Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.Da er hinaus zum Thore kam, Und einen andern Trost kennt das Volk nicht als den, daß auch der Auf genau demselben religiösen Standpunkte steht der Tanhäuser Wag¬ Da ekelte mich der holde Sang. -- Also echt mittelalterliche Befangenheit, Verwechslung zwischen dem Spruch Da er hinaus zum Thore kam, Und einen andern Trost kennt das Volk nicht als den, daß auch der Auf genau demselben religiösen Standpunkte steht der Tanhäuser Wag¬ Da ekelte mich der holde Sang. — Also echt mittelalterliche Befangenheit, Verwechslung zwischen dem Spruch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/130878"/> <quote> Da er hinaus zum Thore kam,<lb/> Begegnet ihm unsre liebe Frauen:<lb/> Behüt Dich Gott, Du reine Magd,<lb/> Dich darf ich nimmer anschauen.</quote><lb/> <p xml:id="ID_745"> Und einen andern Trost kennt das Volk nicht als den, daß auch der<lb/> hartherzige Papst auf ewig verloren sei (das. S. 49).</p><lb/> <p xml:id="ID_746"> Auf genau demselben religiösen Standpunkte steht der Tanhäuser Wag¬<lb/> ner's. Vom Papste verstoßen, glaubt, er sich den Himmel verschlossen. Und<lb/> da er das Gute bisher nicht gethan hat, weil es gut, sondern weil es ange¬<lb/> nehm war, so kehrt er jetzt, wo die gehoffte Belohnung ausbleibt, cousequenter<lb/> Weise zu der Liebeshölle im Venusberge zurück. Ein erlösender Schluß war<lb/> aber nothwendig. Correct im Sinne der Sage, nur sie fortführend, wäre<lb/> nun der folgende: Tanhäuser will sich der Venus wieder in die Arme stürzen,<lb/> Wolfram hält ihn auf und ringt mit ihm, da ertönen die Jubelweisen der<lb/> heimkehrenden Pilger, sie tragen den blühenden Stab zum Zeichen der gött¬<lb/> lichen Gnade, der Spuk verschwindet, Tanhäuser umarmt das himmlische Ver¬<lb/> söhnungszeichen und stirbt. Dieser Verlauf der Sage wäre nun zwar folge¬<lb/> recht. Aber Wagner's Absichten entsprach er nicht. Tanhäuser verlöre da¬<lb/> durch ja alle Größe, alles Titanenhafte; er würde ein kleinliches, des Lobes<lb/> und Tadels bedürftiges Menschenkind. , Und der Sinn würde einfach der<lb/> sein: Reue macht selig, ohne menschliche Vermittlung, rein durch göttliche<lb/> Gnade. Dieser Sinn ist aber der reinste Ausdruck, dessen die Sage fähig ist.<lb/> Wagner wollte ihn nicht. Warum wählte er dann diesen Stoff? — Indeß<lb/> einerlei, wenn nur seine Veränderungen einen befriedigenden Gedanken er¬<lb/> gäben. Deren sind zwei: die eine ist nur angedeutet: ein Zweifel Tanhäusers<lb/> an der Wahrheit des Christenthums. Als der Verstoßene die frohen Gnaden¬<lb/> lieder der Entführten hört:</p><lb/> <quote> Da ekelte mich der holde Sang. —<lb/> Bon der Verheißung lügnerischen Klang,<lb/> Der eiseskalt mir durch die Seele schnitt,<lb/> Trieb Grauen mich hinweg mit wildem Schritt.</quote><lb/> <p xml:id="ID_747"> Also echt mittelalterliche Befangenheit, Verwechslung zwischen dem Spruch<lb/> des Papstes und dem Urtheil Gottes. Diesen Gedanken brauchen wir wohl<lb/> nicht Wetter zu analystren. Die zweite Aenderung ist der Tod der Elisabeth<lb/> mit seinen Folgen. Der verzweifelnde, kleinmüthige, leidenschaftliche Sänger<lb/> wird plötzlich an das engelretne Wesen erinnert, das eine Zeit lang sein Herz<lb/> erfüllt hat. Was nun in ihm vorgeht, hat der Dichter im Unklaren gelassen.<lb/> Genug, Tanhäuser sinkt neben der Leiche nieder, und mit einem Worte der<lb/> Hoffnung haucht er sein Leben aus. Erst alsdann erscheinen die Pilger mit<lb/> dem blühenden Stäbe, zum Zeichen, daß jene Hoffnung erfüllt sei.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0234]
Da er hinaus zum Thore kam,
Begegnet ihm unsre liebe Frauen:
Behüt Dich Gott, Du reine Magd,
Dich darf ich nimmer anschauen.
