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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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zwischen Rhein und Mosel als eventuelle Abfindung für Frankreich in Vor¬
schlag gebracht haben soll, für eine Fälschung seiner Aeußerungen. Es war
das recht eigentlich ein opus super ervMtionis, denn die betreffenden Aeuße¬
rungen kennzeichnen lediglich den großen überlegenen Staatsmann. Hat der
Fürst sie nicht gethan, wie sie berichtet sind, hat der italienische Unterhändler
vielleicht geglaubt, sie berichten zu müssen, um seiner Regierung einige Hoff¬
nung zu lassen, daß Preußens Weigerung, keinen Zoll deutschen Gebietes ab¬
zutreten, ihr nicht Frankreichs Verbot der preußischen Allianz zuziehen werde
-- so ist dies historisch immerhin interessant und bei einem Unglücklichen,
dessen Leben in Geistesstörung geendigt hat, doppelt möglich. Sehr möglich,
daß dieser Unterhändler selbst bei einer mangelhaften geographischen Anschau¬
ung das rechte Moselufer aus eigner oder französischer Anregung für ein ge¬
eignetes Abfindungsobjekt gehalten, und als erhoffbar hingestellt hat, was er
verlangen sollte oder wollte. Der patriotische Ruf des Fürsten gewinnt da¬
durch nicht und verliert dadurch nicht, denn Jeder weiß, daß unter allen
Helden der deutschen Geschichte ihn keiner erreicht in Unnachgiebigkeit gegen
das Ausland. Friedrich der Große hat nicht vermeiden können, weiter als
Fürst Bismarck in der Nachgiebigkeit gegen Frankreich zu gehen. und Stein
nicht, in der Nachgiebigkeit gegen Rußland. Die Ehre, welche Fürst Bis¬
marck dem plumpen Sophisten anthat, war viel zu groß und verschaffte
dem Revenant der virorum odscurorum des 16. Jahrhunderts die Gelegen¬
heit zu neuen ebenso frechen als plumpen Fechterstreichen- Zunächst behaup¬
tete der vir odscurissimus, wenn Lcnnarmora einen ungenauen Bericht seines
damaligen Unterhändlers mitgetheilt -- dessen Ungenauigkeit ihm aber viel¬
leicht nicht bekannt war -- so mache Fürst Bismarck durch Feststellung der
Ungenauigkeit den General Lamarmora zum Lügner. Weiter behauptete der
on- obseurissimns, der Bericht Govon'es habe für Wahrheit genommen wer-
den müssen, weil er nach seiner Veröffentlichung keinen Widerspruch erfahren.
Als ob ein ehrlicher Mann verpflichtet wäre, alle Lügen zu widerlegen, welche
das Gesindel der ganzen Welt über ihn erfindet und nachplaudert. Vielmehr,
wer sich als Gläubigen solcher Lügen ausgiebt, zeigt unwidersprechlich, wohin
er gehört. Als der Ministerpräsident dies dem viro obscuro bemerkt hatte,
wurde der Sophist zur keifenden Waschfrau, und behauptete, Lamarmora habe
authentische Aktenstücke veröffentlicht. Ist denn Alles, was ein Gesandter be¬
richtet, authentisch, und kann es beim besten Willen des Berichterstatters
immer authentisch sein? Einen solchen Gebrauch des Wortes "authentisch"
kann nur eine Waschfrau in der Verlegenheit ihrer Bosheit machen.


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zwischen Rhein und Mosel als eventuelle Abfindung für Frankreich in Vor¬
schlag gebracht haben soll, für eine Fälschung seiner Aeußerungen. Es war
das recht eigentlich ein opus super ervMtionis, denn die betreffenden Aeuße¬
rungen kennzeichnen lediglich den großen überlegenen Staatsmann. Hat der
Fürst sie nicht gethan, wie sie berichtet sind, hat der italienische Unterhändler
vielleicht geglaubt, sie berichten zu müssen, um seiner Regierung einige Hoff¬
nung zu lassen, daß Preußens Weigerung, keinen Zoll deutschen Gebietes ab¬
zutreten, ihr nicht Frankreichs Verbot der preußischen Allianz zuziehen werde
— so ist dies historisch immerhin interessant und bei einem Unglücklichen,
dessen Leben in Geistesstörung geendigt hat, doppelt möglich. Sehr möglich,
daß dieser Unterhändler selbst bei einer mangelhaften geographischen Anschau¬
ung das rechte Moselufer aus eigner oder französischer Anregung für ein ge¬
eignetes Abfindungsobjekt gehalten, und als erhoffbar hingestellt hat, was er
verlangen sollte oder wollte. Der patriotische Ruf des Fürsten gewinnt da¬
durch nicht und verliert dadurch nicht, denn Jeder weiß, daß unter allen
Helden der deutschen Geschichte ihn keiner erreicht in Unnachgiebigkeit gegen
das Ausland. Friedrich der Große hat nicht vermeiden können, weiter als
Fürst Bismarck in der Nachgiebigkeit gegen Frankreich zu gehen. und Stein
nicht, in der Nachgiebigkeit gegen Rußland. Die Ehre, welche Fürst Bis¬
marck dem plumpen Sophisten anthat, war viel zu groß und verschaffte
dem Revenant der virorum odscurorum des 16. Jahrhunderts die Gelegen¬
heit zu neuen ebenso frechen als plumpen Fechterstreichen- Zunächst behaup¬
tete der vir odscurissimus, wenn Lcnnarmora einen ungenauen Bericht seines
damaligen Unterhändlers mitgetheilt — dessen Ungenauigkeit ihm aber viel¬
leicht nicht bekannt war — so mache Fürst Bismarck durch Feststellung der
Ungenauigkeit den General Lamarmora zum Lügner. Weiter behauptete der
on- obseurissimns, der Bericht Govon'es habe für Wahrheit genommen wer-
den müssen, weil er nach seiner Veröffentlichung keinen Widerspruch erfahren.
