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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Angst verrieth. Als wir zuletzt vor Anker gingen und Kapitän Phillips aus
seine Uhr sah und ausrief: "Sechzehn Minuten ich sagte Ihnen, daß das
in ihr lag! Das ist über drei englische Meilen die Stunde!" so konnte ich
sehen, daß er sich zu einem Compliment berechtigt fühlte, und so sagte ich,
daß ich in meinem Leben keinen Blitz so wie dieses Pferd hätte gehen sehen.
Und ich hatte das wirklich nicht gesehen.

Der Wirth des Hotels sagte, die Gesellschaft sei schon beinahe eine
Stunde weg, indeß könnte er mir die Wahl zwischen mehreren Pferden frei¬
stellen, die sie einholen könnten. Ich sagte, schon gut. ich zöge aber ein
sicheres Pferd einem schnellen vor. ich hätte am liebsten ein über die Maßen
sanftes Pferd -- ein Pferd ohne das mindeste Feuer -- ein lahmes, wenn
er was der Art hätte. Binnen fünf Minuten war ich beritten gemacht und
völlig befriedigt mit meiner Ausstattung. Ich hatte keine Zeit, ihm einen
Zettel mit der Aufschrift: "Dieß ist ein Pferd" aufzukleben, und so kann ich
nicht dafür, wenn das Publikum den Gaul für eint Schaf hielt, ^es war
zufrieden, und das war die Hauptsache. Ich konnte sehen, daß er so viele
hervorragende Eigenschaften wie irgend ein anderes Pferd hatte, und so hing
ich meinen Hut an eine dieser hervorragenden Stellen hinter dem Sattel, wischte
mir den Schweiß vom Gesicht und brach auf. Ich nannte das Pferd nach dieser
Insel Oahu. Als es an den ersten Thorweg kam, schritt es hinein. Ich hatte
weder Gerte noch Sporn, und so machte ich ihm einfach Vorstellung dagegen. Es
widerstand der Vorstellung, gab aber schließlich Schimpfworten und schlechter
Behandlung nach. Rückwärts ging es aus diesem Thorweg, aber nur, um
vorwärts auf einen andern auf der entgegengesetzten Seite der Straße loszu¬
steuern. Ich triump Hirte durch mein früheres Verfahren. Innerhalb der
nächsten sechshundert Mrds kreuzte es die Straße vierzehn Mal und versuchte
es mit dreizehn Thorwegen, und in der Zwischenzeit brannte die Tropensonne
auf uns herunter und drohte mir ein Loch in den Scheitel zu brennen und
ich triefte buchstäblich von Schweiß. Der Gaul > gab dann das Thorwegs-
Geschäft auf und schritt gelassen weiter, aber versunken in Nachdenken. Ich
bemerkte diesen letzteren Umstand, und es begann mich bald mit Bedenken zu
erfüllen. Ich sagte zu mir, dieses Geschöpf überlegt sich einen neuen Unfug,
eine oder die andere neue Teufelei -- kein Pferd hat jemals so tiefsinnig
über etwas gebrütet als dieses jetzt. Je mehr mir dieß das Gemüth bewegte,
desto unruhiger wurde ich, bis die Ungewißheit schier unerträglich wurde,
und ich abstieg um nachzusehen, ob etwas Tolles in seinem Auge läge; denn
ich hatte gehört, daß das Auge dieses edelsten unserer Hausthiere sehr aus¬
drucksvoll sei. Ich kann nicht beschreiben, was für ein ungeheurer Stein mir
vom Herzen fiel, als ich fand, daß mein Gaul nur eingeschlafen war.


Angst verrieth. Als wir zuletzt vor Anker gingen und Kapitän Phillips aus
seine Uhr sah und ausrief: „Sechzehn Minuten ich sagte Ihnen, daß das
in ihr lag! Das ist über drei englische Meilen die Stunde!" so konnte ich
sehen, daß er sich zu einem Compliment berechtigt fühlte, und so sagte ich,
daß ich in meinem Leben keinen Blitz so wie dieses Pferd hätte gehen sehen.
Und ich hatte das wirklich nicht gesehen.

Der Wirth des Hotels sagte, die Gesellschaft sei schon beinahe eine
Stunde weg, indeß könnte er mir die Wahl zwischen mehreren Pferden frei¬
stellen, die sie einholen könnten. Ich sagte, schon gut. ich zöge aber ein
sicheres Pferd einem schnellen vor. ich hätte am liebsten ein über die Maßen
sanftes Pferd — ein Pferd ohne das mindeste Feuer — ein lahmes, wenn
er was der Art hätte. Binnen fünf Minuten war ich beritten gemacht und
völlig befriedigt mit meiner Ausstattung. Ich hatte keine Zeit, ihm einen
Zettel mit der Aufschrift: „Dieß ist ein Pferd" aufzukleben, und so kann ich
nicht dafür, wenn das Publikum den Gaul für eint Schaf hielt, ^es war
zufrieden, und das war die Hauptsache. Ich konnte sehen, daß er so viele
hervorragende Eigenschaften wie irgend ein anderes Pferd hatte, und so hing
ich meinen Hut an eine dieser hervorragenden Stellen hinter dem Sattel, wischte
mir den Schweiß vom Gesicht und brach auf. Ich nannte das Pferd nach dieser
Insel Oahu. Als es an den ersten Thorweg kam, schritt es hinein. Ich hatte
weder Gerte noch Sporn, und so machte ich ihm einfach Vorstellung dagegen. Es
widerstand der Vorstellung, gab aber schließlich Schimpfworten und schlechter
Behandlung nach. Rückwärts ging es aus diesem Thorweg, aber nur, um
vorwärts auf einen andern auf der entgegengesetzten Seite der Straße loszu¬
steuern. Ich triump Hirte durch mein früheres Verfahren. Innerhalb der
nächsten sechshundert Mrds kreuzte es die Straße vierzehn Mal und versuchte
es mit dreizehn Thorwegen, und in der Zwischenzeit brannte die Tropensonne
auf uns herunter und drohte mir ein Loch in den Scheitel zu brennen und
ich triefte buchstäblich von Schweiß. Der Gaul > gab dann das Thorwegs-
Geschäft auf und schritt gelassen weiter, aber versunken in Nachdenken. Ich
bemerkte diesen letzteren Umstand, und es begann mich bald mit Bedenken zu
erfüllen. Ich sagte zu mir, dieses Geschöpf überlegt sich einen neuen Unfug,
eine oder die andere neue Teufelei — kein Pferd hat jemals so tiefsinnig
über etwas gebrütet als dieses jetzt. Je mehr mir dieß das Gemüth bewegte,
desto unruhiger wurde ich, bis die Ungewißheit schier unerträglich wurde,
und ich abstieg um nachzusehen, ob etwas Tolles in seinem Auge läge; denn
ich hatte gehört, daß das Auge dieses edelsten unserer Hausthiere sehr aus¬
drucksvoll sei. Ich kann nicht beschreiben, was für ein ungeheurer Stein mir
vom Herzen fiel, als ich fand, daß mein Gaul nur eingeschlafen war.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/68>, abgerufen am 06.02.2025.