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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Project als illoyal zu verdammen und es wie einen hoffnungslosen, fast möchte
man sagen dilettantischen Privateinfall Nigra's zu behandeln. Vielleicht denkt
er dadurch die mangelhafte Kunde, welche er dem Leser von dem Schicksal
jenes Planes giebt, zu rechtfertigen; allein er verräth grade genug, um er¬
kennen zu lassen, daß die Verschweigung des Restes ihren guten Grund habe.
Was er uns mittheilt, ist, daß Nigra am 28. Februar*) oder richtiger wohl
am 9. März "zum zweiten Male" dem Kaiser die besagte Combination vor¬
geschlagen, und daß dieser es übernommen habe, sich darüber mit England
zu besprechen. Nigra's Absicht ging nicht dahin, daß Italien selbst den Tausch
beantragen sollte; vielmehr müsse es sich auf die Allianz, welche Preußen an¬
biete, einlassen, wenn aber die Großmächte eine gütliche Verständigung mit
Oesterreich auf Grund jenes Tausches ermöglichen sollten, dann müsse es sei¬
nerseits annehmen. Die preußische Allianz sollte also zunächst als Drücker
dienen, um Oesterreich und die Neutralen gefügiger zu machen, und erst,
wenn sie diesen Zweck nicht erfülle, sollte sie wirklich abgeschlossen werden.
Wie sehr Lamarmora sich auch bemüht, diesen Gedankengang ausschließlich
Nigra beizumessen, so liefert er doch das Material, um zu erkennen, daß er
selbst ihn getheilt. Nicht allein, daß er sich am 20. April auf Erklärungen
beruft, die er England gegeben habe: es werde der Krieg ganz gewiß aus¬
brechen, wenn Oesterreich Venetien nicht gütlich abtrete, Erklärungen, die
einem andern Zeitpunkte als diesem gar nicht zugetheilt werden können; --
sondern er hat dem General Govone, den er nach Berlin schickte, Jnstruc-
tionen gegeben, die auf jene Verhandlungen Bezug hatten. Ehe wir der¬
selben gedenken, sei nur kurz erwähnt, daß Nigra schon am 17. März das
Scheitern des Tauschplanes meldete. England wollte nichts davon wissen, und
Napoleon konnte es auch nicht Ernst damit sein; denn er wünschte damals
lebhaft den Krieg zwischen den beiden Großmächten, weil er selbst dadurch
die Gelegenheit zur Regulirung seiner Ostgrenze zu erlangen hoffte.

Es war ihm daher ganz Recht, daß Italien auf die Vorschläge einging,
die Preußen ihm machte. Am 28. Februar wurde bekanntlich in Berlin jener
Ministerrath abgehalten, dem Moltke, Manteuffel, der Gesandte in Paris



") So wenigstens nach der dentschen Uebersetzung (Mainz, bei Kirchheim). Hier trügt der
Brief, in welchem Nigra anzeigt, daß er Tags zuvor beim Kaiser gewesen sei, das Datum
des 1. März. Da er aber in diesem Briefe bereits von krikgerischen Eröffnungen Preußens
spricht, so muß diese Angabe falsch sein. Außer Staude das Original zu vergleichen, heizen
wir daher einstweilen einen Druckfehler (etwa statt 10. März) voraus; unmöglich scheint es
freilich nicht, daß dieser Druckfehler sich auch im italienischen Texte fände, und dann wurde
es schwer sein, an einen bloßen Zufall zu glauben und nicht vielmehr eine absichtliche Vor-
datirung zu argwöhnen, deren Zweck sein würde, den Umstand zu verschleiern, daß Lamarmora
gleichzeitig mit Govone's Sendung den Nigra'schen Plan betriebe" habe.

Project als illoyal zu verdammen und es wie einen hoffnungslosen, fast möchte
man sagen dilettantischen Privateinfall Nigra's zu behandeln. Vielleicht denkt
er dadurch die mangelhafte Kunde, welche er dem Leser von dem Schicksal
jenes Planes giebt, zu rechtfertigen; allein er verräth grade genug, um er¬
kennen zu lassen, daß die Verschweigung des Restes ihren guten Grund habe.
Was er uns mittheilt, ist, daß Nigra am 28. Februar*) oder richtiger wohl
am 9. März „zum zweiten Male" dem Kaiser die besagte Combination vor¬
geschlagen, und daß dieser es übernommen habe, sich darüber mit England
zu besprechen. Nigra's Absicht ging nicht dahin, daß Italien selbst den Tausch
beantragen sollte; vielmehr müsse es sich auf die Allianz, welche Preußen an¬
biete, einlassen, wenn aber die Großmächte eine gütliche Verständigung mit
Oesterreich auf Grund jenes Tausches ermöglichen sollten, dann müsse es sei¬
nerseits annehmen. Die preußische Allianz sollte also zunächst als Drücker
dienen, um Oesterreich und die Neutralen gefügiger zu machen, und erst,
wenn sie diesen Zweck nicht erfülle, sollte sie wirklich abgeschlossen werden.
Wie sehr Lamarmora sich auch bemüht, diesen Gedankengang ausschließlich
Nigra beizumessen, so liefert er doch das Material, um zu erkennen, daß er
selbst ihn getheilt. Nicht allein, daß er sich am 20. April auf Erklärungen
beruft, die er England gegeben habe: es werde der Krieg ganz gewiß aus¬
brechen, wenn Oesterreich Venetien nicht gütlich abtrete, Erklärungen, die
einem andern Zeitpunkte als diesem gar nicht zugetheilt werden können; —
sondern er hat dem General Govone, den er nach Berlin schickte, Jnstruc-
tionen gegeben, die auf jene Verhandlungen Bezug hatten. Ehe wir der¬
selben gedenken, sei nur kurz erwähnt, daß Nigra schon am 17. März das
Scheitern des Tauschplanes meldete. England wollte nichts davon wissen, und
Napoleon konnte es auch nicht Ernst damit sein; denn er wünschte damals
lebhaft den Krieg zwischen den beiden Großmächten, weil er selbst dadurch
die Gelegenheit zur Regulirung seiner Ostgrenze zu erlangen hoffte.

Es war ihm daher ganz Recht, daß Italien auf die Vorschläge einging,
die Preußen ihm machte. Am 28. Februar wurde bekanntlich in Berlin jener
Ministerrath abgehalten, dem Moltke, Manteuffel, der Gesandte in Paris



") So wenigstens nach der dentschen Uebersetzung (Mainz, bei Kirchheim). Hier trügt der
Brief, in welchem Nigra anzeigt, daß er Tags zuvor beim Kaiser gewesen sei, das Datum
des 1. März. Da er aber in diesem Briefe bereits von krikgerischen Eröffnungen Preußens
spricht, so muß diese Angabe falsch sein. Außer Staude das Original zu vergleichen, heizen
wir daher einstweilen einen Druckfehler (etwa statt 10. März) voraus; unmöglich scheint es
freilich nicht, daß dieser Druckfehler sich auch im italienischen Texte fände, und dann wurde
es schwer sein, an einen bloßen Zufall zu glauben und nicht vielmehr eine absichtliche Vor-
datirung zu argwöhnen, deren Zweck sein würde, den Umstand zu verschleiern, daß Lamarmora
gleichzeitig mit Govone's Sendung den Nigra'schen Plan betriebe» habe.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/374>, abgerufen am 26.12.2024.