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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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oft kreisen die Wildgänse bevor sie sich niederlassen; sie recognosciren das
Feld, und erst wenn sie erkannt, daß ihnen nichts Feindliches droht, fallen
sie nieder. -- Die wilden Rosse schaaren sich zum Ringe, um einander gegen¬
seitig die Flanken zu decken und den herandringenden Wölfen mit dem zer¬
malmenden Schlage der Hufe zu drohen. Auch die Büffel wehren sich in
ähnlichem Ring, die Hörner nach Außen, und die Gemsen vereinigen sich zur
Weide, stellen ihre pfeifenden Vorposten aus, und werden sie dennoch um¬
zingelt und eingeengt, so stürzen sie sich, dicht geschlossen und den stärksten
Bock an der Spitze, kühn auf den Feind -- falle, was fällt; die meisten
rettet immer der Zusammenhalt. -- Welche Uebereinstimmung und dennoch
welche Mannigfaltigkeit! -- Und auch bei den Menschen erscheint der instinctive
Trieb der Schaarung nach Volksanlage und persönlicher Begabung in sehr
verschiedenartiger Form, und wird auf diese Weise die Grundlage der ver¬
schiedenen Style der Taktik. Wie - groß z. B. ist der Unterschied zwischen
jenem unwiderstehlichen Naturdrange, der in den wilden Ueberschwemmungs-
zügen der Hunnen, Mongolen und Tataren hervortritt, und jenem begeisterten,
in allen einzelnen Gestalten eigenartig abgestuften Kampfesdrang der home¬
rischen Heroen oder der Recken der germanischen Heldensage! -- Die Hunnen
und Tataren gleichen den Schwärmen jener Heuschrecken oder Wanderratten,
die, obgleich aus Tausenden und Abertausenden einzelner Individuen bestehend,
doch nur ein einziges zu sein scheinen, weil sie. von ein und demselben geheimni߬
vollen Triebe beherrscht, wie unbewußt über die Länder fahren, sich und andern
zum Verhängniß. Die hellenischen und germanischen Krieger dagegen werden,
ähnlich wie die Rosse oder die Gemsen, durch einen bewußteren Willen bewogen,
zu einander zu stehn, und werden so zu einem Heere verbunden, in welchem
die Persönlichkeit niemals untergeht, vielmehr in Wetteifer und Streit, in auf¬
opfernder Hingebung und eifersüchtigen Groll sich nur noch reicher und
mannigfaltiger entwickelt und bestätigt.

Solche Nationen zusammenzuhalten und einem einheitlichen Willen zu
unterwerfen, die Mannigfaltigkeit der in ihnen hervortretenden personellen
Begabungen sachgemäß zu verwerthen, dazu gehören Kraft und Geist, und
daher erscheinen denn an der Spitze solcher individualisirenden Völker zuerst
jene Krieger, welche hinauswachsen über die bloße Vorkämpferschaft und in
denen die Feldherrnnatur deutlich zu Tage tritt. -- Da nun bei eben
diesen Völkern auch zuerst das wissenschaftliche Leben beginnt, so ergab sich
hier am frühesten jene Verbindung von natürlicher Anlage mit erworbenem
Wissen, welcher jede Kunst entspringt.*)

Richten wir den Blick zunächst auf die Lieblingsstätte der antiken -""..' '
auf Griechenland.



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oft kreisen die Wildgänse bevor sie sich niederlassen; sie recognosciren das
Feld, und erst wenn sie erkannt, daß ihnen nichts Feindliches droht, fallen
sie nieder. — Die wilden Rosse schaaren sich zum Ringe, um einander gegen¬
seitig die Flanken zu decken und den herandringenden Wölfen mit dem zer¬
malmenden Schlage der Hufe zu drohen. Auch die Büffel wehren sich in
ähnlichem Ring, die Hörner nach Außen, und die Gemsen vereinigen sich zur
Weide, stellen ihre pfeifenden Vorposten aus, und werden sie dennoch um¬
zingelt und eingeengt, so stürzen sie sich, dicht geschlossen und den stärksten
Bock an der Spitze, kühn auf den Feind — falle, was fällt; die meisten
rettet immer der Zusammenhalt. — Welche Uebereinstimmung und dennoch
welche Mannigfaltigkeit! — Und auch bei den Menschen erscheint der instinctive
Trieb der Schaarung nach Volksanlage und persönlicher Begabung in sehr
verschiedenartiger Form, und wird auf diese Weise die Grundlage der ver¬
schiedenen Style der Taktik. Wie - groß z. B. ist der Unterschied zwischen
jenem unwiderstehlichen Naturdrange, der in den wilden Ueberschwemmungs-
zügen der Hunnen, Mongolen und Tataren hervortritt, und jenem begeisterten,
in allen einzelnen Gestalten eigenartig abgestuften Kampfesdrang der home¬
rischen Heroen oder der Recken der germanischen Heldensage! — Die Hunnen
und Tataren gleichen den Schwärmen jener Heuschrecken oder Wanderratten,
die, obgleich aus Tausenden und Abertausenden einzelner Individuen bestehend,
doch nur ein einziges zu sein scheinen, weil sie. von ein und demselben geheimni߬
vollen Triebe beherrscht, wie unbewußt über die Länder fahren, sich und andern
zum Verhängniß. Die hellenischen und germanischen Krieger dagegen werden,
ähnlich wie die Rosse oder die Gemsen, durch einen bewußteren Willen bewogen,
zu einander zu stehn, und werden so zu einem Heere verbunden, in welchem
die Persönlichkeit niemals untergeht, vielmehr in Wetteifer und Streit, in auf¬
opfernder Hingebung und eifersüchtigen Groll sich nur noch reicher und
mannigfaltiger entwickelt und bestätigt.

