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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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worfenen Fragen. Darum scheint mir folgende Hamburger Urkunde von be¬
sonderer Wichtigkeit:

Es wird zur Commende der Bruderschaft Se, Lucas im Dome eine
Hausrente von 2 Mark gekauft (mit andern Worten, zum Gebrauch der Lu-
casbruderschaft ein Capital zinsbar angelegt) und der Aussteller bezeugt, daß er:
"van den olderluden besser (Se. Lucas) broderschup vnde van den werkmestern
der meler vnde glasewertere" Bezahlung erhalten habe. Dieses kleine "und" ist
sehr schätzbar, denn es beweist uns, daß Malergilde und Lucasbruderschaft
nicht identisch, daß sie getrennte Corporationen mit selbständigen Vorsitzern
sind. Da jedoch allgemeine Verfügungen der Malergilde sich auch auf die
Lucasbruderschaft beziehen, da z. B. der Meister gehalten ist, den Lehrling
gegen 1 Mark Pfennige sechs Wochen nach dem Antritte in die Lucasbruder¬
schaft einschreiben zu lassen, da endlich sämmtliche Bestimmungen derselben
religiöser oder doch feierlicher Natur sind, so sind wir berechtigt, in ihr eine
kirchliche Vereinigung, ich will nicht sagen innerhalb der Gilde, sondern der
ganzen Gilde zu erblicken. Etwas ähnliches findet statt, wenn man sich heute
eine Gemeinde als eine kirchliche und eine politische vorstellt, nur daß Se. Lucas
nicht den ganzen Gottesdienst, sondern etliche Feste, Leichenbegängnisse und
Seelenmessen zu besorgen hatte. Somit treten denn die Lucasbruderschaften
in eine Reihe mit den Kalandsbruderschaften und anderen religiösen Ver¬
einigungen.

Specialitäten erfahren wir aus einem Statut der Lukasbruderschaft zu
Lucern, die ich jedoch mit einiger Reserve mitgetheilt haben will. Nicht darum,
weil es erst einer späteren Zeit angehört -- es stammt vom Jahre 1340,
bezieht sich aber ausdrücklich auf alten Brauch -- sondern weil die Bruder¬
schaft über den Kreis der Gilde, ja selbst der Handwerker überhaupt hinauszu¬
gehen scheint. Folgendes wird als Motiv der Neugründung respective Er¬
neuerung der herkömmlichen Bruderschaft angeführt: "Gott dem allmächtigen
der würdigen Mutter Sanct Anna und den lieben Heiligen Sanct Eulogium
und Sanct Luxeil zu Lob und Ehre auch ihrer Seelen zu Trost und Heile,
dazu daß nach ihrem tödtlichen Abgange ihrer nicht vergessen, sondern Ge¬
dächtniß gehalten, christliche Ordnung und Liebe nachgethan würde, desgleichen
damit ihr Handwerk in desto besserer Ordnung und Brauche bleiben möchte."
.... Dem entsprechend werden vier Feste gefeiert: 1) Se. Eligien-Tag.
morndeß nach Se. Umdrehen Tag; 2) Se. Eulogien-Tag, morndeß nach
Se. Johannsen; 3) Se. Anna-Tag; 4) Se. Luxeil des heiligen Evangelisten.
An allen fand ein gesungenes Amt statt. Am Eulogien- und Se. Luxentag
bestand die Verpflichtung zum Kirchengange, an letzterem müssen auch bei Strafe
von 1 Pfd. Wachs alle Läden geschlossen sein. Nach der kirchlichen Feier
versammelt man sich zu einer Mahlzeit, zu der auch zwei Priester und ein


worfenen Fragen. Darum scheint mir folgende Hamburger Urkunde von be¬
sonderer Wichtigkeit:

Es wird zur Commende der Bruderschaft Se, Lucas im Dome eine
Hausrente von 2 Mark gekauft (mit andern Worten, zum Gebrauch der Lu-
casbruderschaft ein Capital zinsbar angelegt) und der Aussteller bezeugt, daß er:
„van den olderluden besser (Se. Lucas) broderschup vnde van den werkmestern
der meler vnde glasewertere" Bezahlung erhalten habe. Dieses kleine „und" ist
sehr schätzbar, denn es beweist uns, daß Malergilde und Lucasbruderschaft
nicht identisch, daß sie getrennte Corporationen mit selbständigen Vorsitzern
sind. Da jedoch allgemeine Verfügungen der Malergilde sich auch auf die
Lucasbruderschaft beziehen, da z. B. der Meister gehalten ist, den Lehrling
gegen 1 Mark Pfennige sechs Wochen nach dem Antritte in die Lucasbruder¬
schaft einschreiben zu lassen, da endlich sämmtliche Bestimmungen derselben
religiöser oder doch feierlicher Natur sind, so sind wir berechtigt, in ihr eine
kirchliche Vereinigung, ich will nicht sagen innerhalb der Gilde, sondern der
ganzen Gilde zu erblicken. Etwas ähnliches findet statt, wenn man sich heute
eine Gemeinde als eine kirchliche und eine politische vorstellt, nur daß Se. Lucas
nicht den ganzen Gottesdienst, sondern etliche Feste, Leichenbegängnisse und
Seelenmessen zu besorgen hatte. Somit treten denn die Lucasbruderschaften
in eine Reihe mit den Kalandsbruderschaften und anderen religiösen Ver¬
einigungen.

