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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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die'Kaiserlichen defilirten. Galliot hatte schon bei Marignano die Artillerie
Franz' I. geführt, deren furchtbare Wirkung damals die tollkühn anstürmenden
Schweizer so schmerzlich kennen gelernt; jetzt erging es den Truppen Frunds-
berg's ebenso.


"An sant Matheys tag, da der tag herbrach,
da fieng wir an zu ziehen . . .
da zügelt wir in tiergarten hinein,
darnach stund unser verlangen,
sie hießen uns all gottwillkummen sein
aus kartaunen und mit schlangen."

So heißt es in dem alten Landsknechtsliede von der Schlacht von Pavia,
und so war's in der That.

Die französische Avantgarde hatte sich nämlich der Mauerlücke auf gute
Schußweite genähert, als eben die Queue des kaiserlichen Heeres defilirte,
welche, wie bekannt, aus denjenigen Fähnlein bestand, die bis zuletzt vor der
Schanzenfront des französischen Lagers ihre Demonstrationen ausgeführt
hatten und die zugleich beauftragt waren, das ungemein langsam marschierende
Geschütz zu geleiten; denn die kümmerliche Artillerie der Verbündeten, welche
zum Theil mit Ochsen bespannt war, und ihre mit Munition beladenen
Saumthiere kamen gar nicht von der Stelle.*) Auf diese ermüdeten Truppen
und auf die letzten Fähnlein von Frundsberg's Knechten fiel nun der Angriff
Galliot's: eine artilleristische Offensive, wie die Kriegsgeschichte eine solche bis
dahin wol nur einmal, nämlich in der Sporenschlacht, und auch diese in sehr
viel bescheidneren Umfang aufzuweisen hat. Du Bellay sagt: "Galliot hatte
seine Artillerie so vortheilhaft placirt, daß der Feind gezwungen war, beim
Durchmarsch der Armee durch die Mauerlücke, Einer hinter dem andern vor¬
beizulaufen, um ein kleines Thal zu erreichen und sich dort gegen die genannte
Artillerie zu decken; denn diese öffnete Schuß für Schuß Breschen in ihren
Bataillons, so daß man nur Arme und Köpfe fliegen sah."**) In unglaublich
kurzer Zeit verloren die Verbündeten über 1000 Mann; ein Theil der Lands¬
knechte gab die ursprüngliche Direction auf Mirabella auf und warf sich mit
den spanischen und italienischen Fähnlein der Nachhut in das Deckung ge-
währende Thal der Vernavola. Die Spanier staunten über die Geschicklich-




*) Sandoval. -- Don Juan Antonio de Vera y Figueroa vehcuwtet, daß der Weg vom
Lager zum Thiergarten und die Passage durch die Bresche'so schlecht gewesen seien, daß aus
diesem Grunde nicht mehr als 3 Geschütze hatten mitgenommen werden können, (llpitome cis I"
Vita? Kevno" Sei LmperÄclor varlos V, NaüriS 1022, französisch Valeries 1625.)
--) Aehnlich drücken sich andere Quellen aus: "Nais Ävsut ne oliogusr I's,rtiIIsi'is as ro?
use si druf xrsnt advMarivs, as couper <zu'eilf tiroit "ins I'on vsoit volsr co I'cur los
dsrnois <les ennsiri^s, testes, vrss ass Ksns us elevat et us xz?6 <zue on eust sist <zue e'es-
tait la touclrs hui eust xass6. (^.g priuss et Sölivr"roe ac ^raneois I, extrait <Zu N. 5Z.
V902 cke I" Livliotliittzus ro/sie bei I^oui" Napoleon: I^e xssse et I'avenir no I artillsrie.)

die'Kaiserlichen defilirten. Galliot hatte schon bei Marignano die Artillerie
Franz' I. geführt, deren furchtbare Wirkung damals die tollkühn anstürmenden
Schweizer so schmerzlich kennen gelernt; jetzt erging es den Truppen Frunds-
berg's ebenso.


„An sant Matheys tag, da der tag herbrach,
da fieng wir an zu ziehen . . .
da zügelt wir in tiergarten hinein,
darnach stund unser verlangen,
sie hießen uns all gottwillkummen sein
aus kartaunen und mit schlangen."

So heißt es in dem alten Landsknechtsliede von der Schlacht von Pavia,
und so war's in der That.

Die französische Avantgarde hatte sich nämlich der Mauerlücke auf gute
Schußweite genähert, als eben die Queue des kaiserlichen Heeres defilirte,
welche, wie bekannt, aus denjenigen Fähnlein bestand, die bis zuletzt vor der
Schanzenfront des französischen Lagers ihre Demonstrationen ausgeführt
hatten und die zugleich beauftragt waren, das ungemein langsam marschierende
Geschütz zu geleiten; denn die kümmerliche Artillerie der Verbündeten, welche
zum Theil mit Ochsen bespannt war, und ihre mit Munition beladenen
Saumthiere kamen gar nicht von der Stelle.*) Auf diese ermüdeten Truppen
und auf die letzten Fähnlein von Frundsberg's Knechten fiel nun der Angriff
Galliot's: eine artilleristische Offensive, wie die Kriegsgeschichte eine solche bis
dahin wol nur einmal, nämlich in der Sporenschlacht, und auch diese in sehr
viel bescheidneren Umfang aufzuweisen hat. Du Bellay sagt: „Galliot hatte
seine Artillerie so vortheilhaft placirt, daß der Feind gezwungen war, beim
Durchmarsch der Armee durch die Mauerlücke, Einer hinter dem andern vor¬
beizulaufen, um ein kleines Thal zu erreichen und sich dort gegen die genannte
Artillerie zu decken; denn diese öffnete Schuß für Schuß Breschen in ihren
Bataillons, so daß man nur Arme und Köpfe fliegen sah."**) In unglaublich
kurzer Zeit verloren die Verbündeten über 1000 Mann; ein Theil der Lands¬
knechte gab die ursprüngliche Direction auf Mirabella auf und warf sich mit
den spanischen und italienischen Fähnlein der Nachhut in das Deckung ge-
währende Thal der Vernavola. Die Spanier staunten über die Geschicklich-




