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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Und ebenso erklärte ja wieder das ebenso große Concil zu Basel
1431 -- 1443 den Pabst Eugen IV. 1439 für einen Störer des Kirchenfrie¬
dens und Ketzer, weil er den Grundsatz nicht anerkannte, daß ein Concil
über dem Papste stehe, und setzte ihn ab.

Hielten alle diese Bischöfe den Pabst für unfehlbar? oder standen sie
nicht vielmehr auf dem Standpunkte des Altkatholicismus? Sind darnach
die Altkatholiken keine Katholiken?

Erst die Reformation verrückt den Standpunkt und gibt der Bezeichnung
"römisch-katholisch" im Gegensatz zu den Protestanten einen engeren Sinn:
die Jesuiten verdächtigen seitdem jeden Episcopaliflen als Protestanten und
Ketzer. Und doch ist es nur Lug und Trug, daß das Ooneilium l'riZsutinurn
die bischöflichen Rechte aufgegeben, d. h. den Papst für autonom ohne ein
allgemeines Concil und ohne die Bischöfe, oder gar für infallibel erklärt habe.

Wahr ist nur, daß, nachdem einmal die Frage et" ^urs clivino resiäsutias
exiseoporum aufgeworfen war, in welcher das ganze Recht der Bischöfe (Epi-
scopalsystem) lag und liegt, man von Rom aus Alles daran setzte, um eine
ausdrückliche Erklärung des Concils im Sinne des Episcopalsystems zu hin¬
dern, und daß das soweit durch die italienischen Creaturen des Papstes
gelang, aber umgekehrt ließen die Bischöfe keinen Ausdruck passiren, der
irgendwie gegen das Episcopalsystem gedeutet werden könnte, während ma¬
teriell, der Wirklichkeit nach, die Bischöfe gegen die Autonomie, also auch
gegen die Unfehlbarkeit des Papstes waren, er^o das Vaticanische Con¬
cil von 1870 in der Sache und dem kirchlichen Interesse schlecht¬
hin dem Triden tinischen Concil widerspricht. Das ist nach den
Quellen und den geheimen Acten des Concils von Trident, wie sie nach und
nach an den Tag gekommen sind, auch bald von Sarpi so nachgewiesen,
unwidersprechlich:-- möglich freilich, daß die "Germania" und ihre Gelehrten
das nicht wissen.

Und dieser ächte Katholicismus fand dann auch in Veranlassung der
unchristlichen jesuitischen Moral durch den Jansenistischen Streit (1640--1713)
seinen formalen Ausdruck und seine reale Verkörperung in den holländischen
Diöcesen: Utrecht, Harlem und Deventer, officiell von der holländischen Re¬
gierung als die alte katholische Kirche (im Gegensatz zu den "Romschen")
anerkannt, und Altkatholicismus genannt, so daß daher der Name stammt.

Aber kaum hatten sich durch den Westphälischen Frieden die kirchlichen
Verhältnisse fester geordnet, den Protestanten gegenüber, so erscheint das
Episcopalsystem wieder (ja schon 1611 durch Edmund Richer gegen Bellarmin),
in hervorragender Weise in den 4 articuli occ;1iZ8i-i6 gkllieirna" 1682, welche
schlechthin nichts als der Altkatholicismus sind, dann in der Josephinischen
und Leopoldinischen Gesetzgebung (1781 -- 1790).


Und ebenso erklärte ja wieder das ebenso große Concil zu Basel
1431 — 1443 den Pabst Eugen IV. 1439 für einen Störer des Kirchenfrie¬
dens und Ketzer, weil er den Grundsatz nicht anerkannte, daß ein Concil
über dem Papste stehe, und setzte ihn ab.

Hielten alle diese Bischöfe den Pabst für unfehlbar? oder standen sie
nicht vielmehr auf dem Standpunkte des Altkatholicismus? Sind darnach
die Altkatholiken keine Katholiken?

Erst die Reformation verrückt den Standpunkt und gibt der Bezeichnung
„römisch-katholisch" im Gegensatz zu den Protestanten einen engeren Sinn:
die Jesuiten verdächtigen seitdem jeden Episcopaliflen als Protestanten und
Ketzer. Und doch ist es nur Lug und Trug, daß das Ooneilium l'riZsutinurn
die bischöflichen Rechte aufgegeben, d. h. den Papst für autonom ohne ein
allgemeines Concil und ohne die Bischöfe, oder gar für infallibel erklärt habe.

