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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Ausgaben des norddeutschen Heeres beliefen sich auf circa 67 Millionen, die
des deutschen Heeres auf circa 95 Millionen Thaler. Durch die Aufhebung
des Pauschquantums werden wir nach der Schätzung des Finanzministers auf
ca 110 Millionen kommen, während Frankreich 171 Millionen für das Heer
ausgiebt. Wenn wir diese 110 Millionen nicht haben, so sollen wir ruhig
abdanken und anklopfen, ob Rußland und Frankreich vielleicht geneigt sind,
unsere Neutralität zu garantiren. Ohne genügendes Heer aber, im Herzen
Europas gelegen, wie wir sind, die Großmacht spielen wollen, dazu muß man
Demokrat sein. -- Man kann freilich zu den Kosten, die für das stehende
Heer bestimmt sind, noch eine Menge Ausgaben hinzurechnen: Kasernenbauten,
Festungsbauten, außerordentliche Materialanschaffungen, Marine u. s. w.
Man kann auf diese Weise Summen zusammenbringen, die sich trefflich zu
Schreckbildern eignen. Hier aber heißt es: das Nöthigste zuerst. Die nöthigste
Waffe für ein Volk ist die lebendige Heereskraft. Hat man zu dem Uebrigen
Geld, so schafft man es an; wenn nicht, nicht. Auch ist es Uebertreibung,
die zunehmenden Kosten des Unterhaltes der Truppen und gleichzeitig die
Kasernenbauten u. s. w. in Anschlag zu bringen. Wenn man Kasernen hat,
so fällt die Wohnungsentschädigung für die Unterbringung der Mannschaften
weg, und wenn die Lebensbedürfnisse theuer werden, so muß die Nachfrage
gestiegen sein und als ihre Voraussetzung der Volkswohlstand.

Ueber die Rede Moltke's, welche seit zwei Wochen das Eigenthum der
lesenden Menschheit Europas ist, verlieren wir kein Wort. Sie wird studirt,
behalten und beherzigt von Freund und Feind. Mögen wir nun sorgen,
daß wir sie genug beherzigen, daß weder heimliche Feindschaft gegen Deutsch¬
land, noch unzurechnungsfähige Doktrin, noch vergeßliche Frivolität uns um
die praktische Befolgung ihrer Lehren bringen. "Was Deutschland in einem
halben Jahre mit den Waffen gewonnen, das mögen wir ein halbes Jahr¬
hundert mit den Waffen schützen, damit es uns nicht wieder entrissen werde."
Mit diesem Spruch sollten wir täglich aufstehen und uns niederlegen, wir
sollten alle lernen, was unerläßlich ist zum Schutze dessen, das wir jetzt unser
Eigen nennen. Um uns selbst zu schützen, sagte der Feldmarschall, müssen
wir im Stande sein, den Frieden zu gebieten. Denn wenn die andern Natio¬
nen Deutschland nicht zum Schlachtfeld machen können, wird es den meisten
nicht leicht, sich in Europa zu treffen.

Von den Rednern des Tages gedenken wir noch Laster's. In dem ver¬
dienten Abgeordneten streiten sich der redliche Sinn, der sich den Forderungen
der objektiven Sachlage nicht verschließt, mit der Treue gegen die Dogmen
des Liberalismus. Was das Heer für Deutschlands Staat und Nation be¬
deutet und auch was zu einem wirksamen Heer gehört, das entgeht der ehr¬
lichen Einsicht nicht. Aber was wird aus dem Budgetrecht? Diese Frage


Ausgaben des norddeutschen Heeres beliefen sich auf circa 67 Millionen, die
des deutschen Heeres auf circa 95 Millionen Thaler. Durch die Aufhebung
des Pauschquantums werden wir nach der Schätzung des Finanzministers auf
ca 110 Millionen kommen, während Frankreich 171 Millionen für das Heer
ausgiebt. Wenn wir diese 110 Millionen nicht haben, so sollen wir ruhig
abdanken und anklopfen, ob Rußland und Frankreich vielleicht geneigt sind,
unsere Neutralität zu garantiren. Ohne genügendes Heer aber, im Herzen
Europas gelegen, wie wir sind, die Großmacht spielen wollen, dazu muß man
Demokrat sein. — Man kann freilich zu den Kosten, die für das stehende
Heer bestimmt sind, noch eine Menge Ausgaben hinzurechnen: Kasernenbauten,
Festungsbauten, außerordentliche Materialanschaffungen, Marine u. s. w.
Man kann auf diese Weise Summen zusammenbringen, die sich trefflich zu
Schreckbildern eignen. Hier aber heißt es: das Nöthigste zuerst. Die nöthigste
Waffe für ein Volk ist die lebendige Heereskraft. Hat man zu dem Uebrigen
Geld, so schafft man es an; wenn nicht, nicht. Auch ist es Uebertreibung,
die zunehmenden Kosten des Unterhaltes der Truppen und gleichzeitig die
Kasernenbauten u. s. w. in Anschlag zu bringen. Wenn man Kasernen hat,
so fällt die Wohnungsentschädigung für die Unterbringung der Mannschaften
weg, und wenn die Lebensbedürfnisse theuer werden, so muß die Nachfrage
gestiegen sein und als ihre Voraussetzung der Volkswohlstand.

