Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.Consequenzen der conziliaren Theorie zu fügen: thatsächlich war ja sein Stand¬ Gewiß, nothwendig war eine Reform in den Beziehungen der einzelnen Die Restauration des päpstlichen Absolutismus in der Kirche, die unauf¬ Consequenzen der conziliaren Theorie zu fügen: thatsächlich war ja sein Stand¬ Gewiß, nothwendig war eine Reform in den Beziehungen der einzelnen Die Restauration des päpstlichen Absolutismus in der Kirche, die unauf¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0181" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/130825"/> <p xml:id="ID_540" prev="#ID_539"> Consequenzen der conziliaren Theorie zu fügen: thatsächlich war ja sein Stand¬<lb/> punkt von vornherein ein ganz anderer als der seines Vorgängers zu Costnitz.<lb/> Das Conzil seinerseits — wenn seine Existenz überhaupt einen Sinn haben<lb/> sollte, zu einer Zeit, da kein Schisma in der Kirche zu bekämpfen war, —<lb/> mußte jetzt zu den detaillirten Maßregeln kommen, durch welche das neue<lb/> Organ kirchlichen Wesens in die vom Papstthum bisher absolut regierte Kirche<lb/> und ihre Verfassungsordnung hineingezwängt werden sollte. In Costnitz hatte<lb/> man theoretisch von der Autorität des Conziles gehandelt, und faktisch dem<lb/> Papstthum alle Macht und allen Einfluß überlassen. Es ging nicht an, in<lb/> Basel diesen Vorgang einfach zu wiederholen: wollte man wirklich dem Con-<lb/> zile eine mehr als theoretische oder phrasenhafte Bedeutung beilegen, so mußte<lb/> man ihm in irgend einer Weise irgend einen faktischen Einfluß auf die Kirche<lb/> verschaffen. Kein Mensch konnte aber erwarten, daß gutwillig das Papstthum<lb/> aus dem Besitze seiner Macht einzelne Stücke an jene neue Theorie opfern<lb/> oder herausgeben würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_541"> Gewiß, nothwendig war eine Reform in den Beziehungen der einzelnen<lb/> Kirchen zum universalen und allmächtigen Bischöfe von Rom: alle Welt ver¬<lb/> langte, alle Welt strebte nach derselben. Zunächst in diesem Punkte begann<lb/> das Conzil seine legislatorische Arbeit. Nachdem es theoretisch seine Ober¬<lb/> hoheit über das Papstthum decretirt hatte, traf es eine ganze Reihe von Ver¬<lb/> fügungen, welche der päpstlichen Allmacht ins Fleisch schnitten und in der<lb/> That die Kirche wesentlich anders gestalten mußten. Papst Eugen protestirte<lb/> dagegen mit Nachdruck. Er konnte darauf hinweisen, daß man durch jene<lb/> Reformen dem Papstthum den größten Theil seiner Einkünfte entziehen, ohne<lb/> ihm aus andern Quellen Ersatz zu schaffen, und damit die Möglichkeit der<lb/> Weiterexistenz für dasselbe in Frage stellen würde. Man beging in Basel<lb/> schwere taktische Fehler. Diese benutzte Eugen und brachte die großen Mächte<lb/> und die öffentliche Meinung Europas bald auf seine Seite. Als darauf das<lb/> Conzil zu seiner Absetzung und zur Erhebung eines neuen Papstes fortschritt,<lb/> hatte es sich seine Stützen untergraben: ein Schisma wollte die Christenheit<lb/> um keinen Preis noch einmal durchleben. Eugen's und des päpstlichen<lb/> Systemes Triumph über das Conzil war seit diesem Augenblick vollständig<lb/> und nachhaltig.</p><lb/> <p xml:id="ID_542" next="#ID_543"> Die Restauration des päpstlichen Absolutismus in der Kirche, die unauf¬<lb/> haltsam seit der Mitte des Is. Jahrhunderts eintrat, wurde dadurch ganz<lb/> besonders ermöglicht, daß die Päpste die Ausnutzung und Verwerthung ihrer<lb/> Herrschaftsrechte zum Theil den Staatsgewalten der einzelnen Länder über¬<lb/> trugen. Indem sie in der Praxis der landeskirchlichen Entwickelung manche<lb/> Conzessionen machten, gelang es ihnen theoretisch die päpstliche Unumschränkt¬<lb/> heit und Allmacht zu behaupten. Man trug Sorge, den Sieg über die con-<lb/> ziliare Tendenz in päpstlichen Bullen der Welt zu verkünden, die Berufung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0181]
Consequenzen der conziliaren Theorie zu fügen: thatsächlich war ja sein Stand¬
punkt von vornherein ein ganz anderer als der seines Vorgängers zu Costnitz.
