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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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hier aufgezeichnet findet, da sowohl von der Korrespondenz Goethe's als von
ihrem Eintritt und ihrem ersten Auftreten in Weimar die Rede ist.

Wenn man bis jetzt nicht mit völliger Genauigkeit über die Zeit sich
klar geworden, in der die Geschwister entstanden^), so geben die Tagebücher
den genauesten Aufschluß und es bleibt solchen wichtigen Daten derselben
gegenüber merkwürdig, daß Riemer weit mehr Interesse an den Notizen,
welche die Lenz'scheu Eseleyen und deren Ergründung betrafen, genom¬
men hat, als an dem Material, was allein fruchtbar und die Biographie
Goethe's zu fördern im Stande war').

Daß Riemer an das Aeußerliche sich gehalten, das bezeugen die Be¬
merkungen zu Goethe's Leben aus dem Ende des Jahres 1776, die er aber
da sorgfältig unbenutzt ließ, wo das Goethe'sche Leben sich in seiner Aus¬
gelassenheit zeigte, und Beweise lieber aus Wieland's Briefen allein, nicht
aber, was näher lag, aus den Goethe'schen Bemerkungen selbst herzuholen für
gut fand.




Mgusi Metz.

Vor wenig Tagen hat uns der Telegraph die traurige Kunde gebracht,
daß August Metz, der Führer der nationalen Fortschrittspartei im Groß-
herzogthum Hessen, plötzlich, aus dem Wege zum Darmstädter Bahnhof, im
Begriffe nach Frankfurt zu reisen, vom Schlage getroffen, aus dem Leben ge¬
schieden sei. Die treuen hessischen Kampfgenossen des Verewigten im Deut¬
schen Reichstag haben eine Deputation zu seinem Leichenbegängnisse nach
Darmstadt entsendet. Die nachfolgenden Zeilen verfolgen einen ähnlich pie¬
tätvollen Zweck. Sie versuchen, dem treuen deutschen Manne, der so viele
Jahre hindurch unter den denkbar ungünstigsten Verhältnissen, mit großer
eigener Aufopferung, die Maingrenze für den nationalen Gedanken zu ver¬
wischen, die Nothwendigkeit der Unterordnung unter die preußische Vormacht
seinen süddeutschen Brüdern vertraut zu machen und die heillose Wirthschaft
des System Dalwigk auf religiösem und politischem Gebiete zu bekämpfen
suchte, einen bescheidenen Denkstein im Herzen seines Volkes zu setzen. Das
Interesse der Leser wird der kurzen biographischen Skizze vielleicht um so
bereitwilliger folgen, als das gesammte nachstehende Material auf eigenhän¬
digen Aufzeichnungen des todten Patrioten beruht, die dem Verfasser in den




") Selbst Goedecke ist in seinem Grundriß z. Geschichte der deutschen Dichtung zu ergänzen,
da er mir den Tag der Erfindung ""giebt.
") Riemer, II. 37.

hier aufgezeichnet findet, da sowohl von der Korrespondenz Goethe's als von
ihrem Eintritt und ihrem ersten Auftreten in Weimar die Rede ist.

Wenn man bis jetzt nicht mit völliger Genauigkeit über die Zeit sich
klar geworden, in der die Geschwister entstanden^), so geben die Tagebücher
den genauesten Aufschluß und es bleibt solchen wichtigen Daten derselben
gegenüber merkwürdig, daß Riemer weit mehr Interesse an den Notizen,
welche die Lenz'scheu Eseleyen und deren Ergründung betrafen, genom¬
men hat, als an dem Material, was allein fruchtbar und die Biographie
Goethe's zu fördern im Stande war').

Daß Riemer an das Aeußerliche sich gehalten, das bezeugen die Be¬
merkungen zu Goethe's Leben aus dem Ende des Jahres 1776, die er aber
da sorgfältig unbenutzt ließ, wo das Goethe'sche Leben sich in seiner Aus¬
gelassenheit zeigte, und Beweise lieber aus Wieland's Briefen allein, nicht
aber, was näher lag, aus den Goethe'schen Bemerkungen selbst herzuholen für
gut fand.




Mgusi Metz.

