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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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denen allemal der Ehrenplatz selbst vor dem Pferde gebührt, indem recht eigent¬
lich an das Rind der Uebergang der Völker von rohen Zuständen zu culti-
virteren geknüpft ist; mit ihm beginnen Viehzucht und Ackerbau; daher die
große Rolle, welche dieses nützlichste Hausthier spielt, dem über 200 Seiten
des Werkes gewidmet sind. Pferd, Esel, Schaf, Schwein, Hund. Katze, die
kleinen Raubthiere, Hasen, Elephant, Löwen u. s. w. folgen. Der letztere,
das recht eigentlich königliche Thier -- wurde doch in Griechenland der König
geradezu genannt -- kann uns ein Beispiel für die Urverwandtschaft
indogermanischer Mythen und deren hohes Alter sein. Warum spielt der
Löwe denn in unsren Sagen und Märchen eine so große Rolle? Doch sicher,
weil unser Volk ihn in seiner ganzen Kraft und Majestät in der Urheimat,
in Asten, kennen lernte und heute noch die Erinnerung daran bewahrt.
Wolfdietrich und andere Helden haben ihn als Abzeichen, noch jetzt ist er eins
der beliebtesten Wappenthiere, Hildebrands Roß hieß Löwe, die Recken der
Heidenzeit ziehen auf die Löwenjagd.

Unter die Thiere der Luft mischen sich Fabelwesen wie Phönix, Harpye
und Greif, die wo sie bei europäischen Völkern vorkommen, gleichfalls eine
Erinnerung an die Thiergestalten Asiens bergen, welche fabelhafte Formen
annehmen. Neben unsern gewöhnlichen Vögeln spielen Pfau und Papagei
eine Rolle, wie unter den Wasserthieren (Fischen, Kröten, Fröschen) die
Schlange und die Wasserungeheuer.

Da wir, schon des Raumes wegen> einen der größern Abschnitte des
trefflichen Werks, wie jenen über Kuh und Stier, hier nicht analysiren können,
so wählen wir dazu einen kleinern aus, jenen über die Spinne, die ihr
Netz gleichsam über alle indogermanischen Lande ausspannt. Der Verfasser
führt von ihr den deutschen Spruch an:


Eine Spinne am Abend
Ist erquickend und labend;
Eine Spinne am Morgen
Bringt Kummer und Sorgen.

Wir können dem beifügen, daß der Franzose denselben Aberglauben theilt,
denn er sagt:


^.raiznös ein in"tin
Org-na odaZriu;
^raiZnöo an soir
(Zranä ssxoir.

Und in der Heimat des Verfassers, in Toskana, denkt das Volk ebenso,
denn es glaubt, daß man eine am Abend erblickte Spinne nicht verbrennen
dürfe, da sie glückbringend ist, während sie, am Morgen gesehen, verbrannt
werden muß, ohne daß man sie anrührt. Das ist der Ausgangspunkt der


denen allemal der Ehrenplatz selbst vor dem Pferde gebührt, indem recht eigent¬
lich an das Rind der Uebergang der Völker von rohen Zuständen zu culti-
virteren geknüpft ist; mit ihm beginnen Viehzucht und Ackerbau; daher die
große Rolle, welche dieses nützlichste Hausthier spielt, dem über 200 Seiten
des Werkes gewidmet sind. Pferd, Esel, Schaf, Schwein, Hund. Katze, die
kleinen Raubthiere, Hasen, Elephant, Löwen u. s. w. folgen. Der letztere,
das recht eigentlich königliche Thier — wurde doch in Griechenland der König
geradezu genannt — kann uns ein Beispiel für die Urverwandtschaft
indogermanischer Mythen und deren hohes Alter sein. Warum spielt der
Löwe denn in unsren Sagen und Märchen eine so große Rolle? Doch sicher,
weil unser Volk ihn in seiner ganzen Kraft und Majestät in der Urheimat,
in Asten, kennen lernte und heute noch die Erinnerung daran bewahrt.
Wolfdietrich und andere Helden haben ihn als Abzeichen, noch jetzt ist er eins
der beliebtesten Wappenthiere, Hildebrands Roß hieß Löwe, die Recken der
Heidenzeit ziehen auf die Löwenjagd.

