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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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schriebenen Zettel gemeint habe, während in Wahrheit eine an sie gesandte
Zeichnung zu verstehen ist, die eben mit und ohne Liebe zu Stande kam. wes¬
halb er auch an seiner Künstlerschaft verzweifelte. Sehr bezeichnend ist übri¬
gens auch, daß Goethe für die Frau von Stein in seinen Tagebüchern die
Bezeichnung O einführte, welche natürlich die sonderbarsten Combinationen
zuläßt, wie er zu dieser Bezeichnung gelangte, wenn wir nicht annehmen, daß
er die Sonne damit bezeichnen wollte. Wir ziehen vor, diese uns und
dem Leser aus naheliegenden Gründen zu schenken. So finden wir hier zum
ersten Male die präcise Nachricht, daß die Frau von Stein bereits am
S. August Goethen durch ihre Gegenwart in Ilmenau beglückt hatte, und sie
Zeuge glänzender Feste sein konnte, bis am Abend des 6. August nach Illu¬
mination, Musik und Tanz die unliebsame "Trennung" erfolgte.

Höchst anziehend sind dann auch die Aufzeichnungen vom 7. August, durch
welche eine empfindsame Lücke in den Briefen an die Frau von Stein aus¬
gefüllt wird, und die im Uebrigen auch einen beachtenswerthen Ausspruch
Goethe's enthält, der immer ein ergänzender Theil zu all' seinen Gesprächen
bilden wird. Wie seine Ausgelassenheit sich in diesen flüchtigen Bemerkungen
kennzeichnet, so commentiren diese fast jeden Brief, ja bringen, wie wir gleich
zu erwähnen haben, neue wichtige Daten über die Entstehung seiner Werke.
Sein Brief vom 8. August an die Stein stellt in Aussicht, daß sie von
seinem Morgen auf dem Hermannstetn etwas sehen, vielleicht auch was lesen
sollte. Hier haben wir die Erklärung, daß für sie die Zeichnung der Höhle
auf dem Hermannstein bestimmt war und hier auch den Beweis, daß der
Zettel aus Stützerbach richtig eingereiht ist, wenn anch scholl unter Weg¬
lassung der Gründe für die Datirung, nicht gewagt hat, die wenigen Zeilen
dem 8. August mit Bestimmtheit zuzutheilen.

Höchst interessant ist die Bemerkung unter dem 11. August, der als ein
fördernder für sein Drama "der Falke" anzusehen ist, mit dem er sich schon
einige Tage beschäftigt hatte. Ueber dieses finden sich überhaupt bis jetzt be-
kanntlich nur zwei Stellen in den Briefen an die Frau von Stein. -- Am
14. August kehrte er nach Weimar zurück und somit dürften auch alle Briefe
bis zum 2. September, wo er nach Ilmenau wieder übersiedelte, von Weimar
aus zu datiren sein.

Die wichtigsten Bemerkungen aus der Zeit vom 2. September bis zum
Ende des Jahres betreffen ganz unstreitig sein inneres bewegtes Leben, seinen
Umgang und seine öftern Ausflüge in die Umgegend, von denen er noch in
späteren Jahren seines Lebens zu erzählen wußte, ohne so genauer Details
wie hier angegeben sind, sich zu erinnern. Besonders anziehend sind seine
Beziehungen zu Corona Schröter, deren Biograph einige sehr wichtige Daten


schriebenen Zettel gemeint habe, während in Wahrheit eine an sie gesandte
Zeichnung zu verstehen ist, die eben mit und ohne Liebe zu Stande kam. wes¬
halb er auch an seiner Künstlerschaft verzweifelte. Sehr bezeichnend ist übri¬
gens auch, daß Goethe für die Frau von Stein in seinen Tagebüchern die
Bezeichnung O einführte, welche natürlich die sonderbarsten Combinationen
zuläßt, wie er zu dieser Bezeichnung gelangte, wenn wir nicht annehmen, daß
er die Sonne damit bezeichnen wollte. Wir ziehen vor, diese uns und
dem Leser aus naheliegenden Gründen zu schenken. So finden wir hier zum
ersten Male die präcise Nachricht, daß die Frau von Stein bereits am
S. August Goethen durch ihre Gegenwart in Ilmenau beglückt hatte, und sie
Zeuge glänzender Feste sein konnte, bis am Abend des 6. August nach Illu¬
mination, Musik und Tanz die unliebsame „Trennung" erfolgte.

