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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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vielfach wahrnehmen läßt, wirken diese primitiven Kunstbestrebungen in ihrer
naturwüchsigen Weise auch hier bisweilen recht komisch, besonders in der 11.
Darstellung. Hier ist der gewaltige Goliath auf das linke Knie niedergesunken
und hält andächtig still, damit der kleine Knirps von David an seinem Rie¬
senleib heraufklettern konnte, um ihn mit dem mächtigen Schwerte den Kopf
abzusägen. -- Weiterhin wird auf (Arund der Verwandtschaft des Bodens in
Se. Gereon mit gleichzeitigen Mosaiken in mehreren Städten Italiens con-
statirt, daß der Kölner Erzbischof Arno, der mächtige Reichskanzler, italienische
Künstler nach Köln berufen und die verloren gegangene musivische Kunst in
Deutschland wieder eingeführt habe.

Auf einer Farbentafel ist der Kopf des thronenden David in natürlicher
Größe wiedergegeben, welche die Technik des Gereons-MosaM genau erkennen
läßt. Hier liegt Nichts näher, als ein Vergleich mit den herrlichen römischen
Mosaiken in Nennig bei Trier, welche der Trierer Domcapitular von Wil-
mowst'y vor mehreren Jahren im Auftrag des Bonner Altherthums-Vereins
als Winckelmanns > Programm herausgegeben hat. Aus den Darstellungen,
welche Scenen einer veuatio im Amphitheater repräsentiren, hat der Verfasser
den Kopf eines Fechters in Originalgröße mitgetheilt. Welch ein Unterschied
zwischen den beiden Köpfen! Hier Leben und Ausdruck, dort ein kaltes und
todtes Gebilde. Lassen wir den Herausgeber selbst darüber reden. Als er
den Kopf des Fechters auf dem Originale durchgezeichnet und in seinen Farben
getreu wiedergegeben hatte, bemerkte er mit Verwunderung, daß sein Bild
noch weit entfernt war, dem Originale zu gleichen. Letzteres war weich und
gerundet, die Copie hart und rauh. Als er nun jedes einzelne Steinchen
genau untersuchte, fand er, daß Alles, was er für zufällige Verletzungen an¬
gesehen hatte, eine beabsichtigte Nacharbeit des Künstlers war, daß das
scheinbar Ausgesprungene nachträglich ausgesprengt worden; denn die Ver¬
letzungen zeigten sich regelmäßig nur da, wo sie eine Härte mildern, einen
Schatten bilden, einen Uebergang vermitteln sollten. Als von Wilmowsky
diese scheinbaren Fehler in sein Farbenblatt hineingezeichnet hatte, gewann
es Leben, und aus der vorher kalten Zeichnung wurde ein warmes und lebens¬
volles Bild. Eine ähnliche Bewandniß hatte es mit der Unregelmäßigkeit
der Würfel und Fugen. Ob diese größer oder kleiner, ob quadratisch oder
dreieckig, ob regelmäßig oder unregelmäßig sind, das Alles ist berechnet, wie
die Linien und Punkte auf einer Kupferplatte. Brauchte der Künstler
Schatten, so häufte er die Fugen, spaltete die Würfel und setzte aus mehreren
Steinen zusammen, was er aus einem hätte machen können. -- Hier blühte
die musivische Kunst noch auf der Stufe höchster Vollendung; das Mosaik
in Gereon zeigt die neu erwachende Kunst in ihren Kinderjahren.

Die Mvsaikmalerei gehört, wie die Glasmalerei, zu den Künsten, welche


vielfach wahrnehmen läßt, wirken diese primitiven Kunstbestrebungen in ihrer
naturwüchsigen Weise auch hier bisweilen recht komisch, besonders in der 11.
Darstellung. Hier ist der gewaltige Goliath auf das linke Knie niedergesunken
und hält andächtig still, damit der kleine Knirps von David an seinem Rie¬
senleib heraufklettern konnte, um ihn mit dem mächtigen Schwerte den Kopf
abzusägen. — Weiterhin wird auf (Arund der Verwandtschaft des Bodens in
Se. Gereon mit gleichzeitigen Mosaiken in mehreren Städten Italiens con-
statirt, daß der Kölner Erzbischof Arno, der mächtige Reichskanzler, italienische
Künstler nach Köln berufen und die verloren gegangene musivische Kunst in
Deutschland wieder eingeführt habe.

Auf einer Farbentafel ist der Kopf des thronenden David in natürlicher
Größe wiedergegeben, welche die Technik des Gereons-MosaM genau erkennen
läßt. Hier liegt Nichts näher, als ein Vergleich mit den herrlichen römischen
Mosaiken in Nennig bei Trier, welche der Trierer Domcapitular von Wil-
mowst'y vor mehreren Jahren im Auftrag des Bonner Altherthums-Vereins
als Winckelmanns > Programm herausgegeben hat. Aus den Darstellungen,
welche Scenen einer veuatio im Amphitheater repräsentiren, hat der Verfasser
den Kopf eines Fechters in Originalgröße mitgetheilt. Welch ein Unterschied
zwischen den beiden Köpfen! Hier Leben und Ausdruck, dort ein kaltes und
todtes Gebilde. Lassen wir den Herausgeber selbst darüber reden. Als er
den Kopf des Fechters auf dem Originale durchgezeichnet und in seinen Farben
getreu wiedergegeben hatte, bemerkte er mit Verwunderung, daß sein Bild
noch weit entfernt war, dem Originale zu gleichen. Letzteres war weich und
gerundet, die Copie hart und rauh. Als er nun jedes einzelne Steinchen
genau untersuchte, fand er, daß Alles, was er für zufällige Verletzungen an¬
gesehen hatte, eine beabsichtigte Nacharbeit des Künstlers war, daß das
scheinbar Ausgesprungene nachträglich ausgesprengt worden; denn die Ver¬
letzungen zeigten sich regelmäßig nur da, wo sie eine Härte mildern, einen
Schatten bilden, einen Uebergang vermitteln sollten. Als von Wilmowsky
diese scheinbaren Fehler in sein Farbenblatt hineingezeichnet hatte, gewann
es Leben, und aus der vorher kalten Zeichnung wurde ein warmes und lebens¬
volles Bild. Eine ähnliche Bewandniß hatte es mit der Unregelmäßigkeit
der Würfel und Fugen. Ob diese größer oder kleiner, ob quadratisch oder
dreieckig, ob regelmäßig oder unregelmäßig sind, das Alles ist berechnet, wie
die Linien und Punkte auf einer Kupferplatte. Brauchte der Künstler
Schatten, so häufte er die Fugen, spaltete die Würfel und setzte aus mehreren
Steinen zusammen, was er aus einem hätte machen können. — Hier blühte
die musivische Kunst noch auf der Stufe höchster Vollendung; das Mosaik
in Gereon zeigt die neu erwachende Kunst in ihren Kinderjahren.

Die Mvsaikmalerei gehört, wie die Glasmalerei, zu den Künsten, welche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/267>, abgerufen am 25.12.2024.