Solche Nationen zusammenzuhalten und einem einheitlichen Willen zu
unterwerfen, die Mannigfaltigkeit der in ihnen hervortretenden personellen
Begabungen sachgemäß zu verwerthen, dazu gehören Kraft und Geist, und
daher erscheinen denn an der Spitze solcher individualisirenden Völker zuerst
jene Krieger, welche hinauswachsen über die bloße Vorkämpferschaft und in
denen die Feldherrnnatur deutlich zu Tage tritt. — Da nun bei eben
diesen Völkern auch zuerst das wissenschaftliche Leben beginnt, so ergab sich
hier am frühesten jene Verbindung von natürlicher Anlage mit erworbenem
Wissen, welcher jede Kunst entspringt.*)

Richten wir den Blick zunächst auf die Lieblingsstätte der antiken -«»..' '
auf Griechenland.



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[0252] oft kreisen die Wildgänse bevor sie sich niederlassen; sie recognosciren das Feld, und erst wenn sie erkannt, daß ihnen nichts Feindliches droht, fallen sie nieder. — Die wilden Rosse schaaren sich zum Ringe, um einander gegen¬ seitig die Flanken zu decken und den herandringenden Wölfen mit dem zer¬ malmenden Schlage der Hufe zu drohen. Auch die Büffel wehren sich in ähnlichem Ring, die Hörner nach Außen, und die Gemsen vereinigen sich zur Weide, stellen ihre pfeifenden Vorposten aus, und werden sie dennoch um¬ zingelt und eingeengt, so stürzen sie sich, dicht geschlossen und den stärksten Bock an der Spitze, kühn auf den Feind — falle, was fällt; die meisten rettet immer der Zusammenhalt. — Welche Uebereinstimmung und dennoch welche Mannigfaltigkeit! — Und auch bei den Menschen erscheint der instinctive Trieb der Schaarung nach Volksanlage und persönlicher Begabung in sehr verschiedenartiger Form, und wird auf diese Weise die Grundlage der ver¬ schiedenen Style der Taktik. Wie - groß z. B. ist der Unterschied zwischen jenem unwiderstehlichen Naturdrange, der in den wilden Ueberschwemmungs- zügen der Hunnen, Mongolen und Tataren hervortritt, und jenem begeisterten, in allen einzelnen Gestalten eigenartig abgestuften Kampfesdrang der home¬ rischen Heroen oder der Recken der germanischen Heldensage! — Die Hunnen und Tataren gleichen den Schwärmen jener Heuschrecken oder Wanderratten, die, obgleich aus Tausenden und Abertausenden einzelner Individuen bestehend, doch nur ein einziges zu sein scheinen, weil sie. von ein und demselben geheimni߬ vollen Triebe beherrscht, wie unbewußt über die Länder fahren, sich und andern zum Verhängniß. Die hellenischen und germanischen Krieger dagegen werden, ähnlich wie die Rosse oder die Gemsen, durch einen bewußteren Willen bewogen, zu einander zu stehn, und werden so zu einem Heere verbunden, in welchem die Persönlichkeit niemals untergeht, vielmehr in Wetteifer und Streit, in auf¬ opfernder Hingebung und eifersüchtigen Groll sich nur noch reicher und mannigfaltiger entwickelt und bestätigt. Solche Nationen zusammenzuhalten und einem einheitlichen Willen zu unterwerfen, die Mannigfaltigkeit der in ihnen hervortretenden personellen Begabungen sachgemäß zu verwerthen, dazu gehören Kraft und Geist, und daher erscheinen denn an der Spitze solcher individualisirenden Völker zuerst jene Krieger, welche hinauswachsen über die bloße Vorkämpferschaft und in denen die Feldherrnnatur deutlich zu Tage tritt. — Da nun bei eben diesen Völkern auch zuerst das wissenschaftliche Leben beginnt, so ergab sich hier am frühesten jene Verbindung von natürlicher Anlage mit erworbenem Wissen, welcher jede Kunst entspringt.*) Richten wir den Blick zunächst auf die Lieblingsstätte der antiken -«»..' ' auf Griechenland. -1..A«fangs war'^Mifchast, ob low."-»"«-- «""r die Kraft des Geistes wich- .

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/252>, abgerufen am 02.10.2024.