Wahr ist nur, daß, nachdem einmal die Frage et« ^urs clivino resiäsutias
exiseoporum aufgeworfen war, in welcher das ganze Recht der Bischöfe (Epi-
scopalsystem) lag und liegt, man von Rom aus Alles daran setzte, um eine
ausdrückliche Erklärung des Concils im Sinne des Episcopalsystems zu hin¬
dern, und daß das soweit durch die italienischen Creaturen des Papstes
gelang, aber umgekehrt ließen die Bischöfe keinen Ausdruck passiren, der
irgendwie gegen das Episcopalsystem gedeutet werden könnte, während ma¬
teriell, der Wirklichkeit nach, die Bischöfe gegen die Autonomie, also auch
gegen die Unfehlbarkeit des Papstes waren, er^o das Vaticanische Con¬
cil von 1870 in der Sache und dem kirchlichen Interesse schlecht¬
hin dem Triden tinischen Concil widerspricht. Das ist nach den
Quellen und den geheimen Acten des Concils von Trident, wie sie nach und
nach an den Tag gekommen sind, auch bald von Sarpi so nachgewiesen,
unwidersprechlich:— möglich freilich, daß die „Germania" und ihre Gelehrten
das nicht wissen.

Und dieser ächte Katholicismus fand dann auch in Veranlassung der
unchristlichen jesuitischen Moral durch den Jansenistischen Streit (1640—1713)
seinen formalen Ausdruck und seine reale Verkörperung in den holländischen
Diöcesen: Utrecht, Harlem und Deventer, officiell von der holländischen Re¬
gierung als die alte katholische Kirche (im Gegensatz zu den „Romschen")
anerkannt, und Altkatholicismus genannt, so daß daher der Name stammt.

Aber kaum hatten sich durch den Westphälischen Frieden die kirchlichen
Verhältnisse fester geordnet, den Protestanten gegenüber, so erscheint das
Episcopalsystem wieder (ja schon 1611 durch Edmund Richer gegen Bellarmin),
in hervorragender Weise in den 4 articuli occ;1iZ8i-i6 gkllieirna« 1682, welche
schlechthin nichts als der Altkatholicismus sind, dann in der Josephinischen
und Leopoldinischen Gesetzgebung (1781 — 1790).


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[0136] Und ebenso erklärte ja wieder das ebenso große Concil zu Basel 1431 — 1443 den Pabst Eugen IV. 1439 für einen Störer des Kirchenfrie¬ dens und Ketzer, weil er den Grundsatz nicht anerkannte, daß ein Concil über dem Papste stehe, und setzte ihn ab. Hielten alle diese Bischöfe den Pabst für unfehlbar? oder standen sie nicht vielmehr auf dem Standpunkte des Altkatholicismus? Sind darnach die Altkatholiken keine Katholiken? Erst die Reformation verrückt den Standpunkt und gibt der Bezeichnung „römisch-katholisch" im Gegensatz zu den Protestanten einen engeren Sinn: die Jesuiten verdächtigen seitdem jeden Episcopaliflen als Protestanten und Ketzer. Und doch ist es nur Lug und Trug, daß das Ooneilium l'riZsutinurn die bischöflichen Rechte aufgegeben, d. h. den Papst für autonom ohne ein allgemeines Concil und ohne die Bischöfe, oder gar für infallibel erklärt habe. Wahr ist nur, daß, nachdem einmal die Frage et« ^urs clivino resiäsutias exiseoporum aufgeworfen war, in welcher das ganze Recht der Bischöfe (Epi- scopalsystem) lag und liegt, man von Rom aus Alles daran setzte, um eine ausdrückliche Erklärung des Concils im Sinne des Episcopalsystems zu hin¬ dern, und daß das soweit durch die italienischen Creaturen des Papstes gelang, aber umgekehrt ließen die Bischöfe keinen Ausdruck passiren, der irgendwie gegen das Episcopalsystem gedeutet werden könnte, während ma¬ teriell, der Wirklichkeit nach, die Bischöfe gegen die Autonomie, also auch gegen die Unfehlbarkeit des Papstes waren, er^o das Vaticanische Con¬ cil von 1870 in der Sache und dem kirchlichen Interesse schlecht¬ hin dem Triden tinischen Concil widerspricht. Das ist nach den Quellen und den geheimen Acten des Concils von Trident, wie sie nach und nach an den Tag gekommen sind, auch bald von Sarpi so nachgewiesen, unwidersprechlich:— möglich freilich, daß die „Germania" und ihre Gelehrten das nicht wissen. Und dieser ächte Katholicismus fand dann auch in Veranlassung der unchristlichen jesuitischen Moral durch den Jansenistischen Streit (1640—1713) seinen formalen Ausdruck und seine reale Verkörperung in den holländischen Diöcesen: Utrecht, Harlem und Deventer, officiell von der holländischen Re¬ gierung als die alte katholische Kirche (im Gegensatz zu den „Romschen") anerkannt, und Altkatholicismus genannt, so daß daher der Name stammt. Aber kaum hatten sich durch den Westphälischen Frieden die kirchlichen Verhältnisse fester geordnet, den Protestanten gegenüber, so erscheint das Episcopalsystem wieder (ja schon 1611 durch Edmund Richer gegen Bellarmin), in hervorragender Weise in den 4 articuli occ;1iZ8i-i6 gkllieirna« 1682, welche schlechthin nichts als der Altkatholicismus sind, dann in der Josephinischen und Leopoldinischen Gesetzgebung (1781 — 1790).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/136>, abgerufen am 22.07.2024.