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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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So ungefähr mag der Kontrakt, den Dürer's Vater mit Meister Wolge-
mut schloß, auch gelautet haben. Wenn also Dürer schreibt: "und da man
zählte nach Christi Geburt 1486 am Se. Andreastage versprach mich mein
Vater in die Lehre zu Michel Wolgemut, und da ich ausgelernt hatte, schickte
mich mein Vater hinweg und ich blieb vier Jahr aus, bis daß mich mein
Vater wieder forderte . . so sind es wiederum ganz simple, selbstverständ¬
liche Dinge.

Mit der Lehrmethode scheint es schlimm ausgesehen zu haben. Die wie¬
derholt vorkommende Bestimmung, daß ein Meister eine nur beschränkte Anzahl
von Lehrjungen halten durfte -- etwa vier -- hat offenbar die Absicht zum
Grunde, daß der Meister im Stande sei. die Jungen genügend zu instrui-
ren; doch finden wir auch ebenso bestimmt, daß dies Gesetz nicht gehalten
wird. Dürer spricht sich in der Einleitung seines Buches: "Unter Weisung
der Messung mit Cirkel und Richtscheidt" über diesen Punkt fol-
gendermaßen aus: "Man hat bisher in unsern deutschen Landen viel geschick¬
ter Jungen zu der Kunst der Mallerey gethan, die man ohn allen Grund
und allein aus einem täglichen Brauch gelehrt hat, sind dieselben also in
Unverstand wie ein wylder unbeschnyttener Baum auferwachsen; wiewohl et-
lich aus ihnen durch stetig Uebung eyne freye Hand erlangt: also daß sie
ihr Werk gewaltiglich aber unbedächtlich und allein nach ihrem Wohlgefallen
gemacht haben."

Diese zünftige Lehr- und Lernweise ist eine Frage von nicht geringer
Wichtigkeit zum Verständnisse der Eigenthümlichkeiten jener Kunstperiode. Man
macht die Bemerkung, daß gewisse Manieren und Darstellungsformen mit
auffallender Zähigkeit festgehalten werden. Nun wird dem Lehrling nur
gesagt: so wird's gemacht -- ohne die von Dürer geforderte theore¬
tische oder mindestens zum Nachdenken anregende Unterweisung beihergehen
zu lassen, so muß der Junge in die Manier seines Meisters hineinkommen;
es gehört aber eine bedeutende Kraft und ein reifes Alter dazu, solche Ein¬
drücke zu überwinden. Selbst ein Dürer bleibt, obwohl zweimal in Venedig,
dem Einfluß der Antike und Renaissance fast gänzlich verschlossen und weiß
sich erst später mit den neuen Formen zu befreunden. Ob dies nicht in der
Art liegt, wie er dem Unterricht seiner Lehrzeit empfangen hat.

Wir kehren zu den Zunftstatuten zurück, die weiter auch die Regelung
des Verkehrs Kauf und Verkauf, Schutz der eigenen Zunftgenossen gegen
auswärtige Concurrenz handhaben. Daß die Amtleute umhergingen die
Werke der Zunftmeister zu beschauen, sagten wir bereits; sie üben aber auch
Kritik über die, welche ausziehen, um außerhalb der Stadt feil zu halten:
"Welk annees manu wil parer mit werk buten desse stad to deme markede, de
scal sin werk den achterm erst bezeen laden cer he dat vthvoret. (Ham-


So ungefähr mag der Kontrakt, den Dürer's Vater mit Meister Wolge-
mut schloß, auch gelautet haben. Wenn also Dürer schreibt: „und da man
zählte nach Christi Geburt 1486 am Se. Andreastage versprach mich mein
Vater in die Lehre zu Michel Wolgemut, und da ich ausgelernt hatte, schickte
mich mein Vater hinweg und ich blieb vier Jahr aus, bis daß mich mein
Vater wieder forderte . . so sind es wiederum ganz simple, selbstverständ¬
liche Dinge.

Mit der Lehrmethode scheint es schlimm ausgesehen zu haben. Die wie¬
derholt vorkommende Bestimmung, daß ein Meister eine nur beschränkte Anzahl
von Lehrjungen halten durfte — etwa vier — hat offenbar die Absicht zum
Grunde, daß der Meister im Stande sei. die Jungen genügend zu instrui-
ren; doch finden wir auch ebenso bestimmt, daß dies Gesetz nicht gehalten
wird. Dürer spricht sich in der Einleitung seines Buches: „Unter Weisung
der Messung mit Cirkel und Richtscheidt" über diesen Punkt fol-
gendermaßen aus: „Man hat bisher in unsern deutschen Landen viel geschick¬
ter Jungen zu der Kunst der Mallerey gethan, die man ohn allen Grund
und allein aus einem täglichen Brauch gelehrt hat, sind dieselben also in
Unverstand wie ein wylder unbeschnyttener Baum auferwachsen; wiewohl et-
lich aus ihnen durch stetig Uebung eyne freye Hand erlangt: also daß sie
ihr Werk gewaltiglich aber unbedächtlich und allein nach ihrem Wohlgefallen
gemacht haben."

