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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Anstrengung wird es möglich sein, diesen Zustand zu Gunsten Borns zu
entscheiden.

Die eigentlich provinziellen Universitäten, die ihrem ganzen Charakter
und den Voraussetzungen ihrer Existenz nach sich mit dieser Aufgabe zu be¬
scheiden haben, -- wir meinen Greifswald, Königsberg, Marburg,
und die Akademie Münster -- sie sind alle in einem den gegebenen Ver¬
hältnissen entsprechenden Wachsthum begriffen. Auch ihnen hat sich neuerdings
die Fürsorge der Negierung zugewendet. Ihnen allen kann man noch eine
gewisse Steigerung vorhersagen, wenn in der bisherigen Weise weiter vorge¬
gangen wird. Zu einer wirklich großen, für ganz Deutschland wichtigen
Stellung kann keine von ihnen es bringen, wie lockend auch das Beispiel
Breslaus. das den engeren Rahmen überschritten hat, aussehen mag: die pro¬
vinziellen Bedingungen der Lage und des Lebens setzen die Schranken in deut¬
licher Weise.

In der Verwaltung der preußischen Universitäten tritt in diesem Augen¬
blicke ein Personenwechsel ein, der von der größten Bedeutung werden kann.
Ein jüngere, frische, vielseitig begabte, mit jugendlicher Thatkraft und Energie
ausgestattete Kraft nimmt dem ermüdeten und erschlafften Alter die Arbeit
ab: ihr eröffnet sich ein Feld weiten und fruchtbringenden Wirkens. Und
wer es in der Nation wohlmeint mit den Stätten unserer höchsten nationalen
Bildung, wird in den Wunsch einstimmen: möge der neue Pfleger des preußi¬
schen Universitätswesens es nicht verschmähen, vom Beispiel des rivalisirenden
Sachsens, auch Würtembergs zu lernen!

Klar zu machen wird er sich zunächst haben die Natur und die Be¬
schaffenheit jeder einzelnen Universität. Dem Rufen nach Hülfe für Berlin
wird er sich nicht verschließen wollen, aber bald wird sicher für ihn der
Augenblick kommen, in dem er sich sagen muß, daß eine übertriebene und
übermäßige Bevorzugung Berlins den vorhandenen Schäden des Berliner
Zustandes nicht abhilft, aber dafür die anderen seiner Obhut anvertrauten
Anstalten schädigen muß.

Viel wichtiger für die Gesammtheit unserer geistigen Interessen ist es,
einige der mittleren Universitäten zu großen zu machen und die Wirksamkeit
auch der auf die Provinz beschränkten Anstalten so weit als irgend möglich
Und thunlich zu steigern. Auf Breslau, auf Bonn, auf Göttingen und auf
Halle sollte vornehmlich seine Fürsorge sich richten!

Die früher stereotype Ausrede, "wir haben kein Geld", ist ein Anachro¬
nismus heutzutage. Die Sache der Unterrichtsverwaltung ist es, dafür zu
sorgen, daß das Finanzministerium in Preußen, wozu der gegenwärtige Mi-
nister der Finanzen allerdings hinneigt, nicht nur mit schönen Worten, sondern
auch mit klingender Münze die Bedürfnisse der Universitäten befriedige.


Grenzboten I. 1874. 15

Anstrengung wird es möglich sein, diesen Zustand zu Gunsten Borns zu
entscheiden.

Die eigentlich provinziellen Universitäten, die ihrem ganzen Charakter
und den Voraussetzungen ihrer Existenz nach sich mit dieser Aufgabe zu be¬
scheiden haben, — wir meinen Greifswald, Königsberg, Marburg,
und die Akademie Münster — sie sind alle in einem den gegebenen Ver¬
hältnissen entsprechenden Wachsthum begriffen. Auch ihnen hat sich neuerdings
die Fürsorge der Negierung zugewendet. Ihnen allen kann man noch eine
gewisse Steigerung vorhersagen, wenn in der bisherigen Weise weiter vorge¬
gangen wird. Zu einer wirklich großen, für ganz Deutschland wichtigen
Stellung kann keine von ihnen es bringen, wie lockend auch das Beispiel
Breslaus. das den engeren Rahmen überschritten hat, aussehen mag: die pro¬
vinziellen Bedingungen der Lage und des Lebens setzen die Schranken in deut¬
licher Weise.

In der Verwaltung der preußischen Universitäten tritt in diesem Augen¬
blicke ein Personenwechsel ein, der von der größten Bedeutung werden kann.
Ein jüngere, frische, vielseitig begabte, mit jugendlicher Thatkraft und Energie
ausgestattete Kraft nimmt dem ermüdeten und erschlafften Alter die Arbeit
ab: ihr eröffnet sich ein Feld weiten und fruchtbringenden Wirkens. Und
wer es in der Nation wohlmeint mit den Stätten unserer höchsten nationalen
Bildung, wird in den Wunsch einstimmen: möge der neue Pfleger des preußi¬
schen Universitätswesens es nicht verschmähen, vom Beispiel des rivalisirenden
Sachsens, auch Würtembergs zu lernen!