*) Sandoval. — Don Juan Antonio de Vera y Figueroa vehcuwtet, daß der Weg vom
Lager zum Thiergarten und die Passage durch die Bresche'so schlecht gewesen seien, daß aus
diesem Grunde nicht mehr als 3 Geschütze hatten mitgenommen werden können, (llpitome cis I»
Vita? Kevno» Sei LmperÄclor varlos V, NaüriS 1022, französisch Valeries 1625.)
—) Aehnlich drücken sich andere Quellen aus: „Nais Ävsut ne oliogusr I's,rtiIIsi'is as ro?
use si druf xrsnt advMarivs, as couper <zu'eilf tiroit «ins I'on vsoit volsr co I'cur los
dsrnois <les ennsiri^s, testes, vrss ass Ksns us elevat et us xz?6 <zue on eust sist <zue e'es-
tait la touclrs hui eust xass6. (^.g priuss et Sölivr»roe ac ^raneois I, extrait <Zu N. 5Z.
V902 cke I» Livliotliittzus ro/sie bei I^oui» Napoleon: I^e xssse et I'avenir no I artillsrie.)
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[0103] die'Kaiserlichen defilirten. Galliot hatte schon bei Marignano die Artillerie Franz' I. geführt, deren furchtbare Wirkung damals die tollkühn anstürmenden Schweizer so schmerzlich kennen gelernt; jetzt erging es den Truppen Frunds- berg's ebenso. „An sant Matheys tag, da der tag herbrach, da fieng wir an zu ziehen . . . da zügelt wir in tiergarten hinein, darnach stund unser verlangen, sie hießen uns all gottwillkummen sein aus kartaunen und mit schlangen." So heißt es in dem alten Landsknechtsliede von der Schlacht von Pavia, und so war's in der That. Die französische Avantgarde hatte sich nämlich der Mauerlücke auf gute Schußweite genähert, als eben die Queue des kaiserlichen Heeres defilirte, welche, wie bekannt, aus denjenigen Fähnlein bestand, die bis zuletzt vor der Schanzenfront des französischen Lagers ihre Demonstrationen ausgeführt hatten und die zugleich beauftragt waren, das ungemein langsam marschierende Geschütz zu geleiten; denn die kümmerliche Artillerie der Verbündeten, welche zum Theil mit Ochsen bespannt war, und ihre mit Munition beladenen Saumthiere kamen gar nicht von der Stelle.*) Auf diese ermüdeten Truppen und auf die letzten Fähnlein von Frundsberg's Knechten fiel nun der Angriff Galliot's: eine artilleristische Offensive, wie die Kriegsgeschichte eine solche bis dahin wol nur einmal, nämlich in der Sporenschlacht, und auch diese in sehr viel bescheidneren Umfang aufzuweisen hat. Du Bellay sagt: „Galliot hatte seine Artillerie so vortheilhaft placirt, daß der Feind gezwungen war, beim Durchmarsch der Armee durch die Mauerlücke, Einer hinter dem andern vor¬ beizulaufen, um ein kleines Thal zu erreichen und sich dort gegen die genannte Artillerie zu decken; denn diese öffnete Schuß für Schuß Breschen in ihren Bataillons, so daß man nur Arme und Köpfe fliegen sah."**) In unglaublich kurzer Zeit verloren die Verbündeten über 1000 Mann; ein Theil der Lands¬ knechte gab die ursprüngliche Direction auf Mirabella auf und warf sich mit den spanischen und italienischen Fähnlein der Nachhut in das Deckung ge- währende Thal der Vernavola. Die Spanier staunten über die Geschicklich- *) Sandoval. — Don Juan Antonio de Vera y Figueroa vehcuwtet, daß der Weg vom Lager zum Thiergarten und die Passage durch die Bresche'so schlecht gewesen seien, daß aus diesem Grunde nicht mehr als 3 Geschütze hatten mitgenommen werden können, (llpitome cis I» Vita? Kevno» Sei LmperÄclor varlos V, NaüriS 1022, französisch Valeries 1625.) —) Aehnlich drücken sich andere Quellen aus: „Nais Ävsut ne oliogusr I's,rtiIIsi'is as ro? use si druf xrsnt advMarivs, as couper <zu'eilf tiroit «ins I'on vsoit volsr co I'cur los dsrnois <les ennsiri^s, testes, vrss ass Ksns us elevat et us xz?6 <zue on eust sist <zue e'es- tait la touclrs hui eust xass6. (^.g priuss et Sölivr»roe ac ^raneois I, extrait <Zu N. 5Z. V902 cke I» Livliotliittzus ro/sie bei I^oui» Napoleon: I^e xssse et I'avenir no I artillsrie.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/103>, abgerufen am 22.07.2024.