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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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So. durch des Königs übergroß Vertrauen,

Durch seiner Diener Geiz und Schlechtigkeit,

Sind Wenige bei den Fahnen nur zu schauen,

Als nun das Lager "Zu den Waffen!" schreit.

Mit Schrecken überrascht bei macht'gen Grauen

Vonl klugen Spanier, der, im Heergeleit
'

Der zwei Avalos *) wol es würde wagen,
'


Zu Hoit' und Himmel sich hindurch zu schlagen.

Unter den Gefangenen befand sich ein Herr v. Montpezat, Gendarme aus
der Compagnie des Marschalls de Foix. Dieser leistete dem Könige am Abende
die Kammerdiener-Hilfen, und dieser gewann ihn so lieb, daß er ihn loskaufte
und ihn später zum Marschall von Frankreich erhob.

Noch vor Nacht sandte Franz den bekannten Brief an seine Mutter, die
Regentin, in welchem gestanden haben soll: "Naäg.ins! tout est xeräu lors
l'donneur! -- ein Schlagwort, dessen Echtheit neuere Historiker zwar ernstlich
bezweifeln, dessen Glanz jedoch in den Augen der Franzosen alles Unheil von
Pavia reichlich aufwiegt, und das im Grunde genommen das Einzige ist,
was die meisten Mitglieder der großen Nation wissen, von jenem weltge¬
schichtlichen Tage.**)

Von dem ganzen glänzenden Adelsgefolge entkam nur der Herzog von
Alenxon mit einem Theile seines Corps und der Graf Clermont mit den in der
Vorstadt San Antonio und auf der Insel des Gravelone gestandenen Trup¬
pen. Die Besatzung von Mailand unter Trivulzio räumte die Stadt, über¬
schritt den Tessin und gelangte glücklich nach Frankreich, ebenso der Mark¬
graf von Saluzzo, welcher auf dem Rückmärsche von Genua begriffen war.
Wenige Tage nach der Schlacht von Pavia war die Lombardei vollstän¬
dig von den Franzosen geräumt. Die kaiserlichen Truppen folgten denselben
auf ihrem Rückzüge durch Piemont und bemächtigten sich hier mehrer fester
Plätze. -- John Stuart Due d'Albany war auf seinem Marsch gegen Neapel
erst bis Velletri gelangt, als er die Nachricht von dem Verlust der Haupt¬
schlacht erhielt. Von der Orsinis begünstigt, von den Colonnas verfolgt, ge¬
lang es ihm mühsam, Civita vecchia zu erreichen, wo er sich uuter dem Schutze
Doria's und La Fayette's auf der französischen Flotte nach Frankreich ein¬
schiffte.

Fassen wir den Feldzug von Pavia vom militärischen Gesichtspunkte zu¬
sammen, so erscheint es höchst interessant, wie sich der großartige Erfolg aus
einem vollkommenen Fehlschläge entwickelt. -- Der verfehlte Zug nach Frank¬
reich, die erfolglose Belagerung von Marseille unter Bourbon's Ausspielen




") Pescara und Vasto.
") Die Nachricht von diesem Briefe findet sich zuerst bei de Vera a. a. O.

So. durch des Königs übergroß Vertrauen,

Durch seiner Diener Geiz und Schlechtigkeit,

Sind Wenige bei den Fahnen nur zu schauen,

Als nun das Lager „Zu den Waffen!" schreit.

Mit Schrecken überrascht bei macht'gen Grauen

Vonl klugen Spanier, der, im Heergeleit
'

Der zwei Avalos *) wol es würde wagen,
'


Zu Hoit' und Himmel sich hindurch zu schlagen.

Unter den Gefangenen befand sich ein Herr v. Montpezat, Gendarme aus
der Compagnie des Marschalls de Foix. Dieser leistete dem Könige am Abende
die Kammerdiener-Hilfen, und dieser gewann ihn so lieb, daß er ihn loskaufte
und ihn später zum Marschall von Frankreich erhob.

Noch vor Nacht sandte Franz den bekannten Brief an seine Mutter, die
Regentin, in welchem gestanden haben soll: „Naäg.ins! tout est xeräu lors
l'donneur! — ein Schlagwort, dessen Echtheit neuere Historiker zwar ernstlich
bezweifeln, dessen Glanz jedoch in den Augen der Franzosen alles Unheil von
Pavia reichlich aufwiegt, und das im Grunde genommen das Einzige ist,
was die meisten Mitglieder der großen Nation wissen, von jenem weltge¬
schichtlichen Tage.**)

Von dem ganzen glänzenden Adelsgefolge entkam nur der Herzog von
Alenxon mit einem Theile seines Corps und der Graf Clermont mit den in der
Vorstadt San Antonio und auf der Insel des Gravelone gestandenen Trup¬
pen. Die Besatzung von Mailand unter Trivulzio räumte die Stadt, über¬
schritt den Tessin und gelangte glücklich nach Frankreich, ebenso der Mark¬
graf von Saluzzo, welcher auf dem Rückmärsche von Genua begriffen war.
Wenige Tage nach der Schlacht von Pavia war die Lombardei vollstän¬
dig von den Franzosen geräumt. Die kaiserlichen Truppen folgten denselben
auf ihrem Rückzüge durch Piemont und bemächtigten sich hier mehrer fester
Plätze. — John Stuart Due d'Albany war auf seinem Marsch gegen Neapel
erst bis Velletri gelangt, als er die Nachricht von dem Verlust der Haupt¬
schlacht erhielt. Von der Orsinis begünstigt, von den Colonnas verfolgt, ge¬
lang es ihm mühsam, Civita vecchia zu erreichen, wo er sich uuter dem Schutze
Doria's und La Fayette's auf der französischen Flotte nach Frankreich ein¬
schiffte.

Fassen wir den Feldzug von Pavia vom militärischen Gesichtspunkte zu¬
sammen, so erscheint es höchst interessant, wie sich der großartige Erfolg aus
einem vollkommenen Fehlschläge entwickelt. — Der verfehlte Zug nach Frank¬
reich, die erfolglose Belagerung von Marseille unter Bourbon's Ausspielen




") Pescara und Vasto.
") Die Nachricht von diesem Briefe findet sich zuerst bei de Vera a. a. O.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/144>, abgerufen am 22.07.2024.