Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.Cornelius und Thorwaldsen nicht schwer genug, und Bunsen, obgleich er hier Cornelius und Thorwaldsen nicht schwer genug, und Bunsen, obgleich er hier <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0454" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131098"/> <p xml:id="ID_1290" prev="#ID_1289" next="#ID_1291"> Cornelius und Thorwaldsen nicht schwer genug, und Bunsen, obgleich er hier<lb/> in seiner liebenswürdigsten Gestalt auftritt, genügt uns auch noch nicht, eher<lb/> vielleicht der auch hier in seiner tiefen und reichen Innerlichkeit höchst ehr¬<lb/> würdige Niebuhr, dessen schützende Hand der Künstlerin vielleicht ohne<lb/> daß sie es sich völlig bewußt wurde, Rom zu einem Paradiese machte. Unter<lb/> den Jenaischen Freunden begegnet natürlich auch der alte in seiner Art einzige<lb/> Knebel, hier in der ganzen unverwüstlichen Heiterkeit eines auf sich selbst ge¬<lb/> stellten und doch mit der Welt behaglich abgefundenen Originals. Auch er<lb/> wie seine ebenso originelle, nur weniger anmuthige Frau, so wie die, beiden<lb/> gleichsam providenziell angeschaffene häusliche Umgebung bieten dem gut¬<lb/> müthigen Zeichenstift ein Paar der allerwirksamsten Charakterköpfe, die man,<lb/> auch wenn man sie sonst genau genug zu kennen glaubt, in dieser Auffassung<lb/> mit der vollkommensten Befriedigung betrachtet. Demselben heimathlichen<lb/> Kreise gehört auch ein anderes Freundesbild an, bei dem die Malerin mit<lb/> großer Vorliebe verweilt. Wir meinen den später als geistvollen Vertreter der<lb/> naturphilosophischen Richtung so berühmt gewordenen Jenaer Arzt und Pro¬<lb/> fessor Kieser, der, wie die ganze Richtung selbst, heut freilich nur noch in der<lb/> Geschichte seiner Wissenschaft mitgenannt aber nicht gezählt wird. Deshalb<lb/> dürfte selbst sein Name den meisten gebildeten Lesern verschollen sein. Wir<lb/> gedenken seiner an dieser Stelle auch nicht sowohl wegen seiner eigenen, dereinst<lb/> vielleicht wieder mehr zur Würdigung gelangenden wissenschaftlichen überhaupt<lb/> geistigen Persönlichkeit als wegen der mancherlei, zum Theil höchst merkwür¬<lb/> digen Notizen über Goethe, die er brieflich an seine Freundin mittheilt. Im<lb/> Hochwinter 1813—14 nämlich war K. von Jena nach Weimar gezogen, um<lb/> dort bei der Organisation der Weimarischen Freiwilligen mit Rath und<lb/> That zu helfen und die immer wieder stockende Sache endlich in Fluß zu<lb/> bringen. Er verkehrte während mehrerer Monate sehr viel und sehr intim<lb/> mit Goethe, der ihm schon früher gewogen war. Ohne das Einzelne hier<lb/> weiter berühren zu können, sei nur als allgemeines Resultat gesagt, daß sich<lb/> auch hier wieder, im Gegensatz zu der noch die Oberfläche beherrschenden<lb/> Meinung, bestätigt, wie Goethe's tiefstes Innere durch die Ereignisse der Zeit<lb/> leidenschaftlich, ja fast krankhaft aufgewühlt wurde, so daß er sich selbst vor<lb/> einem so jungen und verhältnißmäßig ferner stehenden Zeugen mitunter in<lb/> wahrhaft vulcanischen Ausbrüchen ergoß, die der Andere mit einem Gemisch<lb/> von Grauen und Ehrfurcht anstaunte, aber nicht verstand. Denn jene naive<lb/> patriotische Jdealistik, wie sie damals die meisten edleren Seelen erfüllte,<lb/> mochten die Locken der Häupter braun oder silberweiß gefärbt sein, war<lb/> nicht das, was den Geist des an Geist alle andern überragenden Heroen be¬<lb/> friedigen konnte, ohne daß er deswegen unpatriotisch gewesen wäre. Er war<lb/> nur in einem höhern Sinn als die andern ebenso von der Idee der Zeit ent-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0454]
