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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Was die Thiere als Streitmittel anlangt, so steht durchaus in erster
Reihe das Roß, Man scheint es früher angespannt als geritten zu haben. Die
uralten Sagen von Sesostris. Ninus und Semiramis berichten schon von vielen
Tausenden von Streitwagen ; die jüdischen Geschichten der Bibel sind voll davon,
und Homer's Jliade hallt wieder vom Kampf der Wagen, zu einer Zeit da von
Reitergefechten noch nirgends die Rede ist.*) Dennoch ist die Reiterei asia lischen
Ursprungs wie der Bogen. Alt berühmt ist das Roßvolk der Lyder, Scythen
und Parther, und das Grauen vor barbarischen Reiterstämmen kann nicht
kräftiger ausgedrückt werden, als es die hellenischen Sagen von den Ken-
tauren thun. -- Auch in späterer Zeit war die Reiterei der Griechen immer
verhältnißmäßig schwach, und fast ausschließlich asiatisch blieb die
Verwendung der Dromedare und der Elephanten für den Krieg. -- Ein
starker stylistischer Gegensatz in den Mitteln der Kunst ist also auch
hier nicht zu verkennen.

Ganz ähnlich stehn die Dinge auf dem Gebiete der Befestig un gö-
nnt Belagerungskunst, welche gewissermaßen eine Kunst in der Kriegs¬
kunst ausmacht, etwa so wie die Kupferstecherkunst innerhalb der Maleret. --
Die Zeit verbietet es mir jedoch, ans die stylistischen Unterschiede im Gebiet
der Fortification einzugehen, so bezeichnend sie auch sein mögen; denn die
größte und eingehendste Aufmerksamkeit verdient das zuletzt genannte, that¬
sächlich jedoch neben der Bewaffnung in erster Reihe stehende Urele-
men>t der Kriegskunst: die Schaarung; denn sie ist der Ursprung
der Taktik, die Entstehung der kriegerischen Gliederung für Lager, Marsch
und Gefecht; und sieht man näher zu, so ergeben sich wieder die Kampf-
formen des Fußvolks als Hauptgrundlage aller andern Kunstformen des
Krieges. -- Auf die Verdeutlichung jener Fußvolksschaarungen muß ich also
den Nachdruck legen, wenn ich es versuche, Ihnen von der Geschichte des
Styls in der Kriegskunst zu sprechen.

Weitverbreitet ist der Jnstinct für taktische Schaarung. Er gehört
keinesweges allein dem Menschen an, sondern auch vielen Thieren ward ihre durch
Gefahren erzwungene gesellige Vereinigung der Anlaß zu taktischer Schaarung.
Wie die Bienen vereint ihre kunstgerechten Zellen bauen, so erwehren sie sich auch
des Eindringlings vereint in dichtem Schwärme. -- In kriegsmäßiger Ordnung
unternehmen die Wanderameisen ihre Züge, fallen über jeden Feind her und ver¬
nichten ihn, wie groß er immer sei, durch ihre ungeheure Ueberzahl. -- In wohlge¬
ordneten Geschwadern steuern die Wandervögel dahin; sie fliegen in Marsch-
Formen, welche das Abströmen der durchschnittenen Luft erleichtern und halten sich
e"u -^.-r^ nur Richtung und Fühlung nie zu verlieren. Stundenlang



-) V-rgl. Schlieben- Die Pfer.- Alterthums. NeuwKd. 1867.

Was die Thiere als Streitmittel anlangt, so steht durchaus in erster
Reihe das Roß, Man scheint es früher angespannt als geritten zu haben. Die
uralten Sagen von Sesostris. Ninus und Semiramis berichten schon von vielen
Tausenden von Streitwagen ; die jüdischen Geschichten der Bibel sind voll davon,
und Homer's Jliade hallt wieder vom Kampf der Wagen, zu einer Zeit da von
Reitergefechten noch nirgends die Rede ist.*) Dennoch ist die Reiterei asia lischen
Ursprungs wie der Bogen. Alt berühmt ist das Roßvolk der Lyder, Scythen
und Parther, und das Grauen vor barbarischen Reiterstämmen kann nicht
kräftiger ausgedrückt werden, als es die hellenischen Sagen von den Ken-
tauren thun. — Auch in späterer Zeit war die Reiterei der Griechen immer
verhältnißmäßig schwach, und fast ausschließlich asiatisch blieb die
Verwendung der Dromedare und der Elephanten für den Krieg. — Ein
starker stylistischer Gegensatz in den Mitteln der Kunst ist also auch
hier nicht zu verkennen.

