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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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nach wie vor ausschließlich ihre alten Ziele. Raoul Duval, der vielgewandte
und vielgewandelte, hat am- 12^ d.M. die Fahne einer rein macmahonistischen,
d. h. einer unter Verleugnung all der hergebrachten Doctrinen und Bestre¬
bungen auf die Befestigung der siebenjährigen Präsidentschaft gerichteten
Partei aufgepflanzt. Schwerlich hat sich ihm ein ehrlich Gleichgesinnter gesellt;
ja wer weiß, ob er selbst bei der Fahne ist, selbst wenn es sich bewahrheiten
sollte, daß er. in weiterem Verfolg seines neulichen Auftretens, ein Plebiscit
zur Sanctionirung der Mac Mahon'schen Gewalten beantragen will. So
wiederholt sich immer die alte Beobachtung: kopf- und gewissenlos treiben
die Parteien dieser in der öffentlichen Meinung längst diScreditirten Versamm¬
lung ihre Unwesen weiter, während im Hintergrunde immer unverkennbarer
die nackte Militärdiktatur ihrer Stunde entgegenharrt.

Unmittelbar nachdem das Gewitter im Innern sich in blauen Dunst ver¬
flüchtigt, zeigte sich der Horizont des Auswärtigen voll drohender Wolken.
Schon seit den Weihnachtstagen war die Atmosphäre ein wenig verdächtig
geworden. Die Hirtenbriefe gewisser Bischöfe hatten eine kleine Spannung
mit Deutschland verursacht, der famose "Orenoque" und verschiedene andere
klerikale Liebenswürdigkeiten verdarben den Italienern die gute Laune. Woher
indeß Anfang voriger Woche die acuten Kriegsgerüchte entstanden, ist nicht
aufgeklärt. Genug, sie waren da; an der Börse verursachten sie Panik, in
der ganzen Bevölkerung Besorgniß. Obendrein traf dann noch die Kunde
von einem Artikel der "Nordd. Allg. Ztg." ein. welcher Frankreich für den Fall,
daß es sich zum Werkzeug des Ultramontanismus mache, den Frieden kündige.
Nun war der schwarzsichtigsten Phantasie Thür und Thor geöffnet. Die
Einen erkannten in dem Artikel ein Anzeichen, daß Fürst Bismarck Angesichts
des Ausfalls der Wahlen zum deutschen Reichstage eine auswärtige Diversion
beabsichtige; die Anderen wußten sogar bereits, was der deutsche Reichskanzler
zum nasus dölli zu machen gedenke, nämlich -- den "Orenoque"; und sogar
der Verstand der Verständigen, das "Journal des Debats" hub an, über die
nimmersatten deutschen Einmischungsgelüste zu klagen, mit welchen wir es u. a.
wieder einmal auf -- Spanien abgesehen haben sollten! Immerhin
mögen die Beängstigungen nicht ganz ohne Grund gewesen sein. Graf
Arnim wird wohl in Versailles über so manche Dinge einmal eine etwas
ernstere Sprache geführt haben; alsdann thaten die geschäftige Fama und
das böse Gewissen das Ihrige.

Der Schreckschuß hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Niemals ist Frank-
reichs officiöse Presse zuvorkommender gegen Deutschland gewesen, als in
diesem Augenblicke. Sie versicherte sogar, daß der in jenem Artikel des Ber¬
liner officiösen Organs entwickelte Standpunkt die guten Beziehungen zwischen
Deutschland und Frankreich nur befestigen könne, da letzteres nicht daran


nach wie vor ausschließlich ihre alten Ziele. Raoul Duval, der vielgewandte
und vielgewandelte, hat am- 12^ d.M. die Fahne einer rein macmahonistischen,
d. h. einer unter Verleugnung all der hergebrachten Doctrinen und Bestre¬
bungen auf die Befestigung der siebenjährigen Präsidentschaft gerichteten
Partei aufgepflanzt. Schwerlich hat sich ihm ein ehrlich Gleichgesinnter gesellt;
ja wer weiß, ob er selbst bei der Fahne ist, selbst wenn es sich bewahrheiten
sollte, daß er. in weiterem Verfolg seines neulichen Auftretens, ein Plebiscit
zur Sanctionirung der Mac Mahon'schen Gewalten beantragen will. So
wiederholt sich immer die alte Beobachtung: kopf- und gewissenlos treiben
die Parteien dieser in der öffentlichen Meinung längst diScreditirten Versamm¬
lung ihre Unwesen weiter, während im Hintergrunde immer unverkennbarer
die nackte Militärdiktatur ihrer Stunde entgegenharrt.

Unmittelbar nachdem das Gewitter im Innern sich in blauen Dunst ver¬
flüchtigt, zeigte sich der Horizont des Auswärtigen voll drohender Wolken.
Schon seit den Weihnachtstagen war die Atmosphäre ein wenig verdächtig
geworden. Die Hirtenbriefe gewisser Bischöfe hatten eine kleine Spannung
mit Deutschland verursacht, der famose „Orenoque" und verschiedene andere
klerikale Liebenswürdigkeiten verdarben den Italienern die gute Laune. Woher
indeß Anfang voriger Woche die acuten Kriegsgerüchte entstanden, ist nicht
aufgeklärt. Genug, sie waren da; an der Börse verursachten sie Panik, in
der ganzen Bevölkerung Besorgniß. Obendrein traf dann noch die Kunde
von einem Artikel der „Nordd. Allg. Ztg." ein. welcher Frankreich für den Fall,
daß es sich zum Werkzeug des Ultramontanismus mache, den Frieden kündige.
Nun war der schwarzsichtigsten Phantasie Thür und Thor geöffnet. Die
Einen erkannten in dem Artikel ein Anzeichen, daß Fürst Bismarck Angesichts
des Ausfalls der Wahlen zum deutschen Reichstage eine auswärtige Diversion
beabsichtige; die Anderen wußten sogar bereits, was der deutsche Reichskanzler
zum nasus dölli zu machen gedenke, nämlich — den „Orenoque"; und sogar
der Verstand der Verständigen, das „Journal des Debats" hub an, über die
nimmersatten deutschen Einmischungsgelüste zu klagen, mit welchen wir es u. a.
wieder einmal auf — Spanien abgesehen haben sollten! Immerhin
mögen die Beängstigungen nicht ganz ohne Grund gewesen sein. Graf
Arnim wird wohl in Versailles über so manche Dinge einmal eine etwas
ernstere Sprache geführt haben; alsdann thaten die geschäftige Fama und
das böse Gewissen das Ihrige.

Der Schreckschuß hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Niemals ist Frank-
reichs officiöse Presse zuvorkommender gegen Deutschland gewesen, als in
diesem Augenblicke. Sie versicherte sogar, daß der in jenem Artikel des Ber¬
liner officiösen Organs entwickelte Standpunkt die guten Beziehungen zwischen
Deutschland und Frankreich nur befestigen könne, da letzteres nicht daran


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/198>, abgerufen am 26.12.2024.