Klar zu machen wird er sich zunächst haben die Natur und die Be¬
schaffenheit jeder einzelnen Universität. Dem Rufen nach Hülfe für Berlin
wird er sich nicht verschließen wollen, aber bald wird sicher für ihn der
Augenblick kommen, in dem er sich sagen muß, daß eine übertriebene und
übermäßige Bevorzugung Berlins den vorhandenen Schäden des Berliner
Zustandes nicht abhilft, aber dafür die anderen seiner Obhut anvertrauten
Anstalten schädigen muß.

Viel wichtiger für die Gesammtheit unserer geistigen Interessen ist es,
einige der mittleren Universitäten zu großen zu machen und die Wirksamkeit
auch der auf die Provinz beschränkten Anstalten so weit als irgend möglich
Und thunlich zu steigern. Auf Breslau, auf Bonn, auf Göttingen und auf
Halle sollte vornehmlich seine Fürsorge sich richten!

Die früher stereotype Ausrede, „wir haben kein Geld", ist ein Anachro¬
nismus heutzutage. Die Sache der Unterrichtsverwaltung ist es, dafür zu
sorgen, daß das Finanzministerium in Preußen, wozu der gegenwärtige Mi-
nister der Finanzen allerdings hinneigt, nicht nur mit schönen Worten, sondern
auch mit klingender Münze die Bedürfnisse der Universitäten befriedige.


Grenzboten I. 1874. 15
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[0119] Anstrengung wird es möglich sein, diesen Zustand zu Gunsten Borns zu entscheiden. Die eigentlich provinziellen Universitäten, die ihrem ganzen Charakter und den Voraussetzungen ihrer Existenz nach sich mit dieser Aufgabe zu be¬ scheiden haben, — wir meinen Greifswald, Königsberg, Marburg, und die Akademie Münster — sie sind alle in einem den gegebenen Ver¬ hältnissen entsprechenden Wachsthum begriffen. Auch ihnen hat sich neuerdings die Fürsorge der Negierung zugewendet. Ihnen allen kann man noch eine gewisse Steigerung vorhersagen, wenn in der bisherigen Weise weiter vorge¬ gangen wird. Zu einer wirklich großen, für ganz Deutschland wichtigen Stellung kann keine von ihnen es bringen, wie lockend auch das Beispiel Breslaus. das den engeren Rahmen überschritten hat, aussehen mag: die pro¬ vinziellen Bedingungen der Lage und des Lebens setzen die Schranken in deut¬ licher Weise. In der Verwaltung der preußischen Universitäten tritt in diesem Augen¬ blicke ein Personenwechsel ein, der von der größten Bedeutung werden kann. Ein jüngere, frische, vielseitig begabte, mit jugendlicher Thatkraft und Energie ausgestattete Kraft nimmt dem ermüdeten und erschlafften Alter die Arbeit ab: ihr eröffnet sich ein Feld weiten und fruchtbringenden Wirkens. Und wer es in der Nation wohlmeint mit den Stätten unserer höchsten nationalen Bildung, wird in den Wunsch einstimmen: möge der neue Pfleger des preußi¬ schen Universitätswesens es nicht verschmähen, vom Beispiel des rivalisirenden Sachsens, auch Würtembergs zu lernen! Klar zu machen wird er sich zunächst haben die Natur und die Be¬ schaffenheit jeder einzelnen Universität. Dem Rufen nach Hülfe für Berlin wird er sich nicht verschließen wollen, aber bald wird sicher für ihn der Augenblick kommen, in dem er sich sagen muß, daß eine übertriebene und übermäßige Bevorzugung Berlins den vorhandenen Schäden des Berliner Zustandes nicht abhilft, aber dafür die anderen seiner Obhut anvertrauten Anstalten schädigen muß. Viel wichtiger für die Gesammtheit unserer geistigen Interessen ist es, einige der mittleren Universitäten zu großen zu machen und die Wirksamkeit auch der auf die Provinz beschränkten Anstalten so weit als irgend möglich Und thunlich zu steigern. Auf Breslau, auf Bonn, auf Göttingen und auf Halle sollte vornehmlich seine Fürsorge sich richten! Die früher stereotype Ausrede, „wir haben kein Geld", ist ein Anachro¬ nismus heutzutage. Die Sache der Unterrichtsverwaltung ist es, dafür zu sorgen, daß das Finanzministerium in Preußen, wozu der gegenwärtige Mi- nister der Finanzen allerdings hinneigt, nicht nur mit schönen Worten, sondern auch mit klingender Münze die Bedürfnisse der Universitäten befriedige. Grenzboten I. 1874. 15

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/119>, abgerufen am 27.08.2024.