Das Conzil seinerseits — wenn seine Existenz überhaupt einen Sinn haben
sollte, zu einer Zeit, da kein Schisma in der Kirche zu bekämpfen war, —
mußte jetzt zu den detaillirten Maßregeln kommen, durch welche das neue
Organ kirchlichen Wesens in die vom Papstthum bisher absolut regierte Kirche
und ihre Verfassungsordnung hineingezwängt werden sollte. In Costnitz hatte
man theoretisch von der Autorität des Conziles gehandelt, und faktisch dem
Papstthum alle Macht und allen Einfluß überlassen. Es ging nicht an, in
Basel diesen Vorgang einfach zu wiederholen: wollte man wirklich dem Con-
zile eine mehr als theoretische oder phrasenhafte Bedeutung beilegen, so mußte
man ihm in irgend einer Weise irgend einen faktischen Einfluß auf die Kirche
verschaffen. Kein Mensch konnte aber erwarten, daß gutwillig das Papstthum
aus dem Besitze seiner Macht einzelne Stücke an jene neue Theorie opfern
oder herausgeben würde.
Gewiß, nothwendig war eine Reform in den Beziehungen der einzelnen
Kirchen zum universalen und allmächtigen Bischöfe von Rom: alle Welt ver¬
langte, alle Welt strebte nach derselben. Zunächst in diesem Punkte begann
das Conzil seine legislatorische Arbeit. Nachdem es theoretisch seine Ober¬
hoheit über das Papstthum decretirt hatte, traf es eine ganze Reihe von Ver¬
fügungen, welche der päpstlichen Allmacht ins Fleisch schnitten und in der
That die Kirche wesentlich anders gestalten mußten. Papst Eugen protestirte
dagegen mit Nachdruck. Er konnte darauf hinweisen, daß man durch jene
Reformen dem Papstthum den größten Theil seiner Einkünfte entziehen, ohne
ihm aus andern Quellen Ersatz zu schaffen, und damit die Möglichkeit der
Weiterexistenz für dasselbe in Frage stellen würde. Man beging in Basel
schwere taktische Fehler. Diese benutzte Eugen und brachte die großen Mächte
und die öffentliche Meinung Europas bald auf seine Seite. Als darauf das
Conzil zu seiner Absetzung und zur Erhebung eines neuen Papstes fortschritt,
hatte es sich seine Stützen untergraben: ein Schisma wollte die Christenheit
um keinen Preis noch einmal durchleben. Eugen's und des päpstlichen
Systemes Triumph über das Conzil war seit diesem Augenblick vollständig
und nachhaltig.
Die Restauration des päpstlichen Absolutismus in der Kirche, die unauf¬
haltsam seit der Mitte des Is. Jahrhunderts eintrat, wurde dadurch ganz
besonders ermöglicht, daß die Päpste die Ausnutzung und Verwerthung ihrer
Herrschaftsrechte zum Theil den Staatsgewalten der einzelnen Länder über¬
trugen. Indem sie in der Praxis der landeskirchlichen Entwickelung manche
Conzessionen machten, gelang es ihnen theoretisch die päpstliche Unumschränkt¬
heit und Allmacht zu behaupten. Man trug Sorge, den Sieg über die con-
ziliare Tendenz in päpstlichen Bullen der Welt zu verkünden, die Berufung
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