Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.thet in die Wandermappe hinüber verirrt wiewohl auch er, ganz wie Ebers, Auf Einzelheiten einzugehen müssen wir uns leider versagen. Nur einen thet in die Wandermappe hinüber verirrt wiewohl auch er, ganz wie Ebers, Auf Einzelheiten einzugehen müssen wir uns leider versagen. Nur einen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0260" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/130904"/> <p xml:id="ID_820" prev="#ID_819"> thet in die Wandermappe hinüber verirrt wiewohl auch er, ganz wie Ebers,<lb/> in einem besonderen Anhange, der ausschließlich für die Fachgenossen bestimmt<lb/> ist, eine Reihe museographischer Excurse und reiche literarische Nachweise ge¬<lb/> geben hat, in denen mit musterhaftester Sorgfalt das wissenschaftliche Material<lb/> und alle topographischen und kunstgeschichtlichen Fragen bis in die neueste<lb/> Zeit herein und bis an die abgelegensten Quellen hin verfolgt ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_821" next="#ID_822"> Auf Einzelheiten einzugehen müssen wir uns leider versagen. Nur einen<lb/> Punkt wollen wir berühren, der neuerdings nicht bloß in weiten, sondern<lb/> sogar in weitesten Kreisen und bei Leuten, die sonst nach nichts weniger<lb/> fragen, als uach den Fortschritten der Archäologie, sehr viel von sich reden<lb/> gemacht hat : die Ausgrabungen Schliemann's in der troischen Ebene. Schlie-<lb/> mann ist in der Alterthumswissenschaft Autodidakt und Dilettant, aber ein<lb/> Dilettant, der von dem edelsten und ehrenwerthesten wissenschaftlichen<lb/> Eifer beseelt ist. Er hat keinen methodischen wissenschaftlichen Bildungsgang<lb/> durchgemacht und gelangt daher nicht selten zu Schlüssen und Resultaten,<lb/> über die mancher deutsche Student, der nur zwei Semester archäologische<lb/> Studien getrieben, lächeln wird. Die thörichten und wohlfeilen Späße aber,<lb/> mit denen unsre politischen Witzblätter ihn und seine Thätigkeit verspottet<lb/> haben, und die in den Augen der urtheilslosen Masse seine Ausgrabungsbe¬<lb/> richte als den baarsten Humbug mußten erscheinen lassen, hat er entschieden<lb/> nicht verdient. Daß Schliemann bei seinen Ausgrabungen Denkmäler der<lb/> alten Kunst zu Tage gefördert hat, die materiell, technisch und aesthetisch von<lb/> außergewöhnlichem Werthe sind, darüber kann nicht der leiseste Zweifel sein.<lb/> Er hätte freilich nicht die Tollheit begehen sollen, Kunstwerke aus römischer<lb/> oder hellenistischer Zeit als „Schatz des Priamos" in die Welt zu posaunen<lb/> und auf diese Weise den sprichwörtlich gewordenen Ueberschriften eines be¬<lb/> kannten Familienjournals Concurrenz zu machen, welches auch seiner Zeit<lb/> einen Artikel über den Hildesheimer Silberfund unter der Aufschrift „Das<lb/> Tafelgeschirr des Varus" brachte. Ist irgend jemand competent in der viel¬<lb/> verhandelten Schliemannfrage, so ist es Prof. Stark, und darum möge sein<lb/> billiges und gerechtes Urtheil jenem vielverbreiteten Irrthume gegenüber hier<lb/> eine Stelle finden. „Schliemann ist selbst — so äußert sich Stark — ein<lb/> interessantes Beispiel der Macht der Antike, des überwältigenden Zaubers, den<lb/> die homerische Dichtung auch noch heute auf empfängliche und begabte Na¬<lb/> turen ausübt. Die Selbstbiographie, die er uns in seiner ersten Schrift über<lb/> Ithaka, den Peloponnes und Troja (Leipzig 1869) geliefert, erregt gegenüber<lb/> jener gäng und gäben, leider so oft durch die Schule nur genährten Aus¬<lb/> fassang, als ob überhaupt die griechische Poesie und das griechische Alterthum<lb/> nur noch dazu in der Welt sei, um als Zuchtmittel der Jugend und ihres<lb/> correkten Denkens, ihrer Sicherheit in den Sprachformen zu dienen, unser</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0260]
thet in die Wandermappe hinüber verirrt wiewohl auch er, ganz wie Ebers,
in einem besonderen Anhange, der ausschließlich für die Fachgenossen bestimmt
ist, eine Reihe museographischer Excurse und reiche literarische Nachweise ge¬
geben hat, in denen mit musterhaftester Sorgfalt das wissenschaftliche Material
und alle topographischen und kunstgeschichtlichen Fragen bis in die neueste
Zeit herein und bis an die abgelegensten Quellen hin verfolgt ist.
