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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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armer Mann geladen werden. Viermal im Jahre wird das Gedächtniß der
abgestorbenen Brüder und Schwestern gefeiert, nämlich an den vier Fron¬
fasten. Es wird ein Seeland gesungen, die vier Kerzen und Kerzenstöcke
werden angezündet, die Ehefrauen der beiden alten und neuen Pfleger knien
dabei. Alle Beide sollen gegenwärtig sein, fünf Vaterunser, fünf Ave-Maria
und einen christlichen Glauben beten, "wie das von alter her Ordnung
und Brauch gewesen."

Zur Bestattung wird durch Umsagen geladen. Bei der Messe sollen
alle (mindestens einer aus jedem Hause, heißt es nach Hamburger Ordnung)
gegenwärtig sein. Die Kerzen brennen, die Frauen der Pfleger knien. Jedes
Seeland wird an den Gwardian mit 10 an den Schüler, der zu Altar
dient mit 1 ^ bezahlt. Der Umsager. eventuell auch ein Knabe, erhält 1
Der Pfleger wird für seine Mühwaltung bei den Bruderschaftsmahlen frei¬
gehalten.

Widersetzlichkeiten werden mit 1 Pfd. Wachs, bezüglich Untersagung des
Handwerkes durch "einen erlaubten Stadtweibel" und Ausstoßung bestraft, --
Hierauf folgen die üblichen Verordnungen über Jnhibirung nicht zünftiger
Fremder, Annahme und Unterhalt der Lehrjungen, Bußen, Rechnungs¬
legung u. a.

Somit dürfen wir also in den Lucasbruderschaften die Ausübung der¬
jenigen Zunftsobltegenheiten wiederfinden, die den ursprünglichen Kern der
Zunft ausmachten.

So sehr nun auch die Zünfte darauf bedacht waren, ihre Angelegenheiten
selbst zu ordnen, so ist eine Mitwirkung der staatlichen, respective städtischen
Macht immer, besonders aber in erster Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts
(einer vorübergehenden Periode allgemeiner socialer Dissolution) nöthig ge¬
blieben. Ueberall wo es sich um Executive, Verweisung fremder Meister u.
tgi. handelt, treten die städtischen Verwaltungsorgane ein. Dasselbe geschieht
zum Schutze des geistigen Eigenthums. Bei den sehr mangelhaften Begriffen,
die man über diesen Punkt hatte, bei der politischen Zersplitterung Deutsch¬
lands und der geringen Macht der Centralbehörden war nichts häufiger als
Nachdrucke, literarische und künstlerische Diebstähle. Darunter hatten natür¬
lich die renommirtesten Künstler am meisten zu leiden. Wie manches ^. v.,
welches später dem Kunstkritiker schwere Stunden verursacht hat, mag von
gewissenlosen Pfuschern unter ihr Werk gesetzt sein, um es desto besser zu
vertreiben.

Bekannt ist, wie sich der Nürnberger Magistrat in solchem Falle der
Wittwe Dürer's annahm. Dürer hatte auf eines seiner Werke, die Lehre von
der Perspektive, ein kaiserliches Privileg gegen den Nachdruck auf zehn Jahre
erhalten. Man übersetzte das Werk in das Lateinische, druckte es in Frank-


armer Mann geladen werden. Viermal im Jahre wird das Gedächtniß der
abgestorbenen Brüder und Schwestern gefeiert, nämlich an den vier Fron¬
fasten. Es wird ein Seeland gesungen, die vier Kerzen und Kerzenstöcke
werden angezündet, die Ehefrauen der beiden alten und neuen Pfleger knien
dabei. Alle Beide sollen gegenwärtig sein, fünf Vaterunser, fünf Ave-Maria
und einen christlichen Glauben beten, „wie das von alter her Ordnung
und Brauch gewesen."

Zur Bestattung wird durch Umsagen geladen. Bei der Messe sollen
alle (mindestens einer aus jedem Hause, heißt es nach Hamburger Ordnung)
gegenwärtig sein. Die Kerzen brennen, die Frauen der Pfleger knien. Jedes
Seeland wird an den Gwardian mit 10 an den Schüler, der zu Altar
dient mit 1 ^ bezahlt. Der Umsager. eventuell auch ein Knabe, erhält 1
Der Pfleger wird für seine Mühwaltung bei den Bruderschaftsmahlen frei¬
gehalten.

Widersetzlichkeiten werden mit 1 Pfd. Wachs, bezüglich Untersagung des
Handwerkes durch „einen erlaubten Stadtweibel" und Ausstoßung bestraft, —
Hierauf folgen die üblichen Verordnungen über Jnhibirung nicht zünftiger
Fremder, Annahme und Unterhalt der Lehrjungen, Bußen, Rechnungs¬
legung u. a.

