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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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natürlichen Wasserwegen, so bedürfte es der künstlichen nicht. Allein
in dieser beneidenswerten Lage befindet sich schwerlich irgend ein Land der
Welt, gewiß nicht das unsere. Im Gegentheil, es ist in Deutschland mit der
Flußschifffahrt, sogar mit der Transportfähigkeit unserer großen Ströme
herzlich schlecht bestellt. Geh.-Rath Meitzen constatirt, daß unsere natürlichen
Wasserläufe selbst da, wo sie überhaupt schiffbar sind, die Schifffahrt doch
während des größten Theiles des Jahres unmöglich machen, und daß, mit
nur theilweiser Ausnahme des Rheins, auf allen deutschen Strömen sich die
Schifffahrt, wenn sie nur wenig den untersten, schon träge zum Meere
gehenden Lauf überschreiten soll, in sehr trauriger Verfassung befindet. Hat
man auch durch Regulirung des Flußbettes, Buhnenbauten u. tgi. den
Wasserstand auf den wichtigsten Stromstrecken zu verbessern gesucht, so sind
doch bis jetzt trotz großer Anstrengungen die Erfolge sehr ungenügend ge¬
blieben. "Einen dauernd gesicherten, gleichmäßigen, nur durch den Winter
unterbrochenen Schiffsverkehr auf diesem Wege zu ermöglichen, dahin gehen
auch die am weitesten gespannten Hoffnungen nicht." (Meitzen a. a. O.)
Unterhalb Basel ist die Strömung des Rheins so reißend, daß so gut wie
gar keine Segelschiffe von Basel gen Straßburg fahren, und die Dampfschiff¬
fahrt, die man versucht hat, wieder eingestellt wurde: der schöne Fluß, schon
ziemlich breit und tief, ist auf dieser Strecke ganz verödet. Zwischen Stra߬
burg und Mannheim sind nach der Rückeroberung des Elsaß Dampfer ge¬
laufen, doch machte im Sommer 1873 der niedrige Wasserstand dem Experi¬
ment vorläufig ein Ende, das seit 1. Mai d. I. wieder aufgenommen wurde
(seit 20. Mai täglich einmal zu Berg und zu Thal.) Aber noch unterhalb
Mannheim ist es nichts Unerhörtes, daß Dampfschiffe auf versandeten Stellen
sich festfahren. Nachgewiesenermaßen lassen die drei Ströme Weser, Elbe und
Oder ganz deutlich eine Abnahme ihrer Wassermenge und eine steigende Ver¬
sandung ihres Flußbettes wahrnehmen. Es ist berechnet worden, daß die
Elbe, wenn die Abnahme des Wassers so fortschreitet wie gegenwärtig, in
Zukunft für schwer beladene Schiffe unfahrbar sein wird. Zwischen Dresden
und der böhmischen Grenze haben die vor einigen Jahren eingeführten
Schleppdampfer wieder entfernt werden müssen, weil sie zu viel Havarie er¬
litten, und die noch zurückgebliebenen Transportdampfer können ihren Weg
nur mit größter Vorsicht zurücklegen. Bei der Oder ist es nicht anders: in
dem allerdings sehr trocknen Jahre 1838 gab es nur 11 Tage, an denen die
Beschiffung der schlestschen Oder mit voller Kraft möglich war. Die Weser
besitzt an sich die geringste Wasserkraft unter den dreien. Die erste General¬
versammlung des erwähnten Centralvereins für die deutsche Kanal und Flu߬
schifffahrt erklärte am 29. und 30. October 1869: "An der Krankheit, an
welcher die deutsche Schifffahrt dahin siecht, tragen nicht die hohen Flußzölle


natürlichen Wasserwegen, so bedürfte es der künstlichen nicht. Allein
in dieser beneidenswerten Lage befindet sich schwerlich irgend ein Land der
Welt, gewiß nicht das unsere. Im Gegentheil, es ist in Deutschland mit der
Flußschifffahrt, sogar mit der Transportfähigkeit unserer großen Ströme
herzlich schlecht bestellt. Geh.-Rath Meitzen constatirt, daß unsere natürlichen
Wasserläufe selbst da, wo sie überhaupt schiffbar sind, die Schifffahrt doch
während des größten Theiles des Jahres unmöglich machen, und daß, mit
nur theilweiser Ausnahme des Rheins, auf allen deutschen Strömen sich die
Schifffahrt, wenn sie nur wenig den untersten, schon träge zum Meere
gehenden Lauf überschreiten soll, in sehr trauriger Verfassung befindet. Hat
man auch durch Regulirung des Flußbettes, Buhnenbauten u. tgi. den
Wasserstand auf den wichtigsten Stromstrecken zu verbessern gesucht, so sind
doch bis jetzt trotz großer Anstrengungen die Erfolge sehr ungenügend ge¬
blieben. „Einen dauernd gesicherten, gleichmäßigen, nur durch den Winter
unterbrochenen Schiffsverkehr auf diesem Wege zu ermöglichen, dahin gehen
auch die am weitesten gespannten Hoffnungen nicht." (Meitzen a. a. O.)
