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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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auszusprechen. Das aber lehrt die tägliche Erfahrung bereits, daß das Ver¬
ständniß der neuen Tarifsätze sich mehr und mehr abklärt, daß das Publikum
in immer steigendem Maße von der ihm gebotenen Erleichterung im Packet-
verkehr Gebrauch macht, und daß sich der Tarif mehr und mehr als eine
Wohlthat erweist. Wir würden deshalb jenen Artikel im "Magazin" jetzt
verlassen können, wenn derselbe nicht durchblicken ließe, daß die "Befürch¬
tungen", welche die Reform des Tarifs in den buchhändlerischen Kreisen
des "Magazins" hervorgerufen hat, in der That einen realen Hintergrund
haben. Vielleicht beginnt nämlich die Erkenntniß sich Bahn zu brechen, daß
die gerühmte und in vielen Beziehungen auch durchaus rühmenswerthe bis¬
herige Organisation des deutschen Buchhandels zum Theil doch hinter den
Bedürfnissen der Jetztzeit zurückbleibt. Wer z. B. auf dem Lande oder in
kleinen Städten wohnt, wird erfahren haben, mit welchen Schwierigkeiten
dort der Bezug eines neu erschienenen Werks verknüpft ist. Der 3--4 Meilen
und nicht selten noch weiter entfernte "Sortimenter" nahm zwar die Be-
stellung daraus an; es vergingen aber Wochen auf Wochen, bis das Buch
endlich eintraf in einem Augenblicke, wo das Interesse dafür vielleicht schon
erkaltet war. Selbst in größeren Städten aber erfordert der Bezug eines
Werkes vielfachen Aufwand an Zeit und Mühe. Diese Unannehmlichkeiten
sind aber eine Folge der gedachten Organisation des deutschen Buchhandels,
welche darin gipfelt, daß der directe Verkehr zwischen Verleger und Sor¬
timenter nicht beliebt, zwischen Verleger und Publikum aber so gut wie
unbekannt ist. so daß die Zwischenstufe des Commissionärs das Medium
bilden muß, durch welches der Vertrieb buchhändlerischer Maaren ins Werk
gesetzt wird. Daher jene umständlichen Berkehrsformen im Buchhandel,
jenes Spazierenfahren der Bücher auf dem Umwege über Leipzig, daher jene
Zeitverluste und Unannehmlichkeiten für das Publikum. Wir verkennen
keineswegs, daß sich auch manche Vortheile an die bisherige Organisation
des buchhändlerischen Verkehrs knüpfen; aber dieselben dürften überwiegend
nicht auf Seiten des Publikums sein. Hierauf aber allein,
d. h. auf Förderung des literarischen Verkehrs, auf Erleichterung und
Beschleunigung des Bezuges der Bücher kommt es uns an. Dann
wird auch der Bücherbedarf Deutschlands sich heben, der notorisch
hinter demjenigen in andern Ländern, in welchen die Formen des di¬
rekten Verkehrs bestehen, zurückbleibt, und dadurch werden dann ganz
von selbst auch die an den Buchhandel sich knüpfenden geschäftlichen und
pecuniären Interessen in erheblichem Maße gefördert werden. In Eng¬
land z. B. tritt das Publikum mit dem Verleger in London direct in Ver¬
bindung und erhält bestellte Bücher xvi- Post, d. h. unter Kreuzband. In¬
sofern ist allerdings die "book-post" Englands, wie das "Magazin" meint,