Somit dürfen wir also in den Lucasbruderschaften die Ausübung der¬
jenigen Zunftsobltegenheiten wiederfinden, die den ursprünglichen Kern der
Zunft ausmachten.

So sehr nun auch die Zünfte darauf bedacht waren, ihre Angelegenheiten
selbst zu ordnen, so ist eine Mitwirkung der staatlichen, respective städtischen
Macht immer, besonders aber in erster Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts
(einer vorübergehenden Periode allgemeiner socialer Dissolution) nöthig ge¬
blieben. Ueberall wo es sich um Executive, Verweisung fremder Meister u.
tgi. handelt, treten die städtischen Verwaltungsorgane ein. Dasselbe geschieht
zum Schutze des geistigen Eigenthums. Bei den sehr mangelhaften Begriffen,
die man über diesen Punkt hatte, bei der politischen Zersplitterung Deutsch¬
lands und der geringen Macht der Centralbehörden war nichts häufiger als
Nachdrucke, literarische und künstlerische Diebstähle. Darunter hatten natür¬
lich die renommirtesten Künstler am meisten zu leiden. Wie manches ^. v.,
welches später dem Kunstkritiker schwere Stunden verursacht hat, mag von
gewissenlosen Pfuschern unter ihr Werk gesetzt sein, um es desto besser zu
vertreiben.

Bekannt ist, wie sich der Nürnberger Magistrat in solchem Falle der
Wittwe Dürer's annahm. Dürer hatte auf eines seiner Werke, die Lehre von
der Perspektive, ein kaiserliches Privileg gegen den Nachdruck auf zehn Jahre
erhalten. Man übersetzte das Werk in das Lateinische, druckte es in Frank-


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[0147] armer Mann geladen werden. Viermal im Jahre wird das Gedächtniß der abgestorbenen Brüder und Schwestern gefeiert, nämlich an den vier Fron¬ fasten. Es wird ein Seeland gesungen, die vier Kerzen und Kerzenstöcke werden angezündet, die Ehefrauen der beiden alten und neuen Pfleger knien dabei. Alle Beide sollen gegenwärtig sein, fünf Vaterunser, fünf Ave-Maria und einen christlichen Glauben beten, „wie das von alter her Ordnung und Brauch gewesen." Zur Bestattung wird durch Umsagen geladen. Bei der Messe sollen alle (mindestens einer aus jedem Hause, heißt es nach Hamburger Ordnung) gegenwärtig sein. Die Kerzen brennen, die Frauen der Pfleger knien. Jedes Seeland wird an den Gwardian mit 10 an den Schüler, der zu Altar dient mit 1 ^ bezahlt. Der Umsager. eventuell auch ein Knabe, erhält 1 Der Pfleger wird für seine Mühwaltung bei den Bruderschaftsmahlen frei¬ gehalten. Widersetzlichkeiten werden mit 1 Pfd. Wachs, bezüglich Untersagung des Handwerkes durch „einen erlaubten Stadtweibel" und Ausstoßung bestraft, — Hierauf folgen die üblichen Verordnungen über Jnhibirung nicht zünftiger Fremder, Annahme und Unterhalt der Lehrjungen, Bußen, Rechnungs¬ legung u. a. Somit dürfen wir also in den Lucasbruderschaften die Ausübung der¬ jenigen Zunftsobltegenheiten wiederfinden, die den ursprünglichen Kern der Zunft ausmachten. So sehr nun auch die Zünfte darauf bedacht waren, ihre Angelegenheiten selbst zu ordnen, so ist eine Mitwirkung der staatlichen, respective städtischen Macht immer, besonders aber in erster Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts (einer vorübergehenden Periode allgemeiner socialer Dissolution) nöthig ge¬ blieben. Ueberall wo es sich um Executive, Verweisung fremder Meister u. tgi. handelt, treten die städtischen Verwaltungsorgane ein. Dasselbe geschieht zum Schutze des geistigen Eigenthums. Bei den sehr mangelhaften Begriffen, die man über diesen Punkt hatte, bei der politischen Zersplitterung Deutsch¬ lands und der geringen Macht der Centralbehörden war nichts häufiger als Nachdrucke, literarische und künstlerische Diebstähle. Darunter hatten natür¬ lich die renommirtesten Künstler am meisten zu leiden. Wie manches ^. v., welches später dem Kunstkritiker schwere Stunden verursacht hat, mag von gewissenlosen Pfuschern unter ihr Werk gesetzt sein, um es desto besser zu vertreiben. Bekannt ist, wie sich der Nürnberger Magistrat in solchem Falle der Wittwe Dürer's annahm. Dürer hatte auf eines seiner Werke, die Lehre von der Perspektive, ein kaiserliches Privileg gegen den Nachdruck auf zehn Jahre erhalten. Man übersetzte das Werk in das Lateinische, druckte es in Frank-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/147>, abgerufen am 26.12.2024.