Vor wenig Tagen hat uns der Telegraph die traurige Kunde gebracht,
daß August Metz, der Führer der nationalen Fortschrittspartei im Groß-
herzogthum Hessen, plötzlich, aus dem Wege zum Darmstädter Bahnhof, im
Begriffe nach Frankfurt zu reisen, vom Schlage getroffen, aus dem Leben ge¬
schieden sei. Die treuen hessischen Kampfgenossen des Verewigten im Deut¬
schen Reichstag haben eine Deputation zu seinem Leichenbegängnisse nach
Darmstadt entsendet. Die nachfolgenden Zeilen verfolgen einen ähnlich pie¬
tätvollen Zweck. Sie versuchen, dem treuen deutschen Manne, der so viele
Jahre hindurch unter den denkbar ungünstigsten Verhältnissen, mit großer
eigener Aufopferung, die Maingrenze für den nationalen Gedanken zu ver¬
wischen, die Nothwendigkeit der Unterordnung unter die preußische Vormacht
seinen süddeutschen Brüdern vertraut zu machen und die heillose Wirthschaft
des System Dalwigk auf religiösem und politischem Gebiete zu bekämpfen
suchte, einen bescheidenen Denkstein im Herzen seines Volkes zu setzen. Das
Interesse der Leser wird der kurzen biographischen Skizze vielleicht um so
bereitwilliger folgen, als das gesammte nachstehende Material auf eigenhän¬
digen Aufzeichnungen des todten Patrioten beruht, die dem Verfasser in den




») Selbst Goedecke ist in seinem Grundriß z. Geschichte der deutschen Dichtung zu ergänzen,
da er mir den Tag der Erfindung ««giebt.
») Riemer, II. 37.
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[0388] hier aufgezeichnet findet, da sowohl von der Korrespondenz Goethe's als von ihrem Eintritt und ihrem ersten Auftreten in Weimar die Rede ist. Wenn man bis jetzt nicht mit völliger Genauigkeit über die Zeit sich klar geworden, in der die Geschwister entstanden^), so geben die Tagebücher den genauesten Aufschluß und es bleibt solchen wichtigen Daten derselben gegenüber merkwürdig, daß Riemer weit mehr Interesse an den Notizen, welche die Lenz'scheu Eseleyen und deren Ergründung betrafen, genom¬ men hat, als an dem Material, was allein fruchtbar und die Biographie Goethe's zu fördern im Stande war'). Daß Riemer an das Aeußerliche sich gehalten, das bezeugen die Be¬ merkungen zu Goethe's Leben aus dem Ende des Jahres 1776, die er aber da sorgfältig unbenutzt ließ, wo das Goethe'sche Leben sich in seiner Aus¬ gelassenheit zeigte, und Beweise lieber aus Wieland's Briefen allein, nicht aber, was näher lag, aus den Goethe'schen Bemerkungen selbst herzuholen für gut fand. Mgusi Metz. Vor wenig Tagen hat uns der Telegraph die traurige Kunde gebracht, daß August Metz, der Führer der nationalen Fortschrittspartei im Groß- herzogthum Hessen, plötzlich, aus dem Wege zum Darmstädter Bahnhof, im Begriffe nach Frankfurt zu reisen, vom Schlage getroffen, aus dem Leben ge¬ schieden sei. Die treuen hessischen Kampfgenossen des Verewigten im Deut¬ schen Reichstag haben eine Deputation zu seinem Leichenbegängnisse nach Darmstadt entsendet. Die nachfolgenden Zeilen verfolgen einen ähnlich pie¬ tätvollen Zweck. Sie versuchen, dem treuen deutschen Manne, der so viele Jahre hindurch unter den denkbar ungünstigsten Verhältnissen, mit großer eigener Aufopferung, die Maingrenze für den nationalen Gedanken zu ver¬ wischen, die Nothwendigkeit der Unterordnung unter die preußische Vormacht seinen süddeutschen Brüdern vertraut zu machen und die heillose Wirthschaft des System Dalwigk auf religiösem und politischem Gebiete zu bekämpfen suchte, einen bescheidenen Denkstein im Herzen seines Volkes zu setzen. Das Interesse der Leser wird der kurzen biographischen Skizze vielleicht um so bereitwilliger folgen, als das gesammte nachstehende Material auf eigenhän¬ digen Aufzeichnungen des todten Patrioten beruht, die dem Verfasser in den ») Selbst Goedecke ist in seinem Grundriß z. Geschichte der deutschen Dichtung zu ergänzen, da er mir den Tag der Erfindung ««giebt. ») Riemer, II. 37.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/388>, abgerufen am 25.12.2024.