Ueber die Rede Moltke's, welche seit zwei Wochen das Eigenthum der
lesenden Menschheit Europas ist, verlieren wir kein Wort. Sie wird studirt,
behalten und beherzigt von Freund und Feind. Mögen wir nun sorgen,
daß wir sie genug beherzigen, daß weder heimliche Feindschaft gegen Deutsch¬
land, noch unzurechnungsfähige Doktrin, noch vergeßliche Frivolität uns um
die praktische Befolgung ihrer Lehren bringen. „Was Deutschland in einem
halben Jahre mit den Waffen gewonnen, das mögen wir ein halbes Jahr¬
hundert mit den Waffen schützen, damit es uns nicht wieder entrissen werde."
Mit diesem Spruch sollten wir täglich aufstehen und uns niederlegen, wir
sollten alle lernen, was unerläßlich ist zum Schutze dessen, das wir jetzt unser
Eigen nennen. Um uns selbst zu schützen, sagte der Feldmarschall, müssen
wir im Stande sein, den Frieden zu gebieten. Denn wenn die andern Natio¬
nen Deutschland nicht zum Schlachtfeld machen können, wird es den meisten
nicht leicht, sich in Europa zu treffen.

Von den Rednern des Tages gedenken wir noch Laster's. In dem ver¬
dienten Abgeordneten streiten sich der redliche Sinn, der sich den Forderungen
der objektiven Sachlage nicht verschließt, mit der Treue gegen die Dogmen
des Liberalismus. Was das Heer für Deutschlands Staat und Nation be¬
deutet und auch was zu einem wirksamen Heer gehört, das entgeht der ehr¬
lichen Einsicht nicht. Aber was wird aus dem Budgetrecht? Diese Frage


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[0362] Ausgaben des norddeutschen Heeres beliefen sich auf circa 67 Millionen, die des deutschen Heeres auf circa 95 Millionen Thaler. Durch die Aufhebung des Pauschquantums werden wir nach der Schätzung des Finanzministers auf ca 110 Millionen kommen, während Frankreich 171 Millionen für das Heer ausgiebt. Wenn wir diese 110 Millionen nicht haben, so sollen wir ruhig abdanken und anklopfen, ob Rußland und Frankreich vielleicht geneigt sind, unsere Neutralität zu garantiren. Ohne genügendes Heer aber, im Herzen Europas gelegen, wie wir sind, die Großmacht spielen wollen, dazu muß man Demokrat sein. — Man kann freilich zu den Kosten, die für das stehende Heer bestimmt sind, noch eine Menge Ausgaben hinzurechnen: Kasernenbauten, Festungsbauten, außerordentliche Materialanschaffungen, Marine u. s. w. Man kann auf diese Weise Summen zusammenbringen, die sich trefflich zu Schreckbildern eignen. Hier aber heißt es: das Nöthigste zuerst. Die nöthigste Waffe für ein Volk ist die lebendige Heereskraft. Hat man zu dem Uebrigen Geld, so schafft man es an; wenn nicht, nicht. Auch ist es Uebertreibung, die zunehmenden Kosten des Unterhaltes der Truppen und gleichzeitig die Kasernenbauten u. s. w. in Anschlag zu bringen. Wenn man Kasernen hat, so fällt die Wohnungsentschädigung für die Unterbringung der Mannschaften weg, und wenn die Lebensbedürfnisse theuer werden, so muß die Nachfrage gestiegen sein und als ihre Voraussetzung der Volkswohlstand. Ueber die Rede Moltke's, welche seit zwei Wochen das Eigenthum der lesenden Menschheit Europas ist, verlieren wir kein Wort. Sie wird studirt, behalten und beherzigt von Freund und Feind. Mögen wir nun sorgen, daß wir sie genug beherzigen, daß weder heimliche Feindschaft gegen Deutsch¬ land, noch unzurechnungsfähige Doktrin, noch vergeßliche Frivolität uns um die praktische Befolgung ihrer Lehren bringen. „Was Deutschland in einem halben Jahre mit den Waffen gewonnen, das mögen wir ein halbes Jahr¬ hundert mit den Waffen schützen, damit es uns nicht wieder entrissen werde." Mit diesem Spruch sollten wir täglich aufstehen und uns niederlegen, wir sollten alle lernen, was unerläßlich ist zum Schutze dessen, das wir jetzt unser Eigen nennen. Um uns selbst zu schützen, sagte der Feldmarschall, müssen wir im Stande sein, den Frieden zu gebieten. Denn wenn die andern Natio¬ nen Deutschland nicht zum Schlachtfeld machen können, wird es den meisten nicht leicht, sich in Europa zu treffen. Von den Rednern des Tages gedenken wir noch Laster's. In dem ver¬ dienten Abgeordneten streiten sich der redliche Sinn, der sich den Forderungen der objektiven Sachlage nicht verschließt, mit der Treue gegen die Dogmen des Liberalismus. Was das Heer für Deutschlands Staat und Nation be¬ deutet und auch was zu einem wirksamen Heer gehört, das entgeht der ehr¬ lichen Einsicht nicht. Aber was wird aus dem Budgetrecht? Diese Frage

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/362>, abgerufen am 26.12.2024.