Unterhalb Basel ist die Strömung des Rheins so reißend, daß so gut wie
gar keine Segelschiffe von Basel gen Straßburg fahren, und die Dampfschiff¬
fahrt, die man versucht hat, wieder eingestellt wurde: der schöne Fluß, schon
ziemlich breit und tief, ist auf dieser Strecke ganz verödet. Zwischen Stra߬
burg und Mannheim sind nach der Rückeroberung des Elsaß Dampfer ge¬
laufen, doch machte im Sommer 1873 der niedrige Wasserstand dem Experi¬
ment vorläufig ein Ende, das seit 1. Mai d. I. wieder aufgenommen wurde
(seit 20. Mai täglich einmal zu Berg und zu Thal.) Aber noch unterhalb
Mannheim ist es nichts Unerhörtes, daß Dampfschiffe auf versandeten Stellen
sich festfahren. Nachgewiesenermaßen lassen die drei Ströme Weser, Elbe und
Oder ganz deutlich eine Abnahme ihrer Wassermenge und eine steigende Ver¬
sandung ihres Flußbettes wahrnehmen. Es ist berechnet worden, daß die
Elbe, wenn die Abnahme des Wassers so fortschreitet wie gegenwärtig, in
Zukunft für schwer beladene Schiffe unfahrbar sein wird. Zwischen Dresden
und der böhmischen Grenze haben die vor einigen Jahren eingeführten
Schleppdampfer wieder entfernt werden müssen, weil sie zu viel Havarie er¬
litten, und die noch zurückgebliebenen Transportdampfer können ihren Weg
nur mit größter Vorsicht zurücklegen. Bei der Oder ist es nicht anders: in
dem allerdings sehr trocknen Jahre 1838 gab es nur 11 Tage, an denen die
Beschiffung der schlestschen Oder mit voller Kraft möglich war. Die Weser
besitzt an sich die geringste Wasserkraft unter den dreien. Die erste General¬
versammlung des erwähnten Centralvereins für die deutsche Kanal und Flu߬
schifffahrt erklärte am 29. und 30. October 1869: „An der Krankheit, an
welcher die deutsche Schifffahrt dahin siecht, tragen nicht die hohen Flußzölle


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[0176] natürlichen Wasserwegen, so bedürfte es der künstlichen nicht. Allein in dieser beneidenswerten Lage befindet sich schwerlich irgend ein Land der Welt, gewiß nicht das unsere. Im Gegentheil, es ist in Deutschland mit der Flußschifffahrt, sogar mit der Transportfähigkeit unserer großen Ströme herzlich schlecht bestellt. Geh.-Rath Meitzen constatirt, daß unsere natürlichen Wasserläufe selbst da, wo sie überhaupt schiffbar sind, die Schifffahrt doch während des größten Theiles des Jahres unmöglich machen, und daß, mit nur theilweiser Ausnahme des Rheins, auf allen deutschen Strömen sich die Schifffahrt, wenn sie nur wenig den untersten, schon träge zum Meere gehenden Lauf überschreiten soll, in sehr trauriger Verfassung befindet. Hat man auch durch Regulirung des Flußbettes, Buhnenbauten u. tgi. den Wasserstand auf den wichtigsten Stromstrecken zu verbessern gesucht, so sind doch bis jetzt trotz großer Anstrengungen die Erfolge sehr ungenügend ge¬ blieben. „Einen dauernd gesicherten, gleichmäßigen, nur durch den Winter unterbrochenen Schiffsverkehr auf diesem Wege zu ermöglichen, dahin gehen auch die am weitesten gespannten Hoffnungen nicht." (Meitzen a. a. O.) Unterhalb Basel ist die Strömung des Rheins so reißend, daß so gut wie gar keine Segelschiffe von Basel gen Straßburg fahren, und die Dampfschiff¬ fahrt, die man versucht hat, wieder eingestellt wurde: der schöne Fluß, schon ziemlich breit und tief, ist auf dieser Strecke ganz verödet. Zwischen Stra߬ burg und Mannheim sind nach der Rückeroberung des Elsaß Dampfer ge¬ laufen, doch machte im Sommer 1873 der niedrige Wasserstand dem Experi¬ ment vorläufig ein Ende, das seit 1. Mai d. I. wieder aufgenommen wurde (seit 20. Mai täglich einmal zu Berg und zu Thal.) Aber noch unterhalb Mannheim ist es nichts Unerhörtes, daß Dampfschiffe auf versandeten Stellen sich festfahren. Nachgewiesenermaßen lassen die drei Ströme Weser, Elbe und Oder ganz deutlich eine Abnahme ihrer Wassermenge und eine steigende Ver¬ sandung ihres Flußbettes wahrnehmen. Es ist berechnet worden, daß die Elbe, wenn die Abnahme des Wassers so fortschreitet wie gegenwärtig, in Zukunft für schwer beladene Schiffe unfahrbar sein wird. Zwischen Dresden und der böhmischen Grenze haben die vor einigen Jahren eingeführten Schleppdampfer wieder entfernt werden müssen, weil sie zu viel Havarie er¬ litten, und die noch zurückgebliebenen Transportdampfer können ihren Weg nur mit größter Vorsicht zurücklegen. Bei der Oder ist es nicht anders: in dem allerdings sehr trocknen Jahre 1838 gab es nur 11 Tage, an denen die Beschiffung der schlestschen Oder mit voller Kraft möglich war. Die Weser besitzt an sich die geringste Wasserkraft unter den dreien. Die erste General¬ versammlung des erwähnten Centralvereins für die deutsche Kanal und Flu߬ schifffahrt erklärte am 29. und 30. October 1869: „An der Krankheit, an welcher die deutsche Schifffahrt dahin siecht, tragen nicht die hohen Flußzölle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/176>, abgerufen am 22.07.2024.