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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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ich hab so manichen landsknecht frisch,
sten da in iren halben Hosen.
steche drein, steche drein, ir frauen Landsknecht,
das seind die rechten Franzosen!

Selten wohl ist eine Entscheidung blutiger gefallen. Mit dem Anführer, dem
Grafen von Suffolk, waren der junge Franz von Lothringen, die Grafen
von Schonberg, Nassau, die Herren von Bünau und fünfzig deutsche Edel¬
leute geblieben. Fast der ganze Haufen der Schwarzen erlag mit ihnen dem
Schwerte der Sieger. Nur wenige entgingen dem Tode und geriethen in
Gefangenschaft.*) So ging eine der ältesten und berühmtesten Kriegsbanden
zu Grunde und deckte mit ihren noch im Tode trotzig scheinenden Leibern die
Wahlstatt. Pescara wurde bei diesem Kampfe verwundet; kaum noch athmend
Zog man ihn unter dem Pferde hervor; eine Kugel war ihm durch den
Harnisch in die Brust gedrungen, doch mit so abgeschwächter Kraft, daß die
Haut sie festgehalten hatte; sobald als irgend möglich, nahm er wieder Theil
an der Schlacht/*) Diese wurde jetzt, namentlich für die nun mit allen ihren
Haufen fliehenden Schweizer, fürchterlich. Denn sobald Leyva, der von seinem
Krankensessel auf dem Wall der Citadelle aus dem Gange der Schlacht auf¬
merksam gefolgt war***), den beginnenden Rückzug der französischen Flügel
erkannt, hatte er aus der Porta nuova und dem Thor der Citadelle gleich¬
zeitig sehr lebhafte Ausfälle gemacht, 1) die ihn beengenden Schanzen gestürmt
Bussy d'Amboise über den Haufen geworfen und war in den Park gedrungen.
Kaspar von Frundsberg, Graf Lodron und Sebastian Schärtlin standen im
ersten Gliede der avancirenden Landsknechte, welche die Franzosen nun dem
von Norden her vorrückenden Landsknechtshaufen des siegreichen Georg
von Frundsberg entgegentrieben,-^) Ein Detachement hatte Leyva auch gegen
die von den Franzosen oberhalb der Stadt angelegte Ticinobrücke gesendet
und sie zerstören lassen; bald hatten die Fliehenden nur noch die Wahl,
wessen Gnade sie anrufen sollten, die des hochgeschwollenen Tessins, oder
die der Garnison von Pavia; denn auf diese, durch monatelange Entbehrungen
bis zur Wuth gereizten deutschen Truppen stießen überall die fliehenden
Schaaren der Schweizer und der Argoulets -- kann man sich wundern, daß
ein fürchterliches Blutbad unter ihnen angerichtet wurde und daß das Würgen





1-) Jovius.




Es ist kainer davongekommen,
Erschlagen oder gefangen gennmmen."
") (Lied von Pavia.)
") Sandoval.
Sandoval.
et) Guicciardini, Reißner und Lebensbeschreibung deS berühmten Ritters Schaft. Schärtlein
von Burtenbach. Frankfurt 17?u.
1">"I) Sandoval.
Grenzboten Hi. 1S74. 14
ich hab so manichen landsknecht frisch,
sten da in iren halben Hosen.
steche drein, steche drein, ir frauen Landsknecht,
das seind die rechten Franzosen!

Selten wohl ist eine Entscheidung blutiger gefallen. Mit dem Anführer, dem
Grafen von Suffolk, waren der junge Franz von Lothringen, die Grafen
von Schonberg, Nassau, die Herren von Bünau und fünfzig deutsche Edel¬
leute geblieben. Fast der ganze Haufen der Schwarzen erlag mit ihnen dem
Schwerte der Sieger. Nur wenige entgingen dem Tode und geriethen in
Gefangenschaft.*) So ging eine der ältesten und berühmtesten Kriegsbanden
zu Grunde und deckte mit ihren noch im Tode trotzig scheinenden Leibern die
Wahlstatt. Pescara wurde bei diesem Kampfe verwundet; kaum noch athmend
Zog man ihn unter dem Pferde hervor; eine Kugel war ihm durch den
Harnisch in die Brust gedrungen, doch mit so abgeschwächter Kraft, daß die
Haut sie festgehalten hatte; sobald als irgend möglich, nahm er wieder Theil
an der Schlacht/*) Diese wurde jetzt, namentlich für die nun mit allen ihren
Haufen fliehenden Schweizer, fürchterlich. Denn sobald Leyva, der von seinem
Krankensessel auf dem Wall der Citadelle aus dem Gange der Schlacht auf¬
merksam gefolgt war***), den beginnenden Rückzug der französischen Flügel
erkannt, hatte er aus der Porta nuova und dem Thor der Citadelle gleich¬
zeitig sehr lebhafte Ausfälle gemacht, 1) die ihn beengenden Schanzen gestürmt
Bussy d'Amboise über den Haufen geworfen und war in den Park gedrungen.
Kaspar von Frundsberg, Graf Lodron und Sebastian Schärtlin standen im
ersten Gliede der avancirenden Landsknechte, welche die Franzosen nun dem
von Norden her vorrückenden Landsknechtshaufen des siegreichen Georg
von Frundsberg entgegentrieben,-^) Ein Detachement hatte Leyva auch gegen
die von den Franzosen oberhalb der Stadt angelegte Ticinobrücke gesendet
und sie zerstören lassen; bald hatten die Fliehenden nur noch die Wahl,
wessen Gnade sie anrufen sollten, die des hochgeschwollenen Tessins, oder
die der Garnison von Pavia; denn auf diese, durch monatelange Entbehrungen
bis zur Wuth gereizten deutschen Truppen stießen überall die fliehenden
Schaaren der Schweizer und der Argoulets — kann man sich wundern, daß
ein fürchterliches Blutbad unter ihnen angerichtet wurde und daß das Würgen





