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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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einen Theil der Staatsgelder uncontrollirt, d. h. ohne Controlle der Oeffent-
lichkeit, zu verwenden genöthigt war. Die Controlle innerhalb der Regierung
selbst durch die ein für allemal dazu bestimmten Behörden soll und braucht
natürlich nicht ausgeschlossen zu werden. Zur Zeit Louis Philipp's brauchte man
die Verweigerung der geheimen Fonds als Chicane, wenn man ein Ministe¬
rium stürzen wollte. Aber kein Mensch dachte auch nur im Traume daran,
die Verwendung dieser Gelder einzustellen. Man wollte die Verwendung nur
gerade diesen Ministern nicht erlauben, um ihnen die Fortführung des
Amtes unmöglich zu machen. Unsere parlamentarischen Tugendhelden geber¬
den sich dagegen immer, als wäre die Verwendung dieser Gelder an sich et¬
was Unzulässiges, als führte sie zur Corruption. Wie weit hierbei Naivität
wie weit Heuchelei im Spiele, das wollen wir nicht untersuchen. Laster
machte dem ganzen Streit durch die schlagende Bemerkung ein Ende, ob das
wohl ein Gegenstand sei, sich zu überwerfen und einen großen Conflikt her¬
aufzubeschwören, mit einer Regierung von den Verdiensten der jetzigen. In
dieser Frage lag zugleich die Anerkennung der Unentbehrlichkeit dieser Aus¬
gaben. Denn würden sie nur aus Muthwillen gemacht, so würde die Re¬
gierung ihrerseits keinen Conflikt darum erheben.

Am 29. Januar gab die Dotation für den altkatholischen Bischof --
übrigens nicht als Dotation, sondern als "Bedürfnißzuschuß" bezeichnet --
im Betrag von 16,000 Thlr. also wiederum eine höchst geringfügige Summe,
den unvermeidlichen Anlaß zu einem Kampf zwischen dem Centrum und den
liberalen Fraktionen in der großen Tagesfrage. Denn welches auch die beson¬
deren Anlässe sind, die Frage ist immer nur die Eine zwischen dem deutschen
Nationalstaat und dem römischen Priesterstaat. Nun hat die preußische
Staatsregierung durch die im vorigen Monat eingebrachten zwei Gesetzent¬
würfe zur Ergänzung der Maigesetze, namentlich durch den Entwurf über die
Verwaltung der erledigten Bisthümer, einen so gewaltigen Schritt gethan
zur Weiterführung dieser Frage, daß vor der Verhandlung dieses Gesetzent¬
wurfes die kleinen Plänkeleien, die noch vorangehen werden, nur ein mäßi¬
ges Interesse in Anspruch nehmen können. Dies trifft auch die Verhandlung
vom 29. Januar. Die Herren Reichensperger und v. Mallinckrodt brachten
allerlei scharfsinniges bei, um zu beweisen, daß der Staat, wenn er wolle,
zwar eine neue kirchliche Gemeinschaft ausstatten, aber nimmermehr einen
katholischen Bischof dotiren könne gegen den Willen des Papstes und
außerhalb der die Eintheilung der Bisthümer festsetzenden Bulle as hö-Julo
avimarum vom Jahre 1821. Diese Bulle sei durch Cabinetsordre für Preu¬
ßen Gesetz geworden nach dem Gebrauch des ehemaligen absoluten Staates
u. s. w- Herr v. Mallinckrodt führte in seiner Weise sehr gut aus, daß man
für die Schaffung einer Obrigkeit nicht nach Belieben auf einen Wahlmodus,


einen Theil der Staatsgelder uncontrollirt, d. h. ohne Controlle der Oeffent-
lichkeit, zu verwenden genöthigt war. Die Controlle innerhalb der Regierung
selbst durch die ein für allemal dazu bestimmten Behörden soll und braucht
natürlich nicht ausgeschlossen zu werden. Zur Zeit Louis Philipp's brauchte man
die Verweigerung der geheimen Fonds als Chicane, wenn man ein Ministe¬
rium stürzen wollte. Aber kein Mensch dachte auch nur im Traume daran,
die Verwendung dieser Gelder einzustellen. Man wollte die Verwendung nur
gerade diesen Ministern nicht erlauben, um ihnen die Fortführung des
Amtes unmöglich zu machen. Unsere parlamentarischen Tugendhelden geber¬
den sich dagegen immer, als wäre die Verwendung dieser Gelder an sich et¬
was Unzulässiges, als führte sie zur Corruption. Wie weit hierbei Naivität
wie weit Heuchelei im Spiele, das wollen wir nicht untersuchen. Laster
machte dem ganzen Streit durch die schlagende Bemerkung ein Ende, ob das
wohl ein Gegenstand sei, sich zu überwerfen und einen großen Conflikt her¬
aufzubeschwören, mit einer Regierung von den Verdiensten der jetzigen. In
dieser Frage lag zugleich die Anerkennung der Unentbehrlichkeit dieser Aus¬
gaben. Denn würden sie nur aus Muthwillen gemacht, so würde die Re¬
gierung ihrerseits keinen Conflikt darum erheben.

Am 29. Januar gab die Dotation für den altkatholischen Bischof —
übrigens nicht als Dotation, sondern als „Bedürfnißzuschuß" bezeichnet —
im Betrag von 16,000 Thlr. also wiederum eine höchst geringfügige Summe,
den unvermeidlichen Anlaß zu einem Kampf zwischen dem Centrum und den
liberalen Fraktionen in der großen Tagesfrage. Denn welches auch die beson¬
deren Anlässe sind, die Frage ist immer nur die Eine zwischen dem deutschen
Nationalstaat und dem römischen Priesterstaat. Nun hat die preußische
Staatsregierung durch die im vorigen Monat eingebrachten zwei Gesetzent¬
würfe zur Ergänzung der Maigesetze, namentlich durch den Entwurf über die
Verwaltung der erledigten Bisthümer, einen so gewaltigen Schritt gethan
zur Weiterführung dieser Frage, daß vor der Verhandlung dieses Gesetzent¬
wurfes die kleinen Plänkeleien, die noch vorangehen werden, nur ein mäßi¬
ges Interesse in Anspruch nehmen können. Dies trifft auch die Verhandlung
vom 29. Januar. Die Herren Reichensperger und v. Mallinckrodt brachten
allerlei scharfsinniges bei, um zu beweisen, daß der Staat, wenn er wolle,
zwar eine neue kirchliche Gemeinschaft ausstatten, aber nimmermehr einen
katholischen Bischof dotiren könne gegen den Willen des Papstes und
außerhalb der die Eintheilung der Bisthümer festsetzenden Bulle as hö-Julo
avimarum vom Jahre 1821. Diese Bulle sei durch Cabinetsordre für Preu¬
ßen Gesetz geworden nach dem Gebrauch des ehemaligen absoluten Staates
u. s. w- Herr v. Mallinckrodt führte in seiner Weise sehr gut aus, daß man
für die Schaffung einer Obrigkeit nicht nach Belieben auf einen Wahlmodus,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/238>, abgerufen am 02.10.2024.