Höchst anziehend sind dann auch die Aufzeichnungen vom 7. August, durch
welche eine empfindsame Lücke in den Briefen an die Frau von Stein aus¬
gefüllt wird, und die im Uebrigen auch einen beachtenswerthen Ausspruch
Goethe's enthält, der immer ein ergänzender Theil zu all' seinen Gesprächen
bilden wird. Wie seine Ausgelassenheit sich in diesen flüchtigen Bemerkungen
kennzeichnet, so commentiren diese fast jeden Brief, ja bringen, wie wir gleich
zu erwähnen haben, neue wichtige Daten über die Entstehung seiner Werke.
Sein Brief vom 8. August an die Stein stellt in Aussicht, daß sie von
seinem Morgen auf dem Hermannstetn etwas sehen, vielleicht auch was lesen
sollte. Hier haben wir die Erklärung, daß für sie die Zeichnung der Höhle
auf dem Hermannstein bestimmt war und hier auch den Beweis, daß der
Zettel aus Stützerbach richtig eingereiht ist, wenn anch scholl unter Weg¬
lassung der Gründe für die Datirung, nicht gewagt hat, die wenigen Zeilen
dem 8. August mit Bestimmtheit zuzutheilen.

Höchst interessant ist die Bemerkung unter dem 11. August, der als ein
fördernder für sein Drama „der Falke" anzusehen ist, mit dem er sich schon
einige Tage beschäftigt hatte. Ueber dieses finden sich überhaupt bis jetzt be-
kanntlich nur zwei Stellen in den Briefen an die Frau von Stein. — Am
14. August kehrte er nach Weimar zurück und somit dürften auch alle Briefe
bis zum 2. September, wo er nach Ilmenau wieder übersiedelte, von Weimar
aus zu datiren sein.

Die wichtigsten Bemerkungen aus der Zeit vom 2. September bis zum
Ende des Jahres betreffen ganz unstreitig sein inneres bewegtes Leben, seinen
Umgang und seine öftern Ausflüge in die Umgegend, von denen er noch in
späteren Jahren seines Lebens zu erzählen wußte, ohne so genauer Details
wie hier angegeben sind, sich zu erinnern. Besonders anziehend sind seine
Beziehungen zu Corona Schröter, deren Biograph einige sehr wichtige Daten


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[0387] schriebenen Zettel gemeint habe, während in Wahrheit eine an sie gesandte Zeichnung zu verstehen ist, die eben mit und ohne Liebe zu Stande kam. wes¬ halb er auch an seiner Künstlerschaft verzweifelte. Sehr bezeichnend ist übri¬ gens auch, daß Goethe für die Frau von Stein in seinen Tagebüchern die Bezeichnung O einführte, welche natürlich die sonderbarsten Combinationen zuläßt, wie er zu dieser Bezeichnung gelangte, wenn wir nicht annehmen, daß er die Sonne damit bezeichnen wollte. Wir ziehen vor, diese uns und dem Leser aus naheliegenden Gründen zu schenken. So finden wir hier zum ersten Male die präcise Nachricht, daß die Frau von Stein bereits am S. August Goethen durch ihre Gegenwart in Ilmenau beglückt hatte, und sie Zeuge glänzender Feste sein konnte, bis am Abend des 6. August nach Illu¬ mination, Musik und Tanz die unliebsame „Trennung" erfolgte. Höchst anziehend sind dann auch die Aufzeichnungen vom 7. August, durch welche eine empfindsame Lücke in den Briefen an die Frau von Stein aus¬ gefüllt wird, und die im Uebrigen auch einen beachtenswerthen Ausspruch Goethe's enthält, der immer ein ergänzender Theil zu all' seinen Gesprächen bilden wird. Wie seine Ausgelassenheit sich in diesen flüchtigen Bemerkungen kennzeichnet, so commentiren diese fast jeden Brief, ja bringen, wie wir gleich zu erwähnen haben, neue wichtige Daten über die Entstehung seiner Werke. Sein Brief vom 8. August an die Stein stellt in Aussicht, daß sie von seinem Morgen auf dem Hermannstetn etwas sehen, vielleicht auch was lesen sollte. Hier haben wir die Erklärung, daß für sie die Zeichnung der Höhle auf dem Hermannstein bestimmt war und hier auch den Beweis, daß der Zettel aus Stützerbach richtig eingereiht ist, wenn anch scholl unter Weg¬ lassung der Gründe für die Datirung, nicht gewagt hat, die wenigen Zeilen dem 8. August mit Bestimmtheit zuzutheilen. Höchst interessant ist die Bemerkung unter dem 11. August, der als ein fördernder für sein Drama „der Falke" anzusehen ist, mit dem er sich schon einige Tage beschäftigt hatte. Ueber dieses finden sich überhaupt bis jetzt be- kanntlich nur zwei Stellen in den Briefen an die Frau von Stein. — Am 14. August kehrte er nach Weimar zurück und somit dürften auch alle Briefe bis zum 2. September, wo er nach Ilmenau wieder übersiedelte, von Weimar aus zu datiren sein. Die wichtigsten Bemerkungen aus der Zeit vom 2. September bis zum Ende des Jahres betreffen ganz unstreitig sein inneres bewegtes Leben, seinen Umgang und seine öftern Ausflüge in die Umgegend, von denen er noch in späteren Jahren seines Lebens zu erzählen wußte, ohne so genauer Details wie hier angegeben sind, sich zu erinnern. Besonders anziehend sind seine Beziehungen zu Corona Schröter, deren Biograph einige sehr wichtige Daten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/387>, abgerufen am 25.12.2024.