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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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nachher das deutsche Kaiserthum legten mit der Weltherrschaft sich auch die
höchste Macht über die Abendländische Kirche bei. Seit der Mitte des 11.
Jahrhunderts erst beginnt die Zeit der Weltgeschichte, in der es den Päpsten
gelungen, ihre Theorien durchzusetzen und bis zu einem gewissen Grade die
Lage der Welt nach dem theoretischen Programme der absoluten Papstherr¬
schaft zu gestalten. Und mehr als drei Jahrhunderte lang hielt dieser Zustand
an: es ist die Blüthezeit der mittelalterlichen Kirche.

Grade wenn wir heute den Bruch mit diesem mittelalterlichen Kirchen-
thum als einen Fortschritt der Menschheit bezeichnen und preisen, wenn wir,
was uns betrifft, voll und ganz und prinzipiell jede Annäherung an jene
mittelalterlichen Prinzipien verwerfen und verabscheuen, grade dann sind
wir als Historiker zu dem Zugeständnisse verpflichtet, daß die Ideen der mittel¬
alterlichen Papstkirche in den bezeichneten Jahrhunderten des Mittelalters
am reinsten und am logischsten zur Darstellung gelangt sind. Sehr begreiflich
finden wir es, wenn ein Mensch, der auf dem Boden jener Lehren steht und
mit systematischer Logik die Consequenzen seiner Grundsätze zu ziehen sich nicht
scheuet, wenn ein solcher Mensch für die Zeiten Gregor's VII. und Innocenz III.
und Bonifaz VIII. schwärmt und ihre Rückkehr herbeisehnt!

Damals war die Einheit und das Centrum und der innerste Lebenskern
der Kirche im Papstthum umschlossen. Ohne Widerspruch nahm die gläubige
Christenheit die unfehlbaren Lehrentscheidungen des Papstes entgegen. Ohne
rechtliches Bedenken vereinigte in sich der Papst die Fülle aller Macht und
allen Rechtes, aller bisher selbständigen Gewalten der Kirche; ja es kann
keinem Zweifel unterliegen, daß Papst Gregor VII. nicht allein alle Würden
der Kirche von sich abhängig zu machen gedachte, sondern auch alles und
jedes Eigenthum und Besitzrecht der einzelnen Kirchen in seine Verfügung zu
bringen bestrebt war. Ihm war es genehm, durch den Spruch des höchsten
kirchlichen Rathes zu seinen Maßregeln und Edikten sich autorisiren zu lassen:
Conzile berief er wieder nach Rom, Conzile von Figuranten und Statisten,
vor denen er die Rolle des Weltherrschers tragirte. "Papst und Conzil"
haben wirklich formell auch in jener Zeit päpstlicher Weltherrschaft zusammen
gearbeitet; aber das Conzil, einberufen und geleitet und abhängig vom Papste,
war gleichsam das Schallrohr, durch das der Welt des Papstes Machtsprüche
zugingen, gleichsam der Resonanzboden, der die Stimme des Papstes, durch
die Stimme der Kirche verstärkt, in die Welt hinaushallte. So stellte sich das
Verhältniß im 12. und 13. Jahrhundert dar.

Nachdem es dem Papstthum gelungen, die Hoheit und Kraft des deut¬
schen Kaiserreiches zu brechen, kannten seine Ansprüche an die Weltregierung
kein Maaß mehr. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts nahm die päpstliche


nachher das deutsche Kaiserthum legten mit der Weltherrschaft sich auch die
höchste Macht über die Abendländische Kirche bei. Seit der Mitte des 11.
Jahrhunderts erst beginnt die Zeit der Weltgeschichte, in der es den Päpsten
gelungen, ihre Theorien durchzusetzen und bis zu einem gewissen Grade die
Lage der Welt nach dem theoretischen Programme der absoluten Papstherr¬
schaft zu gestalten. Und mehr als drei Jahrhunderte lang hielt dieser Zustand
an: es ist die Blüthezeit der mittelalterlichen Kirche.

Grade wenn wir heute den Bruch mit diesem mittelalterlichen Kirchen-
thum als einen Fortschritt der Menschheit bezeichnen und preisen, wenn wir,
was uns betrifft, voll und ganz und prinzipiell jede Annäherung an jene
mittelalterlichen Prinzipien verwerfen und verabscheuen, grade dann sind
wir als Historiker zu dem Zugeständnisse verpflichtet, daß die Ideen der mittel¬
alterlichen Papstkirche in den bezeichneten Jahrhunderten des Mittelalters
am reinsten und am logischsten zur Darstellung gelangt sind. Sehr begreiflich
finden wir es, wenn ein Mensch, der auf dem Boden jener Lehren steht und
mit systematischer Logik die Consequenzen seiner Grundsätze zu ziehen sich nicht
scheuet, wenn ein solcher Mensch für die Zeiten Gregor's VII. und Innocenz III.
und Bonifaz VIII. schwärmt und ihre Rückkehr herbeisehnt!

Damals war die Einheit und das Centrum und der innerste Lebenskern
der Kirche im Papstthum umschlossen. Ohne Widerspruch nahm die gläubige
Christenheit die unfehlbaren Lehrentscheidungen des Papstes entgegen. Ohne
rechtliches Bedenken vereinigte in sich der Papst die Fülle aller Macht und
allen Rechtes, aller bisher selbständigen Gewalten der Kirche; ja es kann
keinem Zweifel unterliegen, daß Papst Gregor VII. nicht allein alle Würden
der Kirche von sich abhängig zu machen gedachte, sondern auch alles und
jedes Eigenthum und Besitzrecht der einzelnen Kirchen in seine Verfügung zu
bringen bestrebt war. Ihm war es genehm, durch den Spruch des höchsten
kirchlichen Rathes zu seinen Maßregeln und Edikten sich autorisiren zu lassen:
Conzile berief er wieder nach Rom, Conzile von Figuranten und Statisten,
vor denen er die Rolle des Weltherrschers tragirte. „Papst und Conzil"
haben wirklich formell auch in jener Zeit päpstlicher Weltherrschaft zusammen
gearbeitet; aber das Conzil, einberufen und geleitet und abhängig vom Papste,
war gleichsam das Schallrohr, durch das der Welt des Papstes Machtsprüche
zugingen, gleichsam der Resonanzboden, der die Stimme des Papstes, durch
die Stimme der Kirche verstärkt, in die Welt hinaushallte. So stellte sich das
Verhältniß im 12. und 13. Jahrhundert dar.

Nachdem es dem Papstthum gelungen, die Hoheit und Kraft des deut¬
schen Kaiserreiches zu brechen, kannten seine Ansprüche an die Weltregierung
kein Maaß mehr. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts nahm die päpstliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/172>, abgerufen am 26.12.2024.