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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Tugenden der Welt offenbart, und die zierliche Bescheidenheit, mit der er
dann wieder an andern Stellen von sich redet, um den höflichen Leser zum
Widersprechen zu verlocken, sind so naiv, daß bei uns ein Schriftsteller sich
dadurch vollständig ruinirsn würde. Aber man würde andererseits doch auch
geneigt sein, ihn gerade auf Grund dieser Ungeschicklichkeiten für berechnungs¬
los und ehrlich zu halten. Diese günstige Voraussetzung, der auch wir ge¬
huldigt haben, wird zuerst gefährdet durch die gelegentlichen Lobsprüche, die
hier und da in dem Buche preußischen Einrichtungen in überschwenglicher
Weise gespendet werden. Man wirft sich die Frage auf, was diese über¬
flüssigen Zuthaten sollen, da es dem Verfasser doch nicht gelingt, seine Ab¬
neigung gegen Preußen und Deutschland zu verdecken, und man wird kaum
zu einer andern Antwort gelangen können, als daß die Absicht dabei die sei,
sich den Anschein der Unparteilichkeit beizulegen und für die bitteren Angriffe
und Vorwürfe eine größere Vertrauensseligkeit bei dem Leser zu erwecken.
Diese Aufgabe war eigentlich gerade für Lamarmora gar so schwer nicht;
denn bekanntlich galt er seit langer Zeit für einen eifrigen Bewunderer des
preußischen Heerwesens und wurde auf den italienischen Carricaturen mit
Vorliebe durch eine Pickelhaube gekennzeichnet. Eine gewisse Hinneigung zu
dem Staate, der so Vortreffliches geschaffen, ließ sich daher bei ihm sehr wohl
voraussetzen, und wir bezweifeln auch gar nicht, daß er sie früher gehegt habe.
Aber seitdem grade von Berlin aus seiner Eigenliebe empfindliche Wunden
geschlagen wurden, verwandelte sich diese mehr oder minder kräftige Sympathie,
etwa von 1863 an, in wachsende Abgunst und hat sich jetzt augenscheinlich in
bittere Feindschaft verkehrt. Uns persönlich ist es deshalb auch gar nicht
zweifelhaft, daß die Herausgabe des Buches ganz unmittelbar mit der Reise
Victor Emanuel's nach Berlin zusammenhing und den bestimmten Zweck hatte,
eine Annäherung zwischen Deutschland und Italien zu erschweren. Man hat dage¬
gen wohl geltend gemacht, daß ein Buch von 3--400 Seiten sich doch nicht so aus
dem Aermel schütteln lasse, sondern eine längere Zeit zur Abfassung erfordere. Aber
man hat dabei übersehen, -- wenigstens erinnern wir uns nicht, daß es anderweitig
schon hervorgehoben ist -- daß Lamarmora selbst indirect eingesteht, er habe das
Werk schon vor Jahren geschrieben. Mit nackten Worten sagt er dies von
dem noch heute ungedruckten zweiten Theile; aber daß es mit dem vorliegen¬
den ersten nicht anders steht, ergiebt sich aus folgendem Umstand. Lamarmora
druckt das wichtigste von allen Ackerstücken, die er behandelt, nicht mit ab,
den preußisch-italienischen Allianzvertrag vom 8. April 1866, und begründet
das damit, daß derselbe ausdrücklich als ein Geheimvertrag abgeschlossen und
seines Wissens bis jetzt noch von Niemand in seinem vollständigen Texte ver¬
öffentlicht worden sei. Nun hat aber Bonghi, der erste Publicist Italiens,
in seiner Schrift ?ruWiann, <; I'^ehuisw cleila Vononin, den Wort-


Tugenden der Welt offenbart, und die zierliche Bescheidenheit, mit der er
dann wieder an andern Stellen von sich redet, um den höflichen Leser zum
Widersprechen zu verlocken, sind so naiv, daß bei uns ein Schriftsteller sich
dadurch vollständig ruinirsn würde. Aber man würde andererseits doch auch
geneigt sein, ihn gerade auf Grund dieser Ungeschicklichkeiten für berechnungs¬
los und ehrlich zu halten. Diese günstige Voraussetzung, der auch wir ge¬
huldigt haben, wird zuerst gefährdet durch die gelegentlichen Lobsprüche, die
hier und da in dem Buche preußischen Einrichtungen in überschwenglicher
Weise gespendet werden. Man wirft sich die Frage auf, was diese über¬
flüssigen Zuthaten sollen, da es dem Verfasser doch nicht gelingt, seine Ab¬
neigung gegen Preußen und Deutschland zu verdecken, und man wird kaum
zu einer andern Antwort gelangen können, als daß die Absicht dabei die sei,
sich den Anschein der Unparteilichkeit beizulegen und für die bitteren Angriffe
und Vorwürfe eine größere Vertrauensseligkeit bei dem Leser zu erwecken.
Diese Aufgabe war eigentlich gerade für Lamarmora gar so schwer nicht;
denn bekanntlich galt er seit langer Zeit für einen eifrigen Bewunderer des
preußischen Heerwesens und wurde auf den italienischen Carricaturen mit
Vorliebe durch eine Pickelhaube gekennzeichnet. Eine gewisse Hinneigung zu
dem Staate, der so Vortreffliches geschaffen, ließ sich daher bei ihm sehr wohl
voraussetzen, und wir bezweifeln auch gar nicht, daß er sie früher gehegt habe.
Aber seitdem grade von Berlin aus seiner Eigenliebe empfindliche Wunden
geschlagen wurden, verwandelte sich diese mehr oder minder kräftige Sympathie,
etwa von 1863 an, in wachsende Abgunst und hat sich jetzt augenscheinlich in
bittere Feindschaft verkehrt. Uns persönlich ist es deshalb auch gar nicht
zweifelhaft, daß die Herausgabe des Buches ganz unmittelbar mit der Reise
Victor Emanuel's nach Berlin zusammenhing und den bestimmten Zweck hatte,
eine Annäherung zwischen Deutschland und Italien zu erschweren. Man hat dage¬
gen wohl geltend gemacht, daß ein Buch von 3—400 Seiten sich doch nicht so aus
dem Aermel schütteln lasse, sondern eine längere Zeit zur Abfassung erfordere. Aber
man hat dabei übersehen, — wenigstens erinnern wir uns nicht, daß es anderweitig
schon hervorgehoben ist — daß Lamarmora selbst indirect eingesteht, er habe das
Werk schon vor Jahren geschrieben. Mit nackten Worten sagt er dies von
dem noch heute ungedruckten zweiten Theile; aber daß es mit dem vorliegen¬
den ersten nicht anders steht, ergiebt sich aus folgendem Umstand. Lamarmora
druckt das wichtigste von allen Ackerstücken, die er behandelt, nicht mit ab,
den preußisch-italienischen Allianzvertrag vom 8. April 1866, und begründet
das damit, daß derselbe ausdrücklich als ein Geheimvertrag abgeschlossen und
seines Wissens bis jetzt noch von Niemand in seinem vollständigen Texte ver¬
öffentlicht worden sei. Nun hat aber Bonghi, der erste Publicist Italiens,
in seiner Schrift ?ruWiann, <; I'^ehuisw cleila Vononin, den Wort-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/368>, abgerufen am 25.12.2024.