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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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die er nahm: in breiter Baumrinde barg er die Brust; dann kleidete er sich
in Thierhaut, und bildete Schilde aus Flechtwerk und Holz. Und nun waff-
nete er sich auch zum Trutz. Knorrige Aeste wurden ihm zur Keule, junger
Eschen Stämme zum Speer, scharfe Steine zu Messer und Dolch, und endlich
übte er gar die Kunst des Fernhintreffens -- anfangs durch rohen Wurf mit
Stein und Spieß, dann mit der Schleuder und dem Lasso und endlich mit
Bogen und Pfeil.

Die Herstellung eines solchen Schießgewehrs selbst in seiner einfachsten
Form erforderte ein Maaß von Vorkenntnissen, dessen Erlangung wohl Jahr¬
tausende erfordert haben mag,") und die Erfindung dieser Schußwaffe, welche
uralte Sagen mit dem Namen des Nimrod, jenes großen Jägers vor dem
Herren, in Verbindung bringen, erscheint als die Cardinal-Entwickelung in
der Geschichte des Waffenwesens überhaupt; -- unsere gewaltigsten Feuer-
schlünde wie unsere feinsten Repetirgewehre sind nur verschiedenartige Gestal¬
tungen jenes ersten prinzipiellen Fortschritts.

Inzwischen war sich der Mensch deutlich bewußt geworden, in wie hohem
Maaße die Waffe den Unterschied der Kräfte ausgleiche, und je mehr seine
Macht über das Thierreich wuchs, um so allgemeiner kehrte er die Waffe
nun auch gegen seinesgleichen, und an die Stelle des Faustkampfes trat das
Gefecht der Bewaffneten.

Die Beschaffenheit und Güte der Waffen äußerte natürlich einen bedeu¬
tenden Einfluß auf die Kampffähigkeit, welche überdies durch Geschicklichkeit
und Tüchtigkeit im Waffengebrauche bedingt war. Diese Eigenschaften aber
entsprangen wieder aus dem Genius der Völker, aus ihrer Lebensweise und
der Beschaffenheit ihres Landes. Die meisten asiatischen Völker z. B., wie die
Babylonier, Lyder, Perser und Parther, führten ausschließlich oder doch vor¬
wiegend Fern Waffen: Schleuder, Wurfspieß, Bogen, und entbehrten, mit
Ausnahme leichter Schilde, gewöhnlich der Schutzwaffen. Erst Cyrus gab den
Persern Harnisch, Schwert und Streitaxt, um sie für das Nahgefecht brauch¬
bar zu machen; während die Lieblingswaffe der Griechen von Anfang an
der Stoßspeer, die der Römer das Schwert war."") -- Also tritt schon in der
Bewaffnung der Völker früh und deutlich ein scharfer Unterschied des
Styls hervor.

Hand in Hand mit den Errungenschaften auf dem Gebiete der Bewaff¬
nung gingen aber drei andere große Fortschritte: erstens die Nutzbarmachung
der besiegten Thiere für den Kampf, zweitens der Beginn der Befestigungs¬
und Belagerungskunst und endlich die Vereinigung der Gesippen und Gesellen
für den Kriegszweck, also die Schaarung.

."..uriurv. 1'iU'is. 1824.




") vim-ivll MsÄsi LssAi sur Nüstoirs gvnviAls alö ZAhums. Berlin 1828.
") Vergl. (v. Cyriacy): Das Kriegswesen

die er nahm: in breiter Baumrinde barg er die Brust; dann kleidete er sich
in Thierhaut, und bildete Schilde aus Flechtwerk und Holz. Und nun waff-
nete er sich auch zum Trutz. Knorrige Aeste wurden ihm zur Keule, junger
Eschen Stämme zum Speer, scharfe Steine zu Messer und Dolch, und endlich
übte er gar die Kunst des Fernhintreffens — anfangs durch rohen Wurf mit
Stein und Spieß, dann mit der Schleuder und dem Lasso und endlich mit
Bogen und Pfeil.

Die Herstellung eines solchen Schießgewehrs selbst in seiner einfachsten
Form erforderte ein Maaß von Vorkenntnissen, dessen Erlangung wohl Jahr¬
tausende erfordert haben mag,") und die Erfindung dieser Schußwaffe, welche
uralte Sagen mit dem Namen des Nimrod, jenes großen Jägers vor dem
Herren, in Verbindung bringen, erscheint als die Cardinal-Entwickelung in
der Geschichte des Waffenwesens überhaupt; — unsere gewaltigsten Feuer-
schlünde wie unsere feinsten Repetirgewehre sind nur verschiedenartige Gestal¬
tungen jenes ersten prinzipiellen Fortschritts.

Inzwischen war sich der Mensch deutlich bewußt geworden, in wie hohem
Maaße die Waffe den Unterschied der Kräfte ausgleiche, und je mehr seine
Macht über das Thierreich wuchs, um so allgemeiner kehrte er die Waffe
nun auch gegen seinesgleichen, und an die Stelle des Faustkampfes trat das
Gefecht der Bewaffneten.

Die Beschaffenheit und Güte der Waffen äußerte natürlich einen bedeu¬
tenden Einfluß auf die Kampffähigkeit, welche überdies durch Geschicklichkeit
und Tüchtigkeit im Waffengebrauche bedingt war. Diese Eigenschaften aber
entsprangen wieder aus dem Genius der Völker, aus ihrer Lebensweise und
der Beschaffenheit ihres Landes. Die meisten asiatischen Völker z. B., wie die
Babylonier, Lyder, Perser und Parther, führten ausschließlich oder doch vor¬
wiegend Fern Waffen: Schleuder, Wurfspieß, Bogen, und entbehrten, mit
Ausnahme leichter Schilde, gewöhnlich der Schutzwaffen. Erst Cyrus gab den
Persern Harnisch, Schwert und Streitaxt, um sie für das Nahgefecht brauch¬
bar zu machen; während die Lieblingswaffe der Griechen von Anfang an
der Stoßspeer, die der Römer das Schwert war."") — Also tritt schon in der
Bewaffnung der Völker früh und deutlich ein scharfer Unterschied des
Styls hervor.

Hand in Hand mit den Errungenschaften auf dem Gebiete der Bewaff¬
nung gingen aber drei andere große Fortschritte: erstens die Nutzbarmachung
der besiegten Thiere für den Kampf, zweitens der Beginn der Befestigungs¬
und Belagerungskunst und endlich die Vereinigung der Gesippen und Gesellen
für den Kriegszweck, also die Schaarung.

.»..uriurv. 1'iU'is. 1824.




") vim-ivll MsÄsi LssAi sur Nüstoirs gvnviAls alö ZAhums. Berlin 1828.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/250>, abgerufen am 26.12.2024.