Und einen andern Trost kennt das Volk nicht als den, daß auch der
hartherzige Papst auf ewig verloren sei (das. S. 49).
Auf genau demselben religiösen Standpunkte steht der Tanhäuser Wag¬
ner's. Vom Papste verstoßen, glaubt, er sich den Himmel verschlossen. Und
da er das Gute bisher nicht gethan hat, weil es gut, sondern weil es ange¬
nehm war, so kehrt er jetzt, wo die gehoffte Belohnung ausbleibt, cousequenter
Weise zu der Liebeshölle im Venusberge zurück. Ein erlösender Schluß war
aber nothwendig. Correct im Sinne der Sage, nur sie fortführend, wäre
nun der folgende: Tanhäuser will sich der Venus wieder in die Arme stürzen,
Wolfram hält ihn auf und ringt mit ihm, da ertönen die Jubelweisen der
heimkehrenden Pilger, sie tragen den blühenden Stab zum Zeichen der gött¬
lichen Gnade, der Spuk verschwindet, Tanhäuser umarmt das himmlische Ver¬
söhnungszeichen und stirbt. Dieser Verlauf der Sage wäre nun zwar folge¬
recht. Aber Wagner's Absichten entsprach er nicht. Tanhäuser verlöre da¬
durch ja alle Größe, alles Titanenhafte; er würde ein kleinliches, des Lobes
und Tadels bedürftiges Menschenkind. , Und der Sinn würde einfach der
sein: Reue macht selig, ohne menschliche Vermittlung, rein durch göttliche
Gnade. Dieser Sinn ist aber der reinste Ausdruck, dessen die Sage fähig ist.
Wagner wollte ihn nicht. Warum wählte er dann diesen Stoff? — Indeß
einerlei, wenn nur seine Veränderungen einen befriedigenden Gedanken er¬
gäben. Deren sind zwei: die eine ist nur angedeutet: ein Zweifel Tanhäusers
an der Wahrheit des Christenthums. Als der Verstoßene die frohen Gnaden¬
lieder der Entführten hört:
Da ekelte mich der holde Sang. —
Bon der Verheißung lügnerischen Klang,
Der eiseskalt mir durch die Seele schnitt,
Trieb Grauen mich hinweg mit wildem Schritt.
Also echt mittelalterliche Befangenheit, Verwechslung zwischen dem Spruch
des Papstes und dem Urtheil Gottes. Diesen Gedanken brauchen wir wohl
nicht Wetter zu analystren. Die zweite Aenderung ist der Tod der Elisabeth
mit seinen Folgen. Der verzweifelnde, kleinmüthige, leidenschaftliche Sänger
wird plötzlich an das engelretne Wesen erinnert, das eine Zeit lang sein Herz
erfüllt hat. Was nun in ihm vorgeht, hat der Dichter im Unklaren gelassen.
Genug, Tanhäuser sinkt neben der Leiche nieder, und mit einem Worte der
Hoffnung haucht er sein Leben aus. Erst alsdann erscheinen die Pilger mit
dem blühenden Stäbe, zum Zeichen, daß jene Hoffnung erfüllt sei.
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