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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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wünschen gewesen, daß er in sprachlicher Hinficht überall und immer dem
Einflüsse des Auslandes widerstanden hätte, was leider nicht der Fall ist."
Weniger komisch als ärgerlich aber ist schließlich noch folgendes. In
seiner Besprechung Goethe's wärmt Brandstäter wahrhaftig das alte, längst
abgethane Mißverständniß wieder auf, daß in dem bekannten Venetianischen
Epigramm: "Vieles hab' ich versucht"- u. s. w. in den Schlußversen-. "Und
so Verderb' ich unglücklicher Dichter In dem schlechtesten Stoff leider nun
(bei Brandstäter steht irrthümlicher Weise: nur) Leben und Kunst" die Worte
"in dem schlechtesten Stoff" sich auf die deutsche Sprache beziehen sollen, und
daran knüpft er die gnädigen Worte: "Hoffen wir (!), daß nur der über¬
müthige Lebensgenuß auf üppigem italischen Boden ihn so reden ließ."
Wenn jemand vor lauter Patriotismus von unsern größten Dichterheroen in
solchem hofmeisternden Tone spricht, dann hat freilich Alexander Jung trotz
aller hochtrabenden Phrasen, die er in seinem neuesten Romane "Darwin"
über "Weltsprache" und "Weltwissenschaft" zum Besten giebt, wenigstens
in dem einen Recht, wenn er sagt: "Die Naseweisheit, Starkgeisterei, min¬
destens Pedanterie der Kleingeister pflegt sich bei außerordentlichen Schrift¬
stellern (soll heißen: außerordentlichen Schriftstellern gegenüber), beim Genie,
auch damit etwas herauszuputzen, daß sie über den Gebrauch fremder Aus¬
drücke sich ereifert."

Eines ist in der literargeschichtlichen Uebersicht Brandstäter's sehr anzu¬
erkennen, nämlich die sorgfältigen literarischen Nachweise. Namentlich in
unsrer so verzettelten, verspöttelten und doch oft so werthvollen Programm¬
literatur ist die Frage wegen des Einflusses der französischen Sprache und
Literatur auf die deutsche unzählige Male behandelt worden. Hier scheint
dem Verfasser kaum irgend etwas entgangen zu sein, und wenn auch die von
ihm genannten Schriften ihm nicht alle zugänglich gewesen sein mögen, so
ist es doch schon dankenswerth, daß er sie überhaupt aufgeführt hat.


G. Wustmann.


Jas socialistische Zlreiljeitsideal.

Es ist genügend bekannt, daß sich die socialdemokratische Partei mit
einer Rührigkeit sondergleichen an den Wahlen zum jetzigen Reichstage be¬
theiligt hat. Die Bemühungen anderer Parteien werden dadurch förmlich in
den Schatten gestellt. Nur die Ultramontanen können von sich rühmen, es


wünschen gewesen, daß er in sprachlicher Hinficht überall und immer dem
Einflüsse des Auslandes widerstanden hätte, was leider nicht der Fall ist."
Weniger komisch als ärgerlich aber ist schließlich noch folgendes. In
seiner Besprechung Goethe's wärmt Brandstäter wahrhaftig das alte, längst
abgethane Mißverständniß wieder auf, daß in dem bekannten Venetianischen
Epigramm: „Vieles hab' ich versucht"- u. s. w. in den Schlußversen-. „Und
so Verderb' ich unglücklicher Dichter In dem schlechtesten Stoff leider nun
(bei Brandstäter steht irrthümlicher Weise: nur) Leben und Kunst" die Worte
„in dem schlechtesten Stoff" sich auf die deutsche Sprache beziehen sollen, und
daran knüpft er die gnädigen Worte: „Hoffen wir (!), daß nur der über¬
müthige Lebensgenuß auf üppigem italischen Boden ihn so reden ließ."
Wenn jemand vor lauter Patriotismus von unsern größten Dichterheroen in
solchem hofmeisternden Tone spricht, dann hat freilich Alexander Jung trotz
aller hochtrabenden Phrasen, die er in seinem neuesten Romane „Darwin"
über „Weltsprache" und „Weltwissenschaft" zum Besten giebt, wenigstens
in dem einen Recht, wenn er sagt: „Die Naseweisheit, Starkgeisterei, min¬
destens Pedanterie der Kleingeister pflegt sich bei außerordentlichen Schrift¬
stellern (soll heißen: außerordentlichen Schriftstellern gegenüber), beim Genie,
auch damit etwas herauszuputzen, daß sie über den Gebrauch fremder Aus¬
drücke sich ereifert."

Eines ist in der literargeschichtlichen Uebersicht Brandstäter's sehr anzu¬
erkennen, nämlich die sorgfältigen literarischen Nachweise. Namentlich in
unsrer so verzettelten, verspöttelten und doch oft so werthvollen Programm¬
literatur ist die Frage wegen des Einflusses der französischen Sprache und
Literatur auf die deutsche unzählige Male behandelt worden. Hier scheint
dem Verfasser kaum irgend etwas entgangen zu sein, und wenn auch die von
ihm genannten Schriften ihm nicht alle zugänglich gewesen sein mögen, so
ist es doch schon dankenswerth, daß er sie überhaupt aufgeführt hat.


G. Wustmann.


Jas socialistische Zlreiljeitsideal.

Es ist genügend bekannt, daß sich die socialdemokratische Partei mit
einer Rührigkeit sondergleichen an den Wahlen zum jetzigen Reichstage be¬
theiligt hat. Die Bemühungen anderer Parteien werden dadurch förmlich in
den Schatten gestellt. Nur die Ultramontanen können von sich rühmen, es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/341>, abgerufen am 25.12.2024.