Ganz ähnlich stehn die Dinge auf dem Gebiete der Befestig un gö-
nnt Belagerungskunst, welche gewissermaßen eine Kunst in der Kriegs¬
kunst ausmacht, etwa so wie die Kupferstecherkunst innerhalb der Maleret. —
Die Zeit verbietet es mir jedoch, ans die stylistischen Unterschiede im Gebiet
der Fortification einzugehen, so bezeichnend sie auch sein mögen; denn die
größte und eingehendste Aufmerksamkeit verdient das zuletzt genannte, that¬
sächlich jedoch neben der Bewaffnung in erster Reihe stehende Urele-
men>t der Kriegskunst: die Schaarung; denn sie ist der Ursprung
der Taktik, die Entstehung der kriegerischen Gliederung für Lager, Marsch
und Gefecht; und sieht man näher zu, so ergeben sich wieder die Kampf-
formen des Fußvolks als Hauptgrundlage aller andern Kunstformen des
Krieges. — Auf die Verdeutlichung jener Fußvolksschaarungen muß ich also
den Nachdruck legen, wenn ich es versuche, Ihnen von der Geschichte des
Styls in der Kriegskunst zu sprechen.

Weitverbreitet ist der Jnstinct für taktische Schaarung. Er gehört
keinesweges allein dem Menschen an, sondern auch vielen Thieren ward ihre durch
Gefahren erzwungene gesellige Vereinigung der Anlaß zu taktischer Schaarung.
Wie die Bienen vereint ihre kunstgerechten Zellen bauen, so erwehren sie sich auch
des Eindringlings vereint in dichtem Schwärme. — In kriegsmäßiger Ordnung
unternehmen die Wanderameisen ihre Züge, fallen über jeden Feind her und ver¬
nichten ihn, wie groß er immer sei, durch ihre ungeheure Ueberzahl. — In wohlge¬
ordneten Geschwadern steuern die Wandervögel dahin; sie fliegen in Marsch-
Formen, welche das Abströmen der durchschnittenen Luft erleichtern und halten sich
e"u -^.-r^ nur Richtung und Fühlung nie zu verlieren. Stundenlang



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[0251] Was die Thiere als Streitmittel anlangt, so steht durchaus in erster Reihe das Roß, Man scheint es früher angespannt als geritten zu haben. Die uralten Sagen von Sesostris. Ninus und Semiramis berichten schon von vielen Tausenden von Streitwagen ; die jüdischen Geschichten der Bibel sind voll davon, und Homer's Jliade hallt wieder vom Kampf der Wagen, zu einer Zeit da von Reitergefechten noch nirgends die Rede ist.*) Dennoch ist die Reiterei asia lischen Ursprungs wie der Bogen. Alt berühmt ist das Roßvolk der Lyder, Scythen und Parther, und das Grauen vor barbarischen Reiterstämmen kann nicht kräftiger ausgedrückt werden, als es die hellenischen Sagen von den Ken- tauren thun. — Auch in späterer Zeit war die Reiterei der Griechen immer verhältnißmäßig schwach, und fast ausschließlich asiatisch blieb die Verwendung der Dromedare und der Elephanten für den Krieg. — Ein starker stylistischer Gegensatz in den Mitteln der Kunst ist also auch hier nicht zu verkennen. Ganz ähnlich stehn die Dinge auf dem Gebiete der Befestig un gö- nnt Belagerungskunst, welche gewissermaßen eine Kunst in der Kriegs¬ kunst ausmacht, etwa so wie die Kupferstecherkunst innerhalb der Maleret. — Die Zeit verbietet es mir jedoch, ans die stylistischen Unterschiede im Gebiet der Fortification einzugehen, so bezeichnend sie auch sein mögen; denn die größte und eingehendste Aufmerksamkeit verdient das zuletzt genannte, that¬ sächlich jedoch neben der Bewaffnung in erster Reihe stehende Urele- men>t der Kriegskunst: die Schaarung; denn sie ist der Ursprung der Taktik, die Entstehung der kriegerischen Gliederung für Lager, Marsch und Gefecht; und sieht man näher zu, so ergeben sich wieder die Kampf- formen des Fußvolks als Hauptgrundlage aller andern Kunstformen des Krieges. — Auf die Verdeutlichung jener Fußvolksschaarungen muß ich also den Nachdruck legen, wenn ich es versuche, Ihnen von der Geschichte des Styls in der Kriegskunst zu sprechen. Weitverbreitet ist der Jnstinct für taktische Schaarung. Er gehört keinesweges allein dem Menschen an, sondern auch vielen Thieren ward ihre durch Gefahren erzwungene gesellige Vereinigung der Anlaß zu taktischer Schaarung. Wie die Bienen vereint ihre kunstgerechten Zellen bauen, so erwehren sie sich auch des Eindringlings vereint in dichtem Schwärme. — In kriegsmäßiger Ordnung unternehmen die Wanderameisen ihre Züge, fallen über jeden Feind her und ver¬ nichten ihn, wie groß er immer sei, durch ihre ungeheure Ueberzahl. — In wohlge¬ ordneten Geschwadern steuern die Wandervögel dahin; sie fliegen in Marsch- Formen, welche das Abströmen der durchschnittenen Luft erleichtern und halten sich e"u -^.-r^ nur Richtung und Fühlung nie zu verlieren. Stundenlang -) V-rgl. Schlieben- Die Pfer.- Alterthums. NeuwKd. 1867.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/251>, abgerufen am 02.10.2024.