Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.wieder, bis daß sich nicht etwas bei mir geändert hat (Holle!) -- Eh' Dieses Florilegium wird wohl genügen, um eine kleine Vorstellung davon wieder, bis daß sich nicht etwas bei mir geändert hat (Holle!) — Eh' Dieses Florilegium wird wohl genügen, um eine kleine Vorstellung davon <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0337" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/130981"/> <p xml:id="ID_1002" prev="#ID_1001"> wieder, bis daß sich nicht etwas bei mir geändert hat (Holle!) — Eh'<lb/> wir nicht wissen, was das Jägervolk eigentlich vor hat, dürfen wir keines¬<lb/> falls beginnen (Brachvogel) — Wer hätte es bestreiten wollen, daß dies<lb/> Paar nicht für einander geschaffen sei? (Hesekiel) — Wie hätte ich zweifeln<lb/> sollen, daß der aufgerufene Zeuge nicht Fink's Vetter war? (Hackländer) —<lb/> Haben Sie die Güte zu verhindern, daß der Lakai nicht zusieht (Freytag) -<lb/> Der Zufall hat mehr für mich gethan, als ich mit aller Schlauheit nicht<lb/> hätte ausrichten können (Storch),</p><lb/> <p xml:id="ID_1003" next="#ID_1004"> Dieses Florilegium wird wohl genügen, um eine kleine Vorstellung davon<lb/> zu geben, in welchem Umfange unsre Grammatik durch die französische bereits<lb/> inficirt ist. Wir sind natürlich weit entfernt davon, alle von Brandstäter<lb/> in seinem Buche zusammengetragenen Gallicismen über einen Kamm scheeren<lb/> zu wollen. Im Gegentheil, wir meinen, daß Brandstäter in seinem patrio-<lb/> tischen Säuberungseifer mitunter entschieden zu weit gegangen ist und bis¬<lb/> weilen eine (Zol-ilmmtaL (sit venia vsrbo) talso susxöctÄ für eine asino<lb/> Luspvetg. gehalten hat. Einiges von dem, was er anführt, ist sicherlich eben<lb/> so gut deutsch wie französisch, anderes eben so gut lateinisch oder griechisch<lb/> wie französisch und kann durchaus nicht als specifischer Gallicismus angesehen<lb/> werden. Sodann giebt es Constructionen, die von Haus aus französisch sein<lb/> mögen, aber im Deutschen so vollständig eingebürgert sind, daß sie selbst von<lb/> den Gebildetsten nicht mehr als fremdes Sprachgut empfunden werden. Der<lb/> Gedanke, solche Constructionen ausrotten zu wollen, würde eben so abenteuer¬<lb/> lich sein, wie das Bestreben, ganz und gar deutsch gewordene Fremdwörter,<lb/> wie Kirche, Schule, Fenster, Brief, Straße, Mönch, Vogt, schreiben, predigen,<lb/> spazieren u. a. wieder zu beseitigen. Wenn z. B. rufen mit dem Dativ ver¬<lb/> bunden wird — Er ruft der Sonn', er schafft den Mond (Gellert) — so<lb/> denkt dabei schwerlich noch jemand an das französische verier ü, W., sondern<lb/> unwillkürlich zieht man Wörter wie winken, nicken, drohen, lächeln zum Ver¬<lb/> gleiche heran und empfindet rufen mit Dativ im Sinne von zurufen als echt<lb/> deutsche Verbindung. Oder wäre es wirklich denkbar, daß der Erdgeist im<lb/> „Faust" plötzlich mit den Worten erschiene: „Wer ruft mich?" Auf diese<lb/> „Conjectur" könnte doch höchstens ein Berliner Kind verfallen, das sich etwa<lb/> der eben gewonnenen Einsicht in den geheimnißvollen Unterschied zwischen<lb/> mir und mich erfreute. Dann erst kommen wir zu Gallicismen, die sich<lb/> allerdings auch bei uns schon festgesetzt haben, die aber doch wenigstens von<lb/> sprachlich gebildeten Leuten noch als solche erkannt werden, und die auszu¬<lb/> merzen also noch der Mühe werth ist. Wer heutzutage lehren richtig mit<lb/> dem Accusativ verbindet, der läuft freilich Gefahr, vom großen Haufen ver¬<lb/> lacht und der „Ziererei" angeklagt zu werden. Darf uns das aber abhalten,<lb/> das fehlerhafte: „lehre mir das" — oder wie der Volksmund gar dafür</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0337]