Unter die Thiere der Luft mischen sich Fabelwesen wie Phönix, Harpye
und Greif, die wo sie bei europäischen Völkern vorkommen, gleichfalls eine
Erinnerung an die Thiergestalten Asiens bergen, welche fabelhafte Formen
annehmen. Neben unsern gewöhnlichen Vögeln spielen Pfau und Papagei
eine Rolle, wie unter den Wasserthieren (Fischen, Kröten, Fröschen) die
Schlange und die Wasserungeheuer.

Da wir, schon des Raumes wegen> einen der größern Abschnitte des
trefflichen Werks, wie jenen über Kuh und Stier, hier nicht analysiren können,
so wählen wir dazu einen kleinern aus, jenen über die Spinne, die ihr
Netz gleichsam über alle indogermanischen Lande ausspannt. Der Verfasser
führt von ihr den deutschen Spruch an:


Eine Spinne am Abend
Ist erquickend und labend;
Eine Spinne am Morgen
Bringt Kummer und Sorgen.

Wir können dem beifügen, daß der Franzose denselben Aberglauben theilt,
denn er sagt:


^.raiznös ein in»tin
Org-na odaZriu;
^raiZnöo an soir
(Zranä ssxoir.

Und in der Heimat des Verfassers, in Toskana, denkt das Volk ebenso,
denn es glaubt, daß man eine am Abend erblickte Spinne nicht verbrennen
dürfe, da sie glückbringend ist, während sie, am Morgen gesehen, verbrannt
werden muß, ohne daß man sie anrührt. Das ist der Ausgangspunkt der


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[0218] denen allemal der Ehrenplatz selbst vor dem Pferde gebührt, indem recht eigent¬ lich an das Rind der Uebergang der Völker von rohen Zuständen zu culti- virteren geknüpft ist; mit ihm beginnen Viehzucht und Ackerbau; daher die große Rolle, welche dieses nützlichste Hausthier spielt, dem über 200 Seiten des Werkes gewidmet sind. Pferd, Esel, Schaf, Schwein, Hund. Katze, die kleinen Raubthiere, Hasen, Elephant, Löwen u. s. w. folgen. Der letztere, das recht eigentlich königliche Thier — wurde doch in Griechenland der König geradezu genannt — kann uns ein Beispiel für die Urverwandtschaft indogermanischer Mythen und deren hohes Alter sein. Warum spielt der Löwe denn in unsren Sagen und Märchen eine so große Rolle? Doch sicher, weil unser Volk ihn in seiner ganzen Kraft und Majestät in der Urheimat, in Asten, kennen lernte und heute noch die Erinnerung daran bewahrt. Wolfdietrich und andere Helden haben ihn als Abzeichen, noch jetzt ist er eins der beliebtesten Wappenthiere, Hildebrands Roß hieß Löwe, die Recken der Heidenzeit ziehen auf die Löwenjagd. Unter die Thiere der Luft mischen sich Fabelwesen wie Phönix, Harpye und Greif, die wo sie bei europäischen Völkern vorkommen, gleichfalls eine Erinnerung an die Thiergestalten Asiens bergen, welche fabelhafte Formen annehmen. Neben unsern gewöhnlichen Vögeln spielen Pfau und Papagei eine Rolle, wie unter den Wasserthieren (Fischen, Kröten, Fröschen) die Schlange und die Wasserungeheuer. Da wir, schon des Raumes wegen> einen der größern Abschnitte des trefflichen Werks, wie jenen über Kuh und Stier, hier nicht analysiren können, so wählen wir dazu einen kleinern aus, jenen über die Spinne, die ihr Netz gleichsam über alle indogermanischen Lande ausspannt. Der Verfasser führt von ihr den deutschen Spruch an: Eine Spinne am Abend Ist erquickend und labend; Eine Spinne am Morgen Bringt Kummer und Sorgen. Wir können dem beifügen, daß der Franzose denselben Aberglauben theilt, denn er sagt: ^.raiznös ein in»tin Org-na odaZriu; ^raiZnöo an soir (Zranä ssxoir. Und in der Heimat des Verfassers, in Toskana, denkt das Volk ebenso, denn es glaubt, daß man eine am Abend erblickte Spinne nicht verbrennen dürfe, da sie glückbringend ist, während sie, am Morgen gesehen, verbrannt werden muß, ohne daß man sie anrührt. Das ist der Ausgangspunkt der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/218>, abgerufen am 26.12.2024.