Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.nachfolgende Plebiscit immer wie der Anfang zur Rückkehr ins alte Geleise In einem Anhange, welcher zum Theil polemisirend gegen Renan und Friedrich Böttcher. nachfolgende Plebiscit immer wie der Anfang zur Rückkehr ins alte Geleise In einem Anhange, welcher zum Theil polemisirend gegen Renan und Friedrich Böttcher. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0063" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192866"/> <p xml:id="ID_163" prev="#ID_162"> nachfolgende Plebiscit immer wie der Anfang zur Rückkehr ins alte Geleise<lb/> erscheinen wollen. Weit mehr sind wir zu der Annahme geneigt, daß dasjenige,<lb/> was Hillebrand als das beständige Ziel des Kaisers bezeichnet, nämlich das<lb/> Streben, den modernen Staat unter der Dynastie Bonaparte zu gründen,<lb/> ihm zum Verderben ausgeschlagen ist. Lediglich die Sorge um diese dynasti¬<lb/> sche Angelegenheit macht es uns erklärlich, daß sich Napoleon zu dem va-<lb/> dainiuo-Spiel von 1870 bestimmen lassen konnte. — Das ekelerregende<lb/> Schauspiel der Orgien des 4. September, zwei Tage nach der Zertrümmerung der<lb/> französischen Heeresmacht bei Sedan, behandelt Hillebrand mit der verdienten<lb/> Verachtung. Auch über die complette Unfähigkeit der Regierung der Natio-<lb/> nalvertheidigung fällt er ein scharfes Urtheil. Die größte Anerkennung da¬<lb/> gegen zollt er dem Muthe, der Ausdauer und Geschicklichkeit des greisen<lb/> Thiers. Er ist ihm geradezu der Repräsentant des modernen Frankreichs.<lb/> Leider aber hat sich Hillebrand über die Festigkeit des Bodens, auf welchem der<lb/> Präsident der Republik stand, einer Täuschung hingegeben. Zur Erklärung der<lb/> auffallenden Thatsache, daß ein Mann so lange an der Spitze der Geschäfte<lb/> stand, der von der einen wie der anderen Hälfte der Nationalversammlung ange¬<lb/> griffen und doch allgemein als der Mann der Situation betrachtet wurde,<lb/> verweist er auf jene oben erwähnte ungeheuere Majorität der in die Po¬<lb/> litik sich nicht einmischenden Franzosen; weil dies „zweite Frankreich", die<lb/> „wahre Nation" Herrn Thiers unterstützte, lediglich deßhalb sollen seine<lb/> Feinde nicht gewagt haben, ihn anzutasten. Die Erfahrung hat inzwischen<lb/> gezeigt, daß die „wahre Nation" durchaus keine Miene gemacht hat, das<lb/> Ereigniß des 2. Mai zu verhindern.</p><lb/> <p xml:id="ID_164"> In einem Anhange, welcher zum Theil polemisirend gegen Renan und<lb/> Monod gerichtet ist, spricht sich der Verfasser über Frankreichs Zukunft aus.<lb/> Schon an einer anderen Stelle hat er sein Urtheil in den Worten gefällt:<lb/> „Es ist nun einmal das Unglück, aber auch die Ehre Frankreichs, daß es<lb/> unfähig ist, die Freiheit zu ertragen und sich doch nicht entschließen kann,<lb/> auf die Dauer der Freiheit zu entrathen," Mit anderen Worten: Frank¬<lb/> reichs Schicksal wird wohl auch ferner der Kreislauf von der Revolution zum<lb/> Absolutismus, vom Absolutismus zur Revolution sein. Unter diesen Um¬<lb/> ständen geben wir dem Verfasser vollkommen Recht, wenn er meint, daß<lb/> Frankreich seine Kräfte nur unter der absoluten Monarchie entfalten könne;<lb/> nur fügen wir hinzu, daß die Form dieser Monarchie niemals wieder das<lb/> Königthum des faciem r^ime, sondern der demokratische Cäsarismus sein<lb/> wird.</p><lb/> <note type="byline"> Friedrich Böttcher.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0063]
nachfolgende Plebiscit immer wie der Anfang zur Rückkehr ins alte Geleise
erscheinen wollen. Weit mehr sind wir zu der Annahme geneigt, daß dasjenige,
was Hillebrand als das beständige Ziel des Kaisers bezeichnet, nämlich das
Streben, den modernen Staat unter der Dynastie Bonaparte zu gründen,
ihm zum Verderben ausgeschlagen ist. Lediglich die Sorge um diese dynasti¬
sche Angelegenheit macht es uns erklärlich, daß sich Napoleon zu dem va-
dainiuo-Spiel von 1870 bestimmen lassen konnte. — Das ekelerregende
Schauspiel der Orgien des 4. September, zwei Tage nach der Zertrümmerung der
französischen Heeresmacht bei Sedan, behandelt Hillebrand mit der verdienten
Verachtung. Auch über die complette Unfähigkeit der Regierung der Natio-
nalvertheidigung fällt er ein scharfes Urtheil. Die größte Anerkennung da¬
gegen zollt er dem Muthe, der Ausdauer und Geschicklichkeit des greisen
Thiers. Er ist ihm geradezu der Repräsentant des modernen Frankreichs.
Leider aber hat sich Hillebrand über die Festigkeit des Bodens, auf welchem der
Präsident der Republik stand, einer Täuschung hingegeben. Zur Erklärung der
auffallenden Thatsache, daß ein Mann so lange an der Spitze der Geschäfte
stand, der von der einen wie der anderen Hälfte der Nationalversammlung ange¬
griffen und doch allgemein als der Mann der Situation betrachtet wurde,
verweist er auf jene oben erwähnte ungeheuere Majorität der in die Po¬
litik sich nicht einmischenden Franzosen; weil dies „zweite Frankreich", die
„wahre Nation" Herrn Thiers unterstützte, lediglich deßhalb sollen seine
Feinde nicht gewagt haben, ihn anzutasten. Die Erfahrung hat inzwischen
gezeigt, daß die „wahre Nation" durchaus keine Miene gemacht hat, das
Ereigniß des 2. Mai zu verhindern.
In einem Anhange, welcher zum Theil polemisirend gegen Renan und
Monod gerichtet ist, spricht sich der Verfasser über Frankreichs Zukunft aus.
Schon an einer anderen Stelle hat er sein Urtheil in den Worten gefällt:
„Es ist nun einmal das Unglück, aber auch die Ehre Frankreichs, daß es
unfähig ist, die Freiheit zu ertragen und sich doch nicht entschließen kann,
auf die Dauer der Freiheit zu entrathen," Mit anderen Worten: Frank¬
reichs Schicksal wird wohl auch ferner der Kreislauf von der Revolution zum
Absolutismus, vom Absolutismus zur Revolution sein. Unter diesen Um¬
ständen geben wir dem Verfasser vollkommen Recht, wenn er meint, daß
Frankreich seine Kräfte nur unter der absoluten Monarchie entfalten könne;
nur fügen wir hinzu, daß die Form dieser Monarchie niemals wieder das
Königthum des faciem r^ime, sondern der demokratische Cäsarismus sein
wird.
Friedrich Böttcher.
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