Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.geladen waren. Was aber das Schlimmste ist, im Vordergründe, auf der Dasselbe gilt von dem zweiten Kulturbilde des Heftes, dem "Hochzeitsfest geladen waren. Was aber das Schlimmste ist, im Vordergründe, auf der Dasselbe gilt von dem zweiten Kulturbilde des Heftes, dem „Hochzeitsfest <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0513" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131157"/> <p xml:id="ID_1448" prev="#ID_1447"> geladen waren. Was aber das Schlimmste ist, im Vordergründe, auf der<lb/> untersten Stufe der Freitreppe, hat sich eine Zigeunerin mit ihren Krücken<lb/> niedergelassen, so alt wie Hecuba, gleichwohl aber mit einem Säugling an<lb/> der Brust, die Lucull. wenn sie wirklich bis dahin gedrungen wäre, jedenfalls<lb/> auf die energischste Weise an die Luft gesetzt haben würde. -- Mit diesen<lb/> wohlgemeinten Ausstellungen, die vielleicht eine zweite Auflage beachtet, soll<lb/> das günstige Urtheil, das wir am Eingang dieser Besprechung fällten, keines¬<lb/> wegs aufgehoben werden. Nur der Realismus des Verfassers, der im Allge¬<lb/> meinen sehr dankenswerth ist und ihn namentlich befähigt, uns die Bilder aus<lb/> vergangenen Jahrtausenden mit solcher Lebendigkeit und zugleich mit soviel<lb/> historischer Treue vorzuführen, als ob sie vor unsern eigenen Augen vorbei¬<lb/> zögen, scheint uns das Maß des ästhetisch Zulässigen und Nothwendigen<lb/> überschritten zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1449" next="#ID_1450"> Dasselbe gilt von dem zweiten Kulturbilde des Heftes, dem „Hochzeitsfest<lb/> im römischen Karthago" (224 nach Christus), welches das Motto trägt:<lb/> „Lüirlstig.nos aä leovss." Wiederum sind hier eine Anzahl charakteristischer<lb/> Bilder ,der farbenprächtigen heidnischen Welt: ein elegantes Frauengemach,<lb/> die Vorbereitungen zu einer vornehmen römischen Hochzeit und diese Feier<lb/> selbst, ein karthagischer Sklavenmarkt, öffentliche Spiele zur Verherrlichung der<lb/> Hochzeit des Proeonsuls u. f. w., dem Leser in der eigenthümlich realistisch¬<lb/> lebendigen Weise des Verfassers vorgeführt. Auch hier wird sich der Leser<lb/> von manchem Detail ^peinlich berührt fühlen, namentlich von der grauenhaften<lb/> Anschaulichkeit der Schilderung, wie die Christen in der Arena von den ver¬<lb/> hungerten Bestien zu Ehren der zwölfjährigen jungen Frau des Proeonsuls<lb/> zerfleischt werden. Zudem findet in diesem „Kulturbild" eine Häufung mo<lb/> derner französischer Romanmotive statt, die dem Ganzen einen etwas chargirten<lb/> Salonparfüm giebt und stellenweise sogar mit den charakteristischen Zügen<lb/> des Zeitalters, welches der Verfasser schildern will, in Widerspruch tritt. Die<lb/> Handlung des Stücks besteht nämlich in Folgendem: Der römische Proconsul<lb/> von Karthago, ein junger Wüstling, hat bereits, ehe er hier auf der Bild¬<lb/> fläche erscheint, die Enkelin eines numidischen Fürsten um ihre Liebe betrogen,<lb/> worüber diese wahnsinnig geworden ist, und ihm überallhin folgt. In Kar¬<lb/> thago hat er sich in eine junge Ehristin verliebt, die in den Kerkern schmachtet<lb/> und allen seinen Lockungen und Convertirungsversuchen widersteht. Aus<lb/> Aerger über das Mißlingen dieser Pläne freit er um die kaum erwachsene<lb/> Tochter des Aedilen Marcus Plautus, Sempronia, die der unglückliche Vater<lb/> dem Mächtigen sofort überläßt. Zu Ehren des jungen Paares wird die<lb/> Christin, die der Proconsul liebt, sammt ihren Glaubensgenossen den wilden<lb/> Thieren vorgeworfen. Sempronia ist durch den Anblick so erschüttert, daß sie<lb/> die Stadt verläßt, um in d^r Einsamkeit sich zu sammeln. Da trifft sie in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0513]