Cornelius und Thorwaldsen nicht schwer genug, und Bunsen, obgleich er hier
in seiner liebenswürdigsten Gestalt auftritt, genügt uns auch noch nicht, eher
vielleicht der auch hier in seiner tiefen und reichen Innerlichkeit höchst ehr¬
würdige Niebuhr, dessen schützende Hand der Künstlerin vielleicht ohne
daß sie es sich völlig bewußt wurde, Rom zu einem Paradiese machte. Unter
den Jenaischen Freunden begegnet natürlich auch der alte in seiner Art einzige
Knebel, hier in der ganzen unverwüstlichen Heiterkeit eines auf sich selbst ge¬
stellten und doch mit der Welt behaglich abgefundenen Originals. Auch er
wie seine ebenso originelle, nur weniger anmuthige Frau, so wie die, beiden
gleichsam providenziell angeschaffene häusliche Umgebung bieten dem gut¬
müthigen Zeichenstift ein Paar der allerwirksamsten Charakterköpfe, die man,
auch wenn man sie sonst genau genug zu kennen glaubt, in dieser Auffassung
mit der vollkommensten Befriedigung betrachtet. Demselben heimathlichen
Kreise gehört auch ein anderes Freundesbild an, bei dem die Malerin mit
großer Vorliebe verweilt. Wir meinen den später als geistvollen Vertreter der
naturphilosophischen Richtung so berühmt gewordenen Jenaer Arzt und Pro¬
fessor Kieser, der, wie die ganze Richtung selbst, heut freilich nur noch in der
Geschichte seiner Wissenschaft mitgenannt aber nicht gezählt wird. Deshalb
dürfte selbst sein Name den meisten gebildeten Lesern verschollen sein. Wir
gedenken seiner an dieser Stelle auch nicht sowohl wegen seiner eigenen, dereinst
vielleicht wieder mehr zur Würdigung gelangenden wissenschaftlichen überhaupt
geistigen Persönlichkeit als wegen der mancherlei, zum Theil höchst merkwür¬
digen Notizen über Goethe, die er brieflich an seine Freundin mittheilt. Im
Hochwinter 1813—14 nämlich war K. von Jena nach Weimar gezogen, um
dort bei der Organisation der Weimarischen Freiwilligen mit Rath und
That zu helfen und die immer wieder stockende Sache endlich in Fluß zu
bringen. Er verkehrte während mehrerer Monate sehr viel und sehr intim
mit Goethe, der ihm schon früher gewogen war. Ohne das Einzelne hier
weiter berühren zu können, sei nur als allgemeines Resultat gesagt, daß sich
auch hier wieder, im Gegensatz zu der noch die Oberfläche beherrschenden
Meinung, bestätigt, wie Goethe's tiefstes Innere durch die Ereignisse der Zeit
leidenschaftlich, ja fast krankhaft aufgewühlt wurde, so daß er sich selbst vor
einem so jungen und verhältnißmäßig ferner stehenden Zeugen mitunter in
wahrhaft vulcanischen Ausbrüchen ergoß, die der Andere mit einem Gemisch
von Grauen und Ehrfurcht anstaunte, aber nicht verstand. Denn jene naive
patriotische Jdealistik, wie sie damals die meisten edleren Seelen erfüllte,
mochten die Locken der Häupter braun oder silberweiß gefärbt sein, war
nicht das, was den Geist des an Geist alle andern überragenden Heroen be¬
friedigen konnte, ohne daß er deswegen unpatriotisch gewesen wäre. Er war
nur in einem höhern Sinn als die andern ebenso von der Idee der Zeit ent-
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