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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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und fester Wurzel geschlagen hatte, als die bourbonistische. Wie viel man
damit erreichte, läßt sich schwer sagen; so viel aber ist gewiß, daß dies mittel¬
alterlich kirchliche Wesen den gebildeten Klassen nicht nur den entschiedensten
Widerwillen, sondern auch Mistrauen gegen das Königthum einflößte, dem
man mit diesen Mitteln den Zugang zu den Herzen des Volks öffnen wollte.
Zu diesen aus die Massen berechneten Demonstrationen kam nun aber, gerade
zu einer Zeit, wo Victor Emanuel's Besuch an den deutschen Höfen in allen
französischen Kreisen die höchsten Besorgnisse erweckte, ein herausfordernder
Hirtenbrief des Erzbischofs von Paris, ein rein politisches Pamphlet, das mit
den leidenschaftlichsten Zornausbrüchen gegen das Königreich Italien angefüllt
war und ganz darauf berechnet schien, die Negierung zu einer unsinnigen
Unternehmung gegen dies Land anzustacheln. Zugleich verbreitete sich die zwar
in Abrede gestellte, aber nicht in authentischer Weise widerlegte Nachricht,
Chambord habe den kriegerischen Prälaten wegen dieses thörichten Schrittes
beglückwünscht. Was hatte Frankreich von einem König zu erwarten, der --
so schien es -- bereit war, seine Regierung mit einem Kreuzzug gegen den
Usurpator Roms zu eröffnen und alle ultramontanen Elemente Europas unter
dem Lilienbanner zu vereinigen? Um den überaus ungünstigen Eindruck dieses
peinlichen Zwischenfalls einigermaßen zu verwischen, wurde die Nachricht in
Umlauf gesetzt, der Graf habe einigen Abgeordneten erklärt, er denke nicht an
einen Krieg gegen Italien. Da aber die Klerikalen ihre Hetzereien ungestört
fortsetzten, so vermochte Niemand, diesen und ähnlichen Ableugnungen das
mindeste Gewicht beizulegen.

Es war hohe Zeit, daß der Graf sich zu einer unzweideutigen und in
authentischer Form gegebenen Erklärung herbeiließ. Zwei Abgeordnete der
Majorität, die Herren Sugny und Duvingeaux, hatten sich im Auftrag ihrer
Collegen nach Frohsdorf begeben, um dem Grafen die Nothwendigkeit einer
unumwundenen Erklärung vorzustellen. Eine solche zu erwirken, war aber
auch ihnen nicht gelungen. Der Graf hatte durchblicken lassen, daß die Con-
stitution von 1814, wenn dieselbe den Umständen angepaßt und in der
Nationalversammlung votirt werde, das Land werde befriedigen können. Was
die Fahnenfrage betreffe, so lasse sich aus den Aeußerungen des Grafen an¬
nehmen, daß er es der Nationalversammlung überlassen werde, darüber eine
Entscheidung zu treffen. Also wieder eine ausweichende Antwort. Bei der
Bedrängniß jedoch, in der die Majorität sich befand, mußte sie schon damit
zufrieden sein, daß die Antwort wenigstens nicht jede Aussicht auf Verstän-
ständigung abschnitt. Man sprengte also das Gerücht aus, daß die Lage sich
gebessert habe und beschloß, die Verhandlungen fortzusetzen. In einer zahl¬
reich besuchten Versammlung der Majorität vom 25. September kam man
darin überein, daß die Monarchie unter Beibehaltung der Tricolore erreichbar,


und fester Wurzel geschlagen hatte, als die bourbonistische. Wie viel man
damit erreichte, läßt sich schwer sagen; so viel aber ist gewiß, daß dies mittel¬
alterlich kirchliche Wesen den gebildeten Klassen nicht nur den entschiedensten
Widerwillen, sondern auch Mistrauen gegen das Königthum einflößte, dem
man mit diesen Mitteln den Zugang zu den Herzen des Volks öffnen wollte.
Zu diesen aus die Massen berechneten Demonstrationen kam nun aber, gerade
zu einer Zeit, wo Victor Emanuel's Besuch an den deutschen Höfen in allen
französischen Kreisen die höchsten Besorgnisse erweckte, ein herausfordernder
Hirtenbrief des Erzbischofs von Paris, ein rein politisches Pamphlet, das mit
den leidenschaftlichsten Zornausbrüchen gegen das Königreich Italien angefüllt
war und ganz darauf berechnet schien, die Negierung zu einer unsinnigen
Unternehmung gegen dies Land anzustacheln. Zugleich verbreitete sich die zwar
in Abrede gestellte, aber nicht in authentischer Weise widerlegte Nachricht,
Chambord habe den kriegerischen Prälaten wegen dieses thörichten Schrittes
beglückwünscht. Was hatte Frankreich von einem König zu erwarten, der —
so schien es — bereit war, seine Regierung mit einem Kreuzzug gegen den
Usurpator Roms zu eröffnen und alle ultramontanen Elemente Europas unter
dem Lilienbanner zu vereinigen? Um den überaus ungünstigen Eindruck dieses
peinlichen Zwischenfalls einigermaßen zu verwischen, wurde die Nachricht in
Umlauf gesetzt, der Graf habe einigen Abgeordneten erklärt, er denke nicht an
einen Krieg gegen Italien. Da aber die Klerikalen ihre Hetzereien ungestört
fortsetzten, so vermochte Niemand, diesen und ähnlichen Ableugnungen das
mindeste Gewicht beizulegen.

Es war hohe Zeit, daß der Graf sich zu einer unzweideutigen und in
authentischer Form gegebenen Erklärung herbeiließ. Zwei Abgeordnete der
Majorität, die Herren Sugny und Duvingeaux, hatten sich im Auftrag ihrer
Collegen nach Frohsdorf begeben, um dem Grafen die Nothwendigkeit einer
unumwundenen Erklärung vorzustellen. Eine solche zu erwirken, war aber
auch ihnen nicht gelungen. Der Graf hatte durchblicken lassen, daß die Con-
stitution von 1814, wenn dieselbe den Umständen angepaßt und in der
Nationalversammlung votirt werde, das Land werde befriedigen können. Was
die Fahnenfrage betreffe, so lasse sich aus den Aeußerungen des Grafen an¬
nehmen, daß er es der Nationalversammlung überlassen werde, darüber eine
Entscheidung zu treffen. Also wieder eine ausweichende Antwort. Bei der
Bedrängniß jedoch, in der die Majorität sich befand, mußte sie schon damit
zufrieden sein, daß die Antwort wenigstens nicht jede Aussicht auf Verstän-
ständigung abschnitt. Man sprengte also das Gerücht aus, daß die Lage sich
gebessert habe und beschloß, die Verhandlungen fortzusetzen. In einer zahl¬
reich besuchten Versammlung der Majorität vom 25. September kam man
darin überein, daß die Monarchie unter Beibehaltung der Tricolore erreichbar,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/419>, abgerufen am 25.12.2024.