GnnMm I. 1874. SS

auszusprechen. Das aber lehrt die tägliche Erfahrung bereits, daß das Ver¬
ständniß der neuen Tarifsätze sich mehr und mehr abklärt, daß das Publikum
in immer steigendem Maße von der ihm gebotenen Erleichterung im Packet-
verkehr Gebrauch macht, und daß sich der Tarif mehr und mehr als eine
Wohlthat erweist. Wir würden deshalb jenen Artikel im „Magazin" jetzt
verlassen können, wenn derselbe nicht durchblicken ließe, daß die „Befürch¬
tungen", welche die Reform des Tarifs in den buchhändlerischen Kreisen
des „Magazins" hervorgerufen hat, in der That einen realen Hintergrund
haben. Vielleicht beginnt nämlich die Erkenntniß sich Bahn zu brechen, daß
die gerühmte und in vielen Beziehungen auch durchaus rühmenswerthe bis¬
herige Organisation des deutschen Buchhandels zum Theil doch hinter den
Bedürfnissen der Jetztzeit zurückbleibt. Wer z. B. auf dem Lande oder in
kleinen Städten wohnt, wird erfahren haben, mit welchen Schwierigkeiten
dort der Bezug eines neu erschienenen Werks verknüpft ist. Der 3—4 Meilen
und nicht selten noch weiter entfernte „Sortimenter" nahm zwar die Be-
stellung daraus an; es vergingen aber Wochen auf Wochen, bis das Buch
endlich eintraf in einem Augenblicke, wo das Interesse dafür vielleicht schon
erkaltet war. Selbst in größeren Städten aber erfordert der Bezug eines
Werkes vielfachen Aufwand an Zeit und Mühe. Diese Unannehmlichkeiten
sind aber eine Folge der gedachten Organisation des deutschen Buchhandels,
welche darin gipfelt, daß der directe Verkehr zwischen Verleger und Sor¬
timenter nicht beliebt, zwischen Verleger und Publikum aber so gut wie
unbekannt ist. so daß die Zwischenstufe des Commissionärs das Medium
bilden muß, durch welches der Vertrieb buchhändlerischer Maaren ins Werk
gesetzt wird. Daher jene umständlichen Berkehrsformen im Buchhandel,
jenes Spazierenfahren der Bücher auf dem Umwege über Leipzig, daher jene
Zeitverluste und Unannehmlichkeiten für das Publikum. Wir verkennen
keineswegs, daß sich auch manche Vortheile an die bisherige Organisation
des buchhändlerischen Verkehrs knüpfen; aber dieselben dürften überwiegend
nicht auf Seiten des Publikums sein. Hierauf aber allein,
d. h. auf Förderung des literarischen Verkehrs, auf Erleichterung und
Beschleunigung des Bezuges der Bücher kommt es uns an. Dann
wird auch der Bücherbedarf Deutschlands sich heben, der notorisch
hinter demjenigen in andern Ländern, in welchen die Formen des di¬
rekten Verkehrs bestehen, zurückbleibt, und dadurch werden dann ganz
von selbst auch die an den Buchhandel sich knüpfenden geschäftlichen und
pecuniären Interessen in erheblichem Maße gefördert werden. In Eng¬
land z. B. tritt das Publikum mit dem Verleger in London direct in Ver¬
bindung und erhält bestellte Bücher xvi- Post, d. h. unter Kreuzband. In¬
sofern ist allerdings die „book-post" Englands, wie das „Magazin" meint,


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[0439] auszusprechen. Das aber lehrt die tägliche Erfahrung bereits, daß das Ver¬ ständniß der neuen Tarifsätze sich mehr und mehr abklärt, daß das Publikum in immer steigendem Maße von der ihm gebotenen Erleichterung im Packet- verkehr Gebrauch macht, und daß sich der Tarif mehr und mehr als eine Wohlthat erweist. Wir würden deshalb jenen Artikel im „Magazin" jetzt verlassen können, wenn derselbe nicht durchblicken ließe, daß die „Befürch¬ tungen", welche die Reform des Tarifs in den buchhändlerischen Kreisen des „Magazins" hervorgerufen hat, in der That einen realen Hintergrund haben. Vielleicht beginnt nämlich die Erkenntniß sich Bahn zu brechen, daß die gerühmte und in vielen Beziehungen auch durchaus rühmenswerthe bis¬ herige Organisation des deutschen Buchhandels zum Theil doch hinter den Bedürfnissen der Jetztzeit zurückbleibt. Wer z. B. auf dem Lande oder in kleinen Städten wohnt, wird erfahren haben, mit welchen Schwierigkeiten dort der Bezug eines neu erschienenen Werks verknüpft ist. Der 3—4 Meilen und nicht selten noch weiter entfernte „Sortimenter" nahm zwar die Be- stellung daraus an; es vergingen aber Wochen auf Wochen, bis das Buch endlich eintraf in einem Augenblicke, wo das Interesse dafür vielleicht schon erkaltet war. Selbst in größeren Städten aber erfordert der Bezug eines Werkes vielfachen Aufwand an Zeit und Mühe. Diese Unannehmlichkeiten sind aber eine Folge der gedachten Organisation des deutschen Buchhandels, welche darin gipfelt, daß der directe Verkehr zwischen Verleger und Sor¬ timenter nicht beliebt, zwischen Verleger und Publikum aber so gut wie unbekannt ist. so daß die Zwischenstufe des Commissionärs das Medium bilden muß, durch welches der Vertrieb buchhändlerischer Maaren ins Werk gesetzt wird. Daher jene umständlichen Berkehrsformen im Buchhandel, jenes Spazierenfahren der Bücher auf dem Umwege über Leipzig, daher jene Zeitverluste und Unannehmlichkeiten für das Publikum. Wir verkennen keineswegs, daß sich auch manche Vortheile an die bisherige Organisation des buchhändlerischen Verkehrs knüpfen; aber dieselben dürften überwiegend nicht auf Seiten des Publikums sein. Hierauf aber allein, d. h. auf Förderung des literarischen Verkehrs, auf Erleichterung und Beschleunigung des Bezuges der Bücher kommt es uns an. Dann wird auch der Bücherbedarf Deutschlands sich heben, der notorisch hinter demjenigen in andern Ländern, in welchen die Formen des di¬ rekten Verkehrs bestehen, zurückbleibt, und dadurch werden dann ganz von selbst auch die an den Buchhandel sich knüpfenden geschäftlichen und pecuniären Interessen in erheblichem Maße gefördert werden. In Eng¬ land z. B. tritt das Publikum mit dem Verleger in London direct in Ver¬ bindung und erhält bestellte Bücher xvi- Post, d. h. unter Kreuzband. In¬ sofern ist allerdings die „book-post" Englands, wie das „Magazin" meint, GnnMm I. 1874. SS

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/439>, abgerufen am 26.12.2024.