1-) Jovius.




Es ist kainer davongekommen,
Erschlagen oder gefangen gennmmen."
") (Lied von Pavia.)
") Sandoval.
Sandoval.
et) Guicciardini, Reißner und Lebensbeschreibung deS berühmten Ritters Schaft. Schärtlein
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[0113] ich hab so manichen landsknecht frisch, sten da in iren halben Hosen. steche drein, steche drein, ir frauen Landsknecht, das seind die rechten Franzosen! Selten wohl ist eine Entscheidung blutiger gefallen. Mit dem Anführer, dem Grafen von Suffolk, waren der junge Franz von Lothringen, die Grafen von Schonberg, Nassau, die Herren von Bünau und fünfzig deutsche Edel¬ leute geblieben. Fast der ganze Haufen der Schwarzen erlag mit ihnen dem Schwerte der Sieger. Nur wenige entgingen dem Tode und geriethen in Gefangenschaft.*) So ging eine der ältesten und berühmtesten Kriegsbanden zu Grunde und deckte mit ihren noch im Tode trotzig scheinenden Leibern die Wahlstatt. Pescara wurde bei diesem Kampfe verwundet; kaum noch athmend Zog man ihn unter dem Pferde hervor; eine Kugel war ihm durch den Harnisch in die Brust gedrungen, doch mit so abgeschwächter Kraft, daß die Haut sie festgehalten hatte; sobald als irgend möglich, nahm er wieder Theil an der Schlacht/*) Diese wurde jetzt, namentlich für die nun mit allen ihren Haufen fliehenden Schweizer, fürchterlich. Denn sobald Leyva, der von seinem Krankensessel auf dem Wall der Citadelle aus dem Gange der Schlacht auf¬ merksam gefolgt war***), den beginnenden Rückzug der französischen Flügel erkannt, hatte er aus der Porta nuova und dem Thor der Citadelle gleich¬ zeitig sehr lebhafte Ausfälle gemacht, 1) die ihn beengenden Schanzen gestürmt Bussy d'Amboise über den Haufen geworfen und war in den Park gedrungen. Kaspar von Frundsberg, Graf Lodron und Sebastian Schärtlin standen im ersten Gliede der avancirenden Landsknechte, welche die Franzosen nun dem von Norden her vorrückenden Landsknechtshaufen des siegreichen Georg von Frundsberg entgegentrieben,-^) Ein Detachement hatte Leyva auch gegen die von den Franzosen oberhalb der Stadt angelegte Ticinobrücke gesendet und sie zerstören lassen; bald hatten die Fliehenden nur noch die Wahl, wessen Gnade sie anrufen sollten, die des hochgeschwollenen Tessins, oder die der Garnison von Pavia; denn auf diese, durch monatelange Entbehrungen bis zur Wuth gereizten deutschen Truppen stießen überall die fliehenden Schaaren der Schweizer und der Argoulets — kann man sich wundern, daß ein fürchterliches Blutbad unter ihnen angerichtet wurde und daß das Würgen 1-) Jovius. Es ist kainer davongekommen, Erschlagen oder gefangen gennmmen." ") (Lied von Pavia.) ") Sandoval. Sandoval. et) Guicciardini, Reißner und Lebensbeschreibung deS berühmten Ritters Schaft. Schärtlein von Burtenbach. Frankfurt 17?u. 1">"I) Sandoval. Grenzboten Hi. 1S74. 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/113>, abgerufen am 22.07.2024.