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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Ermächtigung abgesandt habe; wir lesen nur in einem Telegramme Govone's
vom 5., daß dieser sie erhalten. Ohne Grund kann weder dieses Stillschweigen,
noch die Verzögerung von drei Tagen sein, die es verschleiert; ohne Grund
kann auch die Lücke in der Correspondenz Nigra's nicht sein, der mit dem 31. März
für einige Zeit ganz unsichtbar wird. Bei dem Eindruck, den wir von
Lamarmora's Politik wie von seiner Schriftstellern gewonnen haben, ist es
uns unzweifelhaft, daß am 1. und 2. April noch eine wichtige telegraphische
Correspondenz mit Paris stattgefunden hat, und daß diese erst die letzten
Bedenken Lamarmora's hat hinwegräumen müssen.

Auch sind die äußerlichen Vorgänge bekannt genug, die den Anlaß zu
dieser Correspondenz gegeben haben müssen. In Arche's Telegramm vom 30.
März wird bemerkt, daß der Prinz Napoleon, der nach Italien reise, keinen
Auftrag des Kaisers mitnehme. Gleichwohl begab sich der Prinz umgehend
nach Turin zum Könige und dann nach Florenz, wo er mit den Ministern
alsbald Zusammenkünfte hatte. Mochte er auch wirklich "ohne Misston"
sein, so hatte er doch ohne Zweifel den Italienern allerlei mitgetheilt, dessen
Bestätigung aus des Kaisers Munde wünschenswert!) schien. Bismarck, dessen
gute Quellen wir später noch zu bewundern Gelegenheit haben werden, com-
binirte die Reise des Prinzen sofort mit dem Ausbleiben der Antwort, die
Lamarmora für den 30. März zugesagt hatte. Er sprach Benedetti gegen¬
über (wie dieser in seiner Mission co Vt-uffe erzählt) die Besorgniß aus, daß
"das Cabinet von Florenz mehr als einen Plan auf einmal verfolgte/' Ihn
beunruhigte, daß Lamarmora nach seiner Unterredung mit dem Prinzen so¬
fort nach Turin gereist war und dort (was der italienische Ministerpräsident
übrigens bestreitet) im Beisein des Königs einen Ministerrath abgehalten habe.
Weshalb Lamarmora die Reise des Prinzen in ein so geheimnißvolles Dunkel
hüllt, weshalb er Nigra und Arche mit dem 31. März völlig verstummen
läßt, das vermögen wir im Einzelnen nicht zu durchschauen, und es ist nur
eine Vermuthung, die sich nur auf einige mysteriöse Sätze der Note vom 3.
April stützt, wenn wir anzunehmen geneigt sind, daß der Prinz, der Begün¬
stiger einer französisch-italienisch-preußischen Trippel-Allianz, von Plänen ge¬
sprochen habe, in denen das linke Rheinufer und die Donaufürstenthümer eine
bedeutende Rolle spielten.

Wie dem auch sei, Govone und Barral wurden am 3. April zur Un¬
terzeichnung des Entwurfes vom 27. März ermächtigt. Es ist hier die rechte
Stelle, um auf eine wunderbare Naivität des italienischen Ministers hinzu¬
weisen, die den Mann vortrefflich characterisirt. Wir erwähnten schon, daß
er den definitiven Vertrag, der am 8. April abgeschlossen wurde, nicht ab¬
drucken will, weil derselbe ein geheimer sei und er das Geheimniß nicht zu¬
erst brechen wolle. Aber er bedenkt sich nicht, den Vertragsentwurf vom


Ermächtigung abgesandt habe; wir lesen nur in einem Telegramme Govone's
vom 5., daß dieser sie erhalten. Ohne Grund kann weder dieses Stillschweigen,
noch die Verzögerung von drei Tagen sein, die es verschleiert; ohne Grund
kann auch die Lücke in der Correspondenz Nigra's nicht sein, der mit dem 31. März
für einige Zeit ganz unsichtbar wird. Bei dem Eindruck, den wir von
Lamarmora's Politik wie von seiner Schriftstellern gewonnen haben, ist es
uns unzweifelhaft, daß am 1. und 2. April noch eine wichtige telegraphische
Correspondenz mit Paris stattgefunden hat, und daß diese erst die letzten
Bedenken Lamarmora's hat hinwegräumen müssen.

Auch sind die äußerlichen Vorgänge bekannt genug, die den Anlaß zu
dieser Correspondenz gegeben haben müssen. In Arche's Telegramm vom 30.
März wird bemerkt, daß der Prinz Napoleon, der nach Italien reise, keinen
Auftrag des Kaisers mitnehme. Gleichwohl begab sich der Prinz umgehend
nach Turin zum Könige und dann nach Florenz, wo er mit den Ministern
alsbald Zusammenkünfte hatte. Mochte er auch wirklich „ohne Misston"
sein, so hatte er doch ohne Zweifel den Italienern allerlei mitgetheilt, dessen
Bestätigung aus des Kaisers Munde wünschenswert!) schien. Bismarck, dessen
gute Quellen wir später noch zu bewundern Gelegenheit haben werden, com-
binirte die Reise des Prinzen sofort mit dem Ausbleiben der Antwort, die
Lamarmora für den 30. März zugesagt hatte. Er sprach Benedetti gegen¬
über (wie dieser in seiner Mission co Vt-uffe erzählt) die Besorgniß aus, daß
„das Cabinet von Florenz mehr als einen Plan auf einmal verfolgte/' Ihn
beunruhigte, daß Lamarmora nach seiner Unterredung mit dem Prinzen so¬
fort nach Turin gereist war und dort (was der italienische Ministerpräsident
übrigens bestreitet) im Beisein des Königs einen Ministerrath abgehalten habe.
Weshalb Lamarmora die Reise des Prinzen in ein so geheimnißvolles Dunkel
hüllt, weshalb er Nigra und Arche mit dem 31. März völlig verstummen
läßt, das vermögen wir im Einzelnen nicht zu durchschauen, und es ist nur
eine Vermuthung, die sich nur auf einige mysteriöse Sätze der Note vom 3.
April stützt, wenn wir anzunehmen geneigt sind, daß der Prinz, der Begün¬
stiger einer französisch-italienisch-preußischen Trippel-Allianz, von Plänen ge¬
sprochen habe, in denen das linke Rheinufer und die Donaufürstenthümer eine
bedeutende Rolle spielten.

Wie dem auch sei, Govone und Barral wurden am 3. April zur Un¬
terzeichnung des Entwurfes vom 27. März ermächtigt. Es ist hier die rechte
Stelle, um auf eine wunderbare Naivität des italienischen Ministers hinzu¬
weisen, die den Mann vortrefflich characterisirt. Wir erwähnten schon, daß
er den definitiven Vertrag, der am 8. April abgeschlossen wurde, nicht ab¬
drucken will, weil derselbe ein geheimer sei und er das Geheimniß nicht zu¬
erst brechen wolle. Aber er bedenkt sich nicht, den Vertragsentwurf vom


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/380>, abgerufen am 25.12.2024.