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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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des Reiches in dem großen Kampfe böte, zur wesentlichsten Stütze gereichte,
so würden die Mindermächtigen auf diesem Wege erst die volle Zuversicht des
siegreichen Gelingens erwerben.

Niemals kann ernster und eindringlicher der nationalen Pflichten gedacht
werden, die jedem deutschen Bundesstaate, ja jedem einzelnen Reichsbürger
obliegen in dem ernstentbrannten Kampfe gegen Rom, als am Vorabend der
Neuwahlen zum deutschen Reichstage. Hier ist das deutsche Volk in der Lage,
Selbsthülfe zu üben, und es wird sie üben. Die Verstärkung der Partei des
Centrums bis zu einer Zahl, welche zusammen mit den übrigen reichsfeind¬
lichen Stimmen und denjenigen der Opposition <Mg.na-nome in der sogen,
deutschen Fortschrittspartei die Majorität des Reichstags in einzelnen Even¬
tualitäten erlangen könnte, hieße die Geschicke unseres Vaterlandes mindestens
auf drei Jahre in die Hände seiner fanatischsten Feinde legen, und unsere
nationale Entwicklung auf unberechenbare Zeit verderben! Dies möge jeder
deutsche Wahlmann am zehnten Januar bedenken! Die Gefahr einer anti¬
nationalen Majorität oder reichsfeindlichen starken Minderheit im Reichstage
wäre um so verhängnißvoller vor einer Legislaturperiode, welcher die wich¬
tigsten gesetzgeberischen Arbeiten beschieden sind auf dem Felde friedlicher Rechts-
und Kulturentwicklung wie auf dem Gebiete der Grundlagen unserer Wehr¬
und Waffenbereitschaft. Die deutschen Mittelstaaten haben nun alle nach
langem Widerstreben und auf mancherlei Umwegen der deutschen Rechtseinheit
und der Einheit der Gerichtsorganisation zugestimmt. Und nun, wo dieses
wichtige Stück der einheitlichen Organisation unsres öffentlichen Lebens aus¬
geführt werden soll, könnten wir die Arbeit und die Codificirung des deutschen
Civil-und Strafprozesses in die Hände kanonischer Nechtskünstler legen? sie den
Verehrern der Jnquisitionsmaxime anvertrauen? Es gilt ferner, in den näch¬
sten Jahren die Bedürfnisse des deutschen Heeres und seine Einrichtungen den
Preisen und Bedürfnissen der Jetztzeit entsprechend zu regeln. Und da sollten
wir das Heil unsres Landes, die Einheit und Macht, die mit so viel theurem
Blut erkauft ist, jenen Menschen anheimgeben, die ihren Beifall bei dem
revanchedurstigen Frankreich einkassiren, und deren Stimmführer im preußi¬
schen Landtage uns in den jüngsten Wochen belehrt haben, daß kein göttliches
und menschliches Gesetz ihnen hoch genug fleht, um von ihnen respektirt und
nicht immer von neuem in Frage gestellt zu werden? Endlich wird auch dem
. nächsten Reichstage eine Fülle von socialer und wirthschaftlicher Arbeit geboten
sein. Die große Geld- und Kreditkrisis, welche im vergangenen Jahre der
schwindelhafter Unternehmungslust der Borjahre gefolgt und, bis zu dieser
Stunde nachwirkend, noch keineswegs abgeschlossen ist, erfordert ein liebevolles
Verständniß für die starken und schwachen Seiten unsrer modernen deutschen
Wirthschaft, um falsche Heilmittel abzuwehren, deren Anpreisung und An-


des Reiches in dem großen Kampfe böte, zur wesentlichsten Stütze gereichte,
so würden die Mindermächtigen auf diesem Wege erst die volle Zuversicht des
siegreichen Gelingens erwerben.

Niemals kann ernster und eindringlicher der nationalen Pflichten gedacht
werden, die jedem deutschen Bundesstaate, ja jedem einzelnen Reichsbürger
obliegen in dem ernstentbrannten Kampfe gegen Rom, als am Vorabend der
Neuwahlen zum deutschen Reichstage. Hier ist das deutsche Volk in der Lage,
Selbsthülfe zu üben, und es wird sie üben. Die Verstärkung der Partei des
Centrums bis zu einer Zahl, welche zusammen mit den übrigen reichsfeind¬
lichen Stimmen und denjenigen der Opposition <Mg.na-nome in der sogen,
deutschen Fortschrittspartei die Majorität des Reichstags in einzelnen Even¬
tualitäten erlangen könnte, hieße die Geschicke unseres Vaterlandes mindestens
auf drei Jahre in die Hände seiner fanatischsten Feinde legen, und unsere
nationale Entwicklung auf unberechenbare Zeit verderben! Dies möge jeder
deutsche Wahlmann am zehnten Januar bedenken! Die Gefahr einer anti¬
nationalen Majorität oder reichsfeindlichen starken Minderheit im Reichstage
wäre um so verhängnißvoller vor einer Legislaturperiode, welcher die wich¬
tigsten gesetzgeberischen Arbeiten beschieden sind auf dem Felde friedlicher Rechts-
und Kulturentwicklung wie auf dem Gebiete der Grundlagen unserer Wehr¬
und Waffenbereitschaft. Die deutschen Mittelstaaten haben nun alle nach
langem Widerstreben und auf mancherlei Umwegen der deutschen Rechtseinheit
und der Einheit der Gerichtsorganisation zugestimmt. Und nun, wo dieses
wichtige Stück der einheitlichen Organisation unsres öffentlichen Lebens aus¬
geführt werden soll, könnten wir die Arbeit und die Codificirung des deutschen
Civil-und Strafprozesses in die Hände kanonischer Nechtskünstler legen? sie den
Verehrern der Jnquisitionsmaxime anvertrauen? Es gilt ferner, in den näch¬
sten Jahren die Bedürfnisse des deutschen Heeres und seine Einrichtungen den
Preisen und Bedürfnissen der Jetztzeit entsprechend zu regeln. Und da sollten
wir das Heil unsres Landes, die Einheit und Macht, die mit so viel theurem
Blut erkauft ist, jenen Menschen anheimgeben, die ihren Beifall bei dem
revanchedurstigen Frankreich einkassiren, und deren Stimmführer im preußi¬
schen Landtage uns in den jüngsten Wochen belehrt haben, daß kein göttliches
und menschliches Gesetz ihnen hoch genug fleht, um von ihnen respektirt und
nicht immer von neuem in Frage gestellt zu werden? Endlich wird auch dem
. nächsten Reichstage eine Fülle von socialer und wirthschaftlicher Arbeit geboten
sein. Die große Geld- und Kreditkrisis, welche im vergangenen Jahre der
schwindelhafter Unternehmungslust der Borjahre gefolgt und, bis zu dieser
Stunde nachwirkend, noch keineswegs abgeschlossen ist, erfordert ein liebevolles
Verständniß für die starken und schwachen Seiten unsrer modernen deutschen
Wirthschaft, um falsche Heilmittel abzuwehren, deren Anpreisung und An-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/10>, abgerufen am 25.12.2024.