgerufen am 23.07.2024.