wieder, bis daß sich nicht etwas bei mir geändert hat (Holle!) — Eh'
wir nicht wissen, was das Jägervolk eigentlich vor hat, dürfen wir keines¬
falls beginnen (Brachvogel) — Wer hätte es bestreiten wollen, daß dies
Paar nicht für einander geschaffen sei? (Hesekiel) — Wie hätte ich zweifeln
sollen, daß der aufgerufene Zeuge nicht Fink's Vetter war? (Hackländer) —
Haben Sie die Güte zu verhindern, daß der Lakai nicht zusieht (Freytag) -
Der Zufall hat mehr für mich gethan, als ich mit aller Schlauheit nicht
hätte ausrichten können (Storch),
Dieses Florilegium wird wohl genügen, um eine kleine Vorstellung davon
zu geben, in welchem Umfange unsre Grammatik durch die französische bereits
inficirt ist. Wir sind natürlich weit entfernt davon, alle von Brandstäter
in seinem Buche zusammengetragenen Gallicismen über einen Kamm scheeren
zu wollen. Im Gegentheil, wir meinen, daß Brandstäter in seinem patrio-
tischen Säuberungseifer mitunter entschieden zu weit gegangen ist und bis¬
weilen eine (Zol-ilmmtaL (sit venia vsrbo) talso susxöctÄ für eine asino
Luspvetg. gehalten hat. Einiges von dem, was er anführt, ist sicherlich eben
so gut deutsch wie französisch, anderes eben so gut lateinisch oder griechisch
wie französisch und kann durchaus nicht als specifischer Gallicismus angesehen
werden. Sodann giebt es Constructionen, die von Haus aus französisch sein
mögen, aber im Deutschen so vollständig eingebürgert sind, daß sie selbst von
den Gebildetsten nicht mehr als fremdes Sprachgut empfunden werden. Der
Gedanke, solche Constructionen ausrotten zu wollen, würde eben so abenteuer¬
lich sein, wie das Bestreben, ganz und gar deutsch gewordene Fremdwörter,
wie Kirche, Schule, Fenster, Brief, Straße, Mönch, Vogt, schreiben, predigen,
spazieren u. a. wieder zu beseitigen. Wenn z. B. rufen mit dem Dativ ver¬
bunden wird — Er ruft der Sonn', er schafft den Mond (Gellert) — so
denkt dabei schwerlich noch jemand an das französische verier ü, W., sondern
unwillkürlich zieht man Wörter wie winken, nicken, drohen, lächeln zum Ver¬
gleiche heran und empfindet rufen mit Dativ im Sinne von zurufen als echt
deutsche Verbindung. Oder wäre es wirklich denkbar, daß der Erdgeist im
„Faust" plötzlich mit den Worten erschiene: „Wer ruft mich?" Auf diese
„Conjectur" könnte doch höchstens ein Berliner Kind verfallen, das sich etwa
der eben gewonnenen Einsicht in den geheimnißvollen Unterschied zwischen
mir und mich erfreute. Dann erst kommen wir zu Gallicismen, die sich
allerdings auch bei uns schon festgesetzt haben, die aber doch wenigstens von
sprachlich gebildeten Leuten noch als solche erkannt werden, und die auszu¬
merzen also noch der Mühe werth ist. Wer heutzutage lehren richtig mit
dem Accusativ verbindet, der läuft freilich Gefahr, vom großen Haufen ver¬
lacht und der „Ziererei" angeklagt zu werden. Darf uns das aber abhalten,
das fehlerhafte: „lehre mir das" — oder wie der Volksmund gar dafür
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