Specialitäten erfahren wir aus einem Statut der Lukasbruderschaft zu
Lucern, die ich jedoch mit einiger Reserve mitgetheilt haben will. Nicht darum,
weil es erst einer späteren Zeit angehört — es stammt vom Jahre 1340,
bezieht sich aber ausdrücklich auf alten Brauch — sondern weil die Bruder¬
schaft über den Kreis der Gilde, ja selbst der Handwerker überhaupt hinauszu¬
gehen scheint. Folgendes wird als Motiv der Neugründung respective Er¬
neuerung der herkömmlichen Bruderschaft angeführt: „Gott dem allmächtigen
der würdigen Mutter Sanct Anna und den lieben Heiligen Sanct Eulogium
und Sanct Luxeil zu Lob und Ehre auch ihrer Seelen zu Trost und Heile,
dazu daß nach ihrem tödtlichen Abgange ihrer nicht vergessen, sondern Ge¬
dächtniß gehalten, christliche Ordnung und Liebe nachgethan würde, desgleichen
damit ihr Handwerk in desto besserer Ordnung und Brauche bleiben möchte."
.... Dem entsprechend werden vier Feste gefeiert: 1) Se. Eligien-Tag.
morndeß nach Se. Umdrehen Tag; 2) Se. Eulogien-Tag, morndeß nach
Se. Johannsen; 3) Se. Anna-Tag; 4) Se. Luxeil des heiligen Evangelisten.
An allen fand ein gesungenes Amt statt. Am Eulogien- und Se. Luxentag
bestand die Verpflichtung zum Kirchengange, an letzterem müssen auch bei Strafe
von 1 Pfd. Wachs alle Läden geschlossen sein. Nach der kirchlichen Feier
versammelt man sich zu einer Mahlzeit, zu der auch zwei Priester und ein


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[0146] worfenen Fragen. Darum scheint mir folgende Hamburger Urkunde von be¬ sonderer Wichtigkeit: Es wird zur Commende der Bruderschaft Se, Lucas im Dome eine Hausrente von 2 Mark gekauft (mit andern Worten, zum Gebrauch der Lu- casbruderschaft ein Capital zinsbar angelegt) und der Aussteller bezeugt, daß er: „van den olderluden besser (Se. Lucas) broderschup vnde van den werkmestern der meler vnde glasewertere" Bezahlung erhalten habe. Dieses kleine „und" ist sehr schätzbar, denn es beweist uns, daß Malergilde und Lucasbruderschaft nicht identisch, daß sie getrennte Corporationen mit selbständigen Vorsitzern sind. Da jedoch allgemeine Verfügungen der Malergilde sich auch auf die Lucasbruderschaft beziehen, da z. B. der Meister gehalten ist, den Lehrling gegen 1 Mark Pfennige sechs Wochen nach dem Antritte in die Lucasbruder¬ schaft einschreiben zu lassen, da endlich sämmtliche Bestimmungen derselben religiöser oder doch feierlicher Natur sind, so sind wir berechtigt, in ihr eine kirchliche Vereinigung, ich will nicht sagen innerhalb der Gilde, sondern der ganzen Gilde zu erblicken. Etwas ähnliches findet statt, wenn man sich heute eine Gemeinde als eine kirchliche und eine politische vorstellt, nur daß Se. Lucas nicht den ganzen Gottesdienst, sondern etliche Feste, Leichenbegängnisse und Seelenmessen zu besorgen hatte. Somit treten denn die Lucasbruderschaften in eine Reihe mit den Kalandsbruderschaften und anderen religiösen Ver¬ einigungen. Specialitäten erfahren wir aus einem Statut der Lukasbruderschaft zu Lucern, die ich jedoch mit einiger Reserve mitgetheilt haben will. Nicht darum, weil es erst einer späteren Zeit angehört — es stammt vom Jahre 1340, bezieht sich aber ausdrücklich auf alten Brauch — sondern weil die Bruder¬ schaft über den Kreis der Gilde, ja selbst der Handwerker überhaupt hinauszu¬ gehen scheint. Folgendes wird als Motiv der Neugründung respective Er¬ neuerung der herkömmlichen Bruderschaft angeführt: „Gott dem allmächtigen der würdigen Mutter Sanct Anna und den lieben Heiligen Sanct Eulogium und Sanct Luxeil zu Lob und Ehre auch ihrer Seelen zu Trost und Heile, dazu daß nach ihrem tödtlichen Abgange ihrer nicht vergessen, sondern Ge¬ dächtniß gehalten, christliche Ordnung und Liebe nachgethan würde, desgleichen damit ihr Handwerk in desto besserer Ordnung und Brauche bleiben möchte." .... Dem entsprechend werden vier Feste gefeiert: 1) Se. Eligien-Tag. morndeß nach Se. Umdrehen Tag; 2) Se. Eulogien-Tag, morndeß nach Se. Johannsen; 3) Se. Anna-Tag; 4) Se. Luxeil des heiligen Evangelisten. An allen fand ein gesungenes Amt statt. Am Eulogien- und Se. Luxentag bestand die Verpflichtung zum Kirchengange, an letzterem müssen auch bei Strafe von 1 Pfd. Wachs alle Läden geschlossen sein. Nach der kirchlichen Feier versammelt man sich zu einer Mahlzeit, zu der auch zwei Priester und ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/146>, abgerufen am 25.08.2024.