Als ob ein ehrlicher Mann verpflichtet wäre, alle Lügen zu widerlegen, welche
das Gesindel der ganzen Welt über ihn erfindet und nachplaudert. Vielmehr,
wer sich als Gläubigen solcher Lügen ausgiebt, zeigt unwidersprechlich, wohin
er gehört. Als der Ministerpräsident dies dem viro obscuro bemerkt hatte,
wurde der Sophist zur keifenden Waschfrau, und behauptete, Lamarmora habe
authentische Aktenstücke veröffentlicht. Ist denn Alles, was ein Gesandter be¬
richtet, authentisch, und kann es beim besten Willen des Berichterstatters
immer authentisch sein? Einen solchen Gebrauch des Wortes „authentisch"
kann nur eine Waschfrau in der Verlegenheit ihrer Bosheit machen.


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[0155] zwischen Rhein und Mosel als eventuelle Abfindung für Frankreich in Vor¬ schlag gebracht haben soll, für eine Fälschung seiner Aeußerungen. Es war das recht eigentlich ein opus super ervMtionis, denn die betreffenden Aeuße¬ rungen kennzeichnen lediglich den großen überlegenen Staatsmann. Hat der Fürst sie nicht gethan, wie sie berichtet sind, hat der italienische Unterhändler vielleicht geglaubt, sie berichten zu müssen, um seiner Regierung einige Hoff¬ nung zu lassen, daß Preußens Weigerung, keinen Zoll deutschen Gebietes ab¬ zutreten, ihr nicht Frankreichs Verbot der preußischen Allianz zuziehen werde — so ist dies historisch immerhin interessant und bei einem Unglücklichen, dessen Leben in Geistesstörung geendigt hat, doppelt möglich. Sehr möglich, daß dieser Unterhändler selbst bei einer mangelhaften geographischen Anschau¬ ung das rechte Moselufer aus eigner oder französischer Anregung für ein ge¬ eignetes Abfindungsobjekt gehalten, und als erhoffbar hingestellt hat, was er verlangen sollte oder wollte. Der patriotische Ruf des Fürsten gewinnt da¬ durch nicht und verliert dadurch nicht, denn Jeder weiß, daß unter allen Helden der deutschen Geschichte ihn keiner erreicht in Unnachgiebigkeit gegen das Ausland. Friedrich der Große hat nicht vermeiden können, weiter als Fürst Bismarck in der Nachgiebigkeit gegen Frankreich zu gehen. und Stein nicht, in der Nachgiebigkeit gegen Rußland. Die Ehre, welche Fürst Bis¬ marck dem plumpen Sophisten anthat, war viel zu groß und verschaffte dem Revenant der virorum odscurorum des 16. Jahrhunderts die Gelegen¬ heit zu neuen ebenso frechen als plumpen Fechterstreichen- Zunächst behaup¬ tete der vir odscurissimus, wenn Lcnnarmora einen ungenauen Bericht seines damaligen Unterhändlers mitgetheilt — dessen Ungenauigkeit ihm aber viel¬ leicht nicht bekannt war — so mache Fürst Bismarck durch Feststellung der Ungenauigkeit den General Lamarmora zum Lügner. Weiter behauptete der on- obseurissimns, der Bericht Govon'es habe für Wahrheit genommen wer- den müssen, weil er nach seiner Veröffentlichung keinen Widerspruch erfahren. Als ob ein ehrlicher Mann verpflichtet wäre, alle Lügen zu widerlegen, welche das Gesindel der ganzen Welt über ihn erfindet und nachplaudert. Vielmehr, wer sich als Gläubigen solcher Lügen ausgiebt, zeigt unwidersprechlich, wohin er gehört. Als der Ministerpräsident dies dem viro obscuro bemerkt hatte, wurde der Sophist zur keifenden Waschfrau, und behauptete, Lamarmora habe authentische Aktenstücke veröffentlicht. Ist denn Alles, was ein Gesandter be¬ richtet, authentisch, und kann es beim besten Willen des Berichterstatters immer authentisch sein? Einen solchen Gebrauch des Wortes „authentisch" kann nur eine Waschfrau in der Verlegenheit ihrer Bosheit machen. L —r.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/155>, abgerufen am 25.12.2024.