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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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bestimmt sind. Man weiß, daß der Kaiser persönlich großen Werth auf diese
Ermunterung der Pferdezucht legt. Darum war bei der zweiten Berathung/
welche zur Erschöpfung der Einzelfragen bestimmt ist, kein Widerspruch ver¬
sucht worden, der nur durch eine Ueberraschung Erfolg haben konnte. Herr
Richter bediente sich der vortheilhaften Gelegenheit. Es ist ja segensreich, wo
es geht, Keime der jetzt schmerzlich entbehrten Verstimmung zwischen Parla¬
ment und Königthum in Preußen auszusäen! Wir wundern uns keineswegs
über Herrn Richter. aber wir bewundern Herrn Windthorst, der sofort be¬
antragte, die 51,000 Thlr. nachträglich im Extraordinarium zu bewilligen.
Diesmal erhob Laster Einspruch, weil doch an irgend einer Stelle der ge¬
schäftlichen Form die Beschlüsse unabänderlich sein müssen. Das ist im Gan¬
zen und Großen gewiß richtig. Möge Herr Laster aber auch darauf denken,
Wie die nationalliberale Majorität sich vor Ueberraschungen schützen will.

Am 7. Februar stand der Gesetzentwurf über die Verwaltung erledigter
katholischer Bisthümer zur ersten Berathung, deren Resultat die Verweisung
an eine Commission von 21 Mitgliedern war. Die gewaltige materielle
Tragweite dieses Gesetzentwurfes wird erst zu beleuchten sein, wenn die Ein¬
zelberathung auf Grund des Berichtes der niedergesetzten Commission erfolgt.
Diesmal hielt Herr v. Mallinckrodt die erste Rede des Centrums, deren
Hauptargument wir schon erwähnten. Herr v. Mallinckrodt drohte, wie vor
ihm in der Sitzung vom 5. Februar Herr Reichensperger, mit der Verwilde¬
rung des katholischen Volkes oder eines Theiles davon, wenn erst kein Bi¬
schofsstuhl mehr besetzt sei. Aber er hatte selbst den schlagenden Beweis ge¬
liefert, wie willkührlich die Anmaßung ist, auf deren Grund die römische
Kirche sich gegen die Staatsgesetze auflehnt und in Folge deren sie sich
durch die nothgedrungene Abwehr des Staats in ihrer Amtsverwal¬
tung gelähmt sieht. Herr v. Mallinckrodt beging die von ihm nicht
überraschende Geschmacklosigkeit, dem Fürsten Bismarck auf Grund der
Schädellehre die Organe des Eigenwillens und der Gewaltthätigkeit zuzu¬
sprechen , aber das Organ der Erkenntniß von Ursache und, Wirkung abzu¬
sprechen. Das war, wie gesagt, sehr unartig und sehr geschmacklos, die Füh¬
rung einer Waffe, zu der nur die plumpe Verlegenheit des Herrn v.
Mallinckrodt greifen kann. Aber spaßhaft ist es nebenbei, demjenigen Staats¬
mann, dessen wunderbare Erfolge von der diplomatischen Welt auf ein fast
dämonisches Vermögen der Schätzung der handelnden Kräfte und ihrer Wir¬
kungsfähigkeit zurückgeführt werden, dieses Vermögen kurzer Hand abgesprochen
zu sehen. Wir wollen sehen, wer Recht hat: Herr v. Mallinckrodt mit seiner
L!--r. Schädellehre oder die denkende politische Welt mit ihrer Psychologie.




bestimmt sind. Man weiß, daß der Kaiser persönlich großen Werth auf diese
Ermunterung der Pferdezucht legt. Darum war bei der zweiten Berathung/
welche zur Erschöpfung der Einzelfragen bestimmt ist, kein Widerspruch ver¬
sucht worden, der nur durch eine Ueberraschung Erfolg haben konnte. Herr
Richter bediente sich der vortheilhaften Gelegenheit. Es ist ja segensreich, wo
es geht, Keime der jetzt schmerzlich entbehrten Verstimmung zwischen Parla¬
ment und Königthum in Preußen auszusäen! Wir wundern uns keineswegs
über Herrn Richter. aber wir bewundern Herrn Windthorst, der sofort be¬
antragte, die 51,000 Thlr. nachträglich im Extraordinarium zu bewilligen.
Diesmal erhob Laster Einspruch, weil doch an irgend einer Stelle der ge¬
schäftlichen Form die Beschlüsse unabänderlich sein müssen. Das ist im Gan¬
zen und Großen gewiß richtig. Möge Herr Laster aber auch darauf denken,
Wie die nationalliberale Majorität sich vor Ueberraschungen schützen will.

Am 7. Februar stand der Gesetzentwurf über die Verwaltung erledigter
katholischer Bisthümer zur ersten Berathung, deren Resultat die Verweisung
an eine Commission von 21 Mitgliedern war. Die gewaltige materielle
Tragweite dieses Gesetzentwurfes wird erst zu beleuchten sein, wenn die Ein¬
zelberathung auf Grund des Berichtes der niedergesetzten Commission erfolgt.
Diesmal hielt Herr v. Mallinckrodt die erste Rede des Centrums, deren
Hauptargument wir schon erwähnten. Herr v. Mallinckrodt drohte, wie vor
ihm in der Sitzung vom 5. Februar Herr Reichensperger, mit der Verwilde¬
rung des katholischen Volkes oder eines Theiles davon, wenn erst kein Bi¬
schofsstuhl mehr besetzt sei. Aber er hatte selbst den schlagenden Beweis ge¬
liefert, wie willkührlich die Anmaßung ist, auf deren Grund die römische
Kirche sich gegen die Staatsgesetze auflehnt und in Folge deren sie sich
durch die nothgedrungene Abwehr des Staats in ihrer Amtsverwal¬
tung gelähmt sieht. Herr v. Mallinckrodt beging die von ihm nicht
überraschende Geschmacklosigkeit, dem Fürsten Bismarck auf Grund der
Schädellehre die Organe des Eigenwillens und der Gewaltthätigkeit zuzu¬
sprechen , aber das Organ der Erkenntniß von Ursache und, Wirkung abzu¬
sprechen. Das war, wie gesagt, sehr unartig und sehr geschmacklos, die Füh¬
rung einer Waffe, zu der nur die plumpe Verlegenheit des Herrn v.
Mallinckrodt greifen kann. Aber spaßhaft ist es nebenbei, demjenigen Staats¬
mann, dessen wunderbare Erfolge von der diplomatischen Welt auf ein fast
dämonisches Vermögen der Schätzung der handelnden Kräfte und ihrer Wir¬
kungsfähigkeit zurückgeführt werden, dieses Vermögen kurzer Hand abgesprochen
zu sehen. Wir wollen sehen, wer Recht hat: Herr v. Mallinckrodt mit seiner
L!—r. Schädellehre oder die denkende politische Welt mit ihrer Psychologie.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/278>, abgerufen am 25.12.2024.