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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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ist ein Bild dieser Streifereien gegeben, das sehr charakteristisch ist und auf
das naivste und Anschaulichste darthut, wie sich die edlen Herren jener Zeit
jegliches Mittel der Gewaltthat, des Verrathes und der Hinterlist gestatteten,
wenn es nur zum Ziele führte.

Unberührt von solchen Scharmützeln ging die Belagerung ihren Gang
ruhig fort. Karl war überall selbst zugegen, belohnte, ermahnte und strafte.
In der Nacht zum 27. November wurden die Trancheen bis an den Graben
getrieben und hier logirte man Arkebusiere, welche die französischen Pioniere
hinderten, den Fuß der Mauern mit denkender Erde zu bekleiden. Am 28.
November endlich wurde zuerst am Höllenthurm eine 3--4 Toisen lange
Bresche zu Stande gebracht; gegen Mittag fing sodann die ganze Mauerfläche
zwischen den Thürmen des Uvassieux und des Ligniers, an sich zu neigen, und
von der Erde hinter ihr loszutrennen, und zwei Stunden nachher fiel hier
unter dem Triumphgeschrei der Belagerer ein 4S Toisen langes Mauerstück
ein. Jedermann lobte den Geschützmeister des Kaisers, Maitre Jehan Man-
rique. Allein die hierdurch entstandene Bresche war an und für sich nicht
gangbar, und zum großen Erstaunen der Belagerer kam überdies, nachdem
sich der Staub gelegt hatte, jenseits der Bresche ein mächtiger Wall zum
Vorschein, der hinter der Mauer von den Belagerten aufgeführt worden war
und eine directe Erstürmung unmöglich machte. Nun war es an den Ver¬
theidigern zu triumphiren. Die Frechheit der Franzosen ging so wett, daß
ein Soldat, Montilly mit Namen, höhnend von der Bresche in den Graben
stieg, um den Feinden gleichsam den Weg zu zeigen, den sie beim Sturme
zu nehmen hätten. Zu gleicher Zeit erschienen die Vertheidiger auf dem
Walle in großer Anzahl, und eine Menge Fahnen, Guidons und Standarten,
welche man auf dem Wallgange gewahrte, bekundete des Feindes Entschlossen¬
heit, die Bresche zu vertheidigen. Der Stillstand, den dieses, beiden Theilen
unvermuthete, Ereigniß herbeiführte, ward von ihnen zu einem lebhaften
Jnfanteriegefecht benutzt. 2000 französische "Ha-iMebouöigi's", welche Guise
derart postirt hatte, daß es schien, die Mauer sei ihnen zu Liebe weggeräumt,
schössen den ganzen Tag über auf die Kaiserlichen in den Trancheen, die
ihrerseits dieses Feuer lebhaft erwiderten und zu diesem Behuf kleine Schie߬
scharten -- eanonniei-L -- in den Erdauswürf ihrer Schützengräben einschnitten,
um beim Schießen selbst mehr gedeckt zu sein.

Die Enttäuschung der Kaiserlichen angesichts der so wenig praktikablen
Bresche und des neuen Walles hinter derselben, war eine sehr große und
man kann von ihr an wohl den absteigenden Ast der Belagerung datiren.
Die unmittelbare Folge dieser Erfahrung war eine doppelte: erstlich gerieth
die Artilleriewirkung in einen gewissen Mißkredit und das Feuer wurde nur
noch in größeren Pausen fortgesetzt; dagegen den Minenarbeiten erhöhte Sorg-


ist ein Bild dieser Streifereien gegeben, das sehr charakteristisch ist und auf
das naivste und Anschaulichste darthut, wie sich die edlen Herren jener Zeit
jegliches Mittel der Gewaltthat, des Verrathes und der Hinterlist gestatteten,
wenn es nur zum Ziele führte.

Unberührt von solchen Scharmützeln ging die Belagerung ihren Gang
ruhig fort. Karl war überall selbst zugegen, belohnte, ermahnte und strafte.
In der Nacht zum 27. November wurden die Trancheen bis an den Graben
getrieben und hier logirte man Arkebusiere, welche die französischen Pioniere
hinderten, den Fuß der Mauern mit denkender Erde zu bekleiden. Am 28.
November endlich wurde zuerst am Höllenthurm eine 3—4 Toisen lange
Bresche zu Stande gebracht; gegen Mittag fing sodann die ganze Mauerfläche
zwischen den Thürmen des Uvassieux und des Ligniers, an sich zu neigen, und
von der Erde hinter ihr loszutrennen, und zwei Stunden nachher fiel hier
unter dem Triumphgeschrei der Belagerer ein 4S Toisen langes Mauerstück
ein. Jedermann lobte den Geschützmeister des Kaisers, Maitre Jehan Man-
rique. Allein die hierdurch entstandene Bresche war an und für sich nicht
gangbar, und zum großen Erstaunen der Belagerer kam überdies, nachdem
sich der Staub gelegt hatte, jenseits der Bresche ein mächtiger Wall zum
Vorschein, der hinter der Mauer von den Belagerten aufgeführt worden war
und eine directe Erstürmung unmöglich machte. Nun war es an den Ver¬
theidigern zu triumphiren. Die Frechheit der Franzosen ging so wett, daß
ein Soldat, Montilly mit Namen, höhnend von der Bresche in den Graben
stieg, um den Feinden gleichsam den Weg zu zeigen, den sie beim Sturme
zu nehmen hätten. Zu gleicher Zeit erschienen die Vertheidiger auf dem
Walle in großer Anzahl, und eine Menge Fahnen, Guidons und Standarten,
welche man auf dem Wallgange gewahrte, bekundete des Feindes Entschlossen¬
heit, die Bresche zu vertheidigen. Der Stillstand, den dieses, beiden Theilen
unvermuthete, Ereigniß herbeiführte, ward von ihnen zu einem lebhaften
Jnfanteriegefecht benutzt. 2000 französische „Ha-iMebouöigi's", welche Guise
derart postirt hatte, daß es schien, die Mauer sei ihnen zu Liebe weggeräumt,
schössen den ganzen Tag über auf die Kaiserlichen in den Trancheen, die
ihrerseits dieses Feuer lebhaft erwiderten und zu diesem Behuf kleine Schie߬
scharten — eanonniei-L — in den Erdauswürf ihrer Schützengräben einschnitten,
um beim Schießen selbst mehr gedeckt zu sein.

Die Enttäuschung der Kaiserlichen angesichts der so wenig praktikablen
Bresche und des neuen Walles hinter derselben, war eine sehr große und
man kann von ihr an wohl den absteigenden Ast der Belagerung datiren.
Die unmittelbare Folge dieser Erfahrung war eine doppelte: erstlich gerieth
die Artilleriewirkung in einen gewissen Mißkredit und das Feuer wurde nur
noch in größeren Pausen fortgesetzt; dagegen den Minenarbeiten erhöhte Sorg-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/100>, abgerufen am 26.12.2024.