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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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muthet uns zu, ihm aufs Wort zu glauben, Govone habe ganz aus eigenem
Antriebe gehandelt; Govone aber ist bekanntlich todt. Dagegen lebt un¬
glücklicher Weise der Graf Czaki noch, der besser als irgend Jemand sonst
über Lamarmora's Stimmung gegen Ungarn Bescheid wissen muß. Daß der
italienische Minister ihn selbst zum Grafen Usedom geschickt hat, ist ja jetzt
eine allbekannte Sache, sowie nicht minder, daß es Lamarmora gerathen
däuchte, jede Spur davon in seinem Buche zu verwischen. Eine interessante
Frage aber ist es immerhin, zu welcher Zeit Lamarmora wohl mit Czaki
verhandelt habe. Wer eine schlechte Meinung von dem Minister-General hat,
der wird schnell bereit sein, zu vermuthen, es müsse vor dem 5. Mai
gewesen sein; denn von dem Augenblicke an, wo eine freiwillige Cession
Venetiens in Sicht kam, habe jener gewiß alle solche waghalsigen und com-
promittirenden Pläne vermieden. Wer eine gute Meinung von ihm hat, der
wird umgekehrt vermuthen, es müsse viel später gewesen sein, da Lamarmora
ja den Govone'schen Aeußerungen vom 2. Mai gegenüber sein Befremden
deutlich zu erkennen gebe und damals also unmöglich selbst einen Hauptführer
der Ungarn dem Grafen Usedom zugeschickt haben könne. Und doch liegen
die Dinge so, daß wir nicht daran zweifeln können, daß die Mission Czaki's
in die ersten Tage des Mai oder in die letzten des April fällt, und daß
Govone's Aeußerungen in engem Zusammenhange mit ihr stehen. Lamarmora
ist nämlich unvorsichtig genug, das Datum eines Schreibens anzugeben, in
welchem Klapka die Schritte erwähnt, die Czaki bei dem Minister gethan
habe, und dieses Datum ist Brüssel, den 10. Mai. Wenn Klapka aber
am 10. Mai in Brüssel diese Schritte schon kennt, ja wenn Kossuth an dem¬
selben Tage bereits ein sieben Druckseiten langes Memoire an Lamarmora
abschickt, so ergiebt sich daraus mit Nothwendigkeit, daß Czaki's und Lamar-
mora's Verhandlungen zu der angegebenen Zeit stattgefunden haben müssen.
Es war das aber die Zeit, wo Italien plötzlich mobil machte (27. April) und
wo Govone eine räthselhaste Vergnügungstour von Berlin nach Hamburg
und vielleicht noch anderswohin unternahm, nach deren Beendigung er dem
Grafen Bismarck die nützliche Verwendung jener fünf Millionen empfahl.
Wenn es somit sehr wahrscheinlich ist, daß Lamarmora der Wahrheit und
besserem Wissen zuwider seine Kenntniß des Schrittes, den Govone that,
leugnet und wenn er daher auch die Antwort, welche er ihm deshalb gab,
verheimlicht, so wird man den Beweggrund dazu nicht lange zu suchen
brauchen. Er mußte seine anfängliche Zustimmung zu den ungarischen
Plänen verbergen, um sich der Mühe zu überheben, seine spätere Abneigung
gegen dieselben zu motiviren. Denn welches andere Motiv hätte er anführen
können, als das: er habe Oesterreich durch einen solchen Revolutionirungs-
versuch keine Handhabe bieten wollen, sich seines Versprechens in Bezug auf


muthet uns zu, ihm aufs Wort zu glauben, Govone habe ganz aus eigenem
Antriebe gehandelt; Govone aber ist bekanntlich todt. Dagegen lebt un¬
glücklicher Weise der Graf Czaki noch, der besser als irgend Jemand sonst
über Lamarmora's Stimmung gegen Ungarn Bescheid wissen muß. Daß der
italienische Minister ihn selbst zum Grafen Usedom geschickt hat, ist ja jetzt
eine allbekannte Sache, sowie nicht minder, daß es Lamarmora gerathen
däuchte, jede Spur davon in seinem Buche zu verwischen. Eine interessante
Frage aber ist es immerhin, zu welcher Zeit Lamarmora wohl mit Czaki
verhandelt habe. Wer eine schlechte Meinung von dem Minister-General hat,
der wird schnell bereit sein, zu vermuthen, es müsse vor dem 5. Mai
gewesen sein; denn von dem Augenblicke an, wo eine freiwillige Cession
Venetiens in Sicht kam, habe jener gewiß alle solche waghalsigen und com-
promittirenden Pläne vermieden. Wer eine gute Meinung von ihm hat, der
wird umgekehrt vermuthen, es müsse viel später gewesen sein, da Lamarmora
ja den Govone'schen Aeußerungen vom 2. Mai gegenüber sein Befremden
deutlich zu erkennen gebe und damals also unmöglich selbst einen Hauptführer
der Ungarn dem Grafen Usedom zugeschickt haben könne. Und doch liegen
die Dinge so, daß wir nicht daran zweifeln können, daß die Mission Czaki's
in die ersten Tage des Mai oder in die letzten des April fällt, und daß
Govone's Aeußerungen in engem Zusammenhange mit ihr stehen. Lamarmora
ist nämlich unvorsichtig genug, das Datum eines Schreibens anzugeben, in
welchem Klapka die Schritte erwähnt, die Czaki bei dem Minister gethan
habe, und dieses Datum ist Brüssel, den 10. Mai. Wenn Klapka aber
am 10. Mai in Brüssel diese Schritte schon kennt, ja wenn Kossuth an dem¬
selben Tage bereits ein sieben Druckseiten langes Memoire an Lamarmora
abschickt, so ergiebt sich daraus mit Nothwendigkeit, daß Czaki's und Lamar-
mora's Verhandlungen zu der angegebenen Zeit stattgefunden haben müssen.
Es war das aber die Zeit, wo Italien plötzlich mobil machte (27. April) und
wo Govone eine räthselhaste Vergnügungstour von Berlin nach Hamburg
und vielleicht noch anderswohin unternahm, nach deren Beendigung er dem
Grafen Bismarck die nützliche Verwendung jener fünf Millionen empfahl.
Wenn es somit sehr wahrscheinlich ist, daß Lamarmora der Wahrheit und
besserem Wissen zuwider seine Kenntniß des Schrittes, den Govone that,
leugnet und wenn er daher auch die Antwort, welche er ihm deshalb gab,
verheimlicht, so wird man den Beweggrund dazu nicht lange zu suchen
brauchen. Er mußte seine anfängliche Zustimmung zu den ungarischen
Plänen verbergen, um sich der Mühe zu überheben, seine spätere Abneigung
gegen dieselben zu motiviren. Denn welches andere Motiv hätte er anführen
können, als das: er habe Oesterreich durch einen solchen Revolutionirungs-
versuch keine Handhabe bieten wollen, sich seines Versprechens in Bezug auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/462>, abgerufen am 26.12.2024.