Diese zünftige Lehr- und Lernweise ist eine Frage von nicht geringer
Wichtigkeit zum Verständnisse der Eigenthümlichkeiten jener Kunstperiode. Man
macht die Bemerkung, daß gewisse Manieren und Darstellungsformen mit
auffallender Zähigkeit festgehalten werden. Nun wird dem Lehrling nur
gesagt: so wird's gemacht — ohne die von Dürer geforderte theore¬
tische oder mindestens zum Nachdenken anregende Unterweisung beihergehen
zu lassen, so muß der Junge in die Manier seines Meisters hineinkommen;
es gehört aber eine bedeutende Kraft und ein reifes Alter dazu, solche Ein¬
drücke zu überwinden. Selbst ein Dürer bleibt, obwohl zweimal in Venedig,
dem Einfluß der Antike und Renaissance fast gänzlich verschlossen und weiß
sich erst später mit den neuen Formen zu befreunden. Ob dies nicht in der
Art liegt, wie er dem Unterricht seiner Lehrzeit empfangen hat.

Wir kehren zu den Zunftstatuten zurück, die weiter auch die Regelung
des Verkehrs Kauf und Verkauf, Schutz der eigenen Zunftgenossen gegen
auswärtige Concurrenz handhaben. Daß die Amtleute umhergingen die
Werke der Zunftmeister zu beschauen, sagten wir bereits; sie üben aber auch
Kritik über die, welche ausziehen, um außerhalb der Stadt feil zu halten:
„Welk annees manu wil parer mit werk buten desse stad to deme markede, de
scal sin werk den achterm erst bezeen laden cer he dat vthvoret. (Ham-


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[0144] So ungefähr mag der Kontrakt, den Dürer's Vater mit Meister Wolge- mut schloß, auch gelautet haben. Wenn also Dürer schreibt: „und da man zählte nach Christi Geburt 1486 am Se. Andreastage versprach mich mein Vater in die Lehre zu Michel Wolgemut, und da ich ausgelernt hatte, schickte mich mein Vater hinweg und ich blieb vier Jahr aus, bis daß mich mein Vater wieder forderte . . so sind es wiederum ganz simple, selbstverständ¬ liche Dinge. Mit der Lehrmethode scheint es schlimm ausgesehen zu haben. Die wie¬ derholt vorkommende Bestimmung, daß ein Meister eine nur beschränkte Anzahl von Lehrjungen halten durfte — etwa vier — hat offenbar die Absicht zum Grunde, daß der Meister im Stande sei. die Jungen genügend zu instrui- ren; doch finden wir auch ebenso bestimmt, daß dies Gesetz nicht gehalten wird. Dürer spricht sich in der Einleitung seines Buches: „Unter Weisung der Messung mit Cirkel und Richtscheidt" über diesen Punkt fol- gendermaßen aus: „Man hat bisher in unsern deutschen Landen viel geschick¬ ter Jungen zu der Kunst der Mallerey gethan, die man ohn allen Grund und allein aus einem täglichen Brauch gelehrt hat, sind dieselben also in Unverstand wie ein wylder unbeschnyttener Baum auferwachsen; wiewohl et- lich aus ihnen durch stetig Uebung eyne freye Hand erlangt: also daß sie ihr Werk gewaltiglich aber unbedächtlich und allein nach ihrem Wohlgefallen gemacht haben." Diese zünftige Lehr- und Lernweise ist eine Frage von nicht geringer Wichtigkeit zum Verständnisse der Eigenthümlichkeiten jener Kunstperiode. Man macht die Bemerkung, daß gewisse Manieren und Darstellungsformen mit auffallender Zähigkeit festgehalten werden. Nun wird dem Lehrling nur gesagt: so wird's gemacht — ohne die von Dürer geforderte theore¬ tische oder mindestens zum Nachdenken anregende Unterweisung beihergehen zu lassen, so muß der Junge in die Manier seines Meisters hineinkommen; es gehört aber eine bedeutende Kraft und ein reifes Alter dazu, solche Ein¬ drücke zu überwinden. Selbst ein Dürer bleibt, obwohl zweimal in Venedig, dem Einfluß der Antike und Renaissance fast gänzlich verschlossen und weiß sich erst später mit den neuen Formen zu befreunden. Ob dies nicht in der Art liegt, wie er dem Unterricht seiner Lehrzeit empfangen hat. Wir kehren zu den Zunftstatuten zurück, die weiter auch die Regelung des Verkehrs Kauf und Verkauf, Schutz der eigenen Zunftgenossen gegen auswärtige Concurrenz handhaben. Daß die Amtleute umhergingen die Werke der Zunftmeister zu beschauen, sagten wir bereits; sie üben aber auch Kritik über die, welche ausziehen, um außerhalb der Stadt feil zu halten: „Welk annees manu wil parer mit werk buten desse stad to deme markede, de scal sin werk den achterm erst bezeen laden cer he dat vthvoret. (Ham-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/144>, abgerufen am 25.12.2024.