Auf Einzelheiten einzugehen müssen wir uns leider versagen. Nur einen
Punkt wollen wir berühren, der neuerdings nicht bloß in weiten, sondern
sogar in weitesten Kreisen und bei Leuten, die sonst nach nichts weniger
fragen, als uach den Fortschritten der Archäologie, sehr viel von sich reden
gemacht hat : die Ausgrabungen Schliemann's in der troischen Ebene. Schlie-
mann ist in der Alterthumswissenschaft Autodidakt und Dilettant, aber ein
Dilettant, der von dem edelsten und ehrenwerthesten wissenschaftlichen
Eifer beseelt ist. Er hat keinen methodischen wissenschaftlichen Bildungsgang
durchgemacht und gelangt daher nicht selten zu Schlüssen und Resultaten,
über die mancher deutsche Student, der nur zwei Semester archäologische
Studien getrieben, lächeln wird. Die thörichten und wohlfeilen Späße aber,
mit denen unsre politischen Witzblätter ihn und seine Thätigkeit verspottet
haben, und die in den Augen der urtheilslosen Masse seine Ausgrabungsbe¬
richte als den baarsten Humbug mußten erscheinen lassen, hat er entschieden
nicht verdient. Daß Schliemann bei seinen Ausgrabungen Denkmäler der
alten Kunst zu Tage gefördert hat, die materiell, technisch und aesthetisch von
außergewöhnlichem Werthe sind, darüber kann nicht der leiseste Zweifel sein.
Er hätte freilich nicht die Tollheit begehen sollen, Kunstwerke aus römischer
oder hellenistischer Zeit als „Schatz des Priamos" in die Welt zu posaunen
und auf diese Weise den sprichwörtlich gewordenen Ueberschriften eines be¬
kannten Familienjournals Concurrenz zu machen, welches auch seiner Zeit
einen Artikel über den Hildesheimer Silberfund unter der Aufschrift „Das
Tafelgeschirr des Varus" brachte. Ist irgend jemand competent in der viel¬
verhandelten Schliemannfrage, so ist es Prof. Stark, und darum möge sein
billiges und gerechtes Urtheil jenem vielverbreiteten Irrthume gegenüber hier
eine Stelle finden. „Schliemann ist selbst — so äußert sich Stark — ein
interessantes Beispiel der Macht der Antike, des überwältigenden Zaubers, den
die homerische Dichtung auch noch heute auf empfängliche und begabte Na¬
turen ausübt. Die Selbstbiographie, die er uns in seiner ersten Schrift über
Ithaka, den Peloponnes und Troja (Leipzig 1869) geliefert, erregt gegenüber
jener gäng und gäben, leider so oft durch die Schule nur genährten Aus¬
fassang, als ob überhaupt die griechische Poesie und das griechische Alterthum
nur noch dazu in der Welt sei, um als Zuchtmittel der Jugend und ihres
correkten Denkens, ihrer Sicherheit in den Sprachformen zu dienen, unser
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