geladen waren. Was aber das Schlimmste ist, im Vordergründe, auf der
untersten Stufe der Freitreppe, hat sich eine Zigeunerin mit ihren Krücken
niedergelassen, so alt wie Hecuba, gleichwohl aber mit einem Säugling an
der Brust, die Lucull. wenn sie wirklich bis dahin gedrungen wäre, jedenfalls
auf die energischste Weise an die Luft gesetzt haben würde. -- Mit diesen
wohlgemeinten Ausstellungen, die vielleicht eine zweite Auflage beachtet, soll
das günstige Urtheil, das wir am Eingang dieser Besprechung fällten, keines¬
wegs aufgehoben werden. Nur der Realismus des Verfassers, der im Allge¬
meinen sehr dankenswerth ist und ihn namentlich befähigt, uns die Bilder aus
vergangenen Jahrtausenden mit solcher Lebendigkeit und zugleich mit soviel
historischer Treue vorzuführen, als ob sie vor unsern eigenen Augen vorbei¬
zögen, scheint uns das Maß des ästhetisch Zulässigen und Nothwendigen
überschritten zu haben.
Dasselbe gilt von dem zweiten Kulturbilde des Heftes, dem „Hochzeitsfest
im römischen Karthago" (224 nach Christus), welches das Motto trägt:
„Lüirlstig.nos aä leovss." Wiederum sind hier eine Anzahl charakteristischer
Bilder ,der farbenprächtigen heidnischen Welt: ein elegantes Frauengemach,
die Vorbereitungen zu einer vornehmen römischen Hochzeit und diese Feier
selbst, ein karthagischer Sklavenmarkt, öffentliche Spiele zur Verherrlichung der
Hochzeit des Proeonsuls u. f. w., dem Leser in der eigenthümlich realistisch¬
lebendigen Weise des Verfassers vorgeführt. Auch hier wird sich der Leser
von manchem Detail ^peinlich berührt fühlen, namentlich von der grauenhaften
Anschaulichkeit der Schilderung, wie die Christen in der Arena von den ver¬
hungerten Bestien zu Ehren der zwölfjährigen jungen Frau des Proeonsuls
zerfleischt werden. Zudem findet in diesem „Kulturbild" eine Häufung mo
derner französischer Romanmotive statt, die dem Ganzen einen etwas chargirten
Salonparfüm giebt und stellenweise sogar mit den charakteristischen Zügen
des Zeitalters, welches der Verfasser schildern will, in Widerspruch tritt. Die
Handlung des Stücks besteht nämlich in Folgendem: Der römische Proconsul
von Karthago, ein junger Wüstling, hat bereits, ehe er hier auf der Bild¬
fläche erscheint, die Enkelin eines numidischen Fürsten um ihre Liebe betrogen,
worüber diese wahnsinnig geworden ist, und ihm überallhin folgt. In Kar¬
thago hat er sich in eine junge Ehristin verliebt, die in den Kerkern schmachtet
und allen seinen Lockungen und Convertirungsversuchen widersteht. Aus
Aerger über das Mißlingen dieser Pläne freit er um die kaum erwachsene
Tochter des Aedilen Marcus Plautus, Sempronia, die der unglückliche Vater
dem Mächtigen sofort überläßt. Zu Ehren des jungen Paares wird die
Christin, die der Proconsul liebt, sammt ihren Glaubensgenossen den wilden
Thieren vorgeworfen. Sempronia ist durch den Anblick so erschüttert, daß sie
die Stadt verläßt, um in d^r Einsamkeit sich zu sammeln. Da trifft sie in
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