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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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ziehung der Kinder gern den Nachmittagsunterricht in der Schule, der soviel
Mißliches habe, daran geben. Professor Biedermann sieht darin ein Mittel,
um die oft sehr unzweckmäßige Hausarbeit zu ersetzen. Dr. Schuster-Leipzig
möchte die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf den Kindergarten lenken.

Man einigt sich schließlich auf folgenden von den Herren Biedermann und
Parisius-Gardelegen combinirten Antrag:


"Die Generalversammlung beauftragt die Schulcommission damit, die durch
den Vortrcig des Herrn Prof. Schmidt angeregte, durch die darauf gcfolgte Debatte
weiter entwickelte Frage betreffs der Erziehung der Kinder, die von ihren Eltern
überhaupt oder außerhalb der Schulzeit vernachlässigt werden, näher zu erörtern,
und für eine praktische Ausführung reif zu machen, bzw. der nächsten Generalver¬
sammlung Bericht darüber zu erstatten."

Eine andere interessante Debatte entspann sich über zwei gleichzeitig ge¬
stellte und sich gegenseitig ergänzende Anträge, den von Pache-Zittau aus
Beschaffung einer Anzahl geigneter Männer, die sich zu belehrenden Borträgen
in Bildungsvereinen im Umkreis ihrer Wohnorte (gegen Erstattung der Reise¬
kosten) verpflichten, und einen anderen durch die Herren Julius Moser und
August Heine im Auftrage des Halberstädter Handwerker-Gewerkvereins ge¬
stellten dahin gehend: "Der Centralausschuß möge für geeignete Organi¬
sation sorgen, die eine regelmäßige Wiederverkehr von Borträgen in jedem
Verein möglich machen."

Das doppelte Bedürfniß -- dies ward von unsern Rednern anerkannt --
erheischt eine zweifache Art der Befriedigung. In den Bildungscentren, den
größern Städten, wird es möglich sein, eine Zahl von Männern zu gewinnen,
die nicht nur am Orte, sondern auch in einer Entfernung von 5 -- 10 Mei¬
len in Bildungs- und a. dergl. Vereinen von Zeit zu Zeit Vorträge halten.
Dabei wies Biedermann-Leipzig darauf hin, wie wichtig es sei, den Vereinen
möglichst zusammenhängende Vorträge über einen bestimmten Gegenstand
(z. B. eine größere Geschichtsperiode, ein naturwissenschaftliches Gebiet u. tgi.)
zu verschaffen. Das bloße Naschen, wenn heute dieses, in acht Tagen ein da¬
von ganz verschiedenes Thema abgehandelt, und so immer fort wechselnd und
stückweise gelehrt werde, erzeuge leicht bloße Scheinbildung und eine bedenkliche
Unstätigkeit des Bildungstriebes. Es empfehle sich daher, gemäß der Namens des
Centralausschusses von Duncker gemachten Andeutung, auf die Errichtung ge¬
meinsamer "Bildungshallen" in großen Städten hinzuwirken, wo die Mit¬
glieder unserer Vereine gleichzeitig und gemeinsam ihr Bildungsbedürfniß be¬
friedigen könnten.

Mit großem Interesse hörte die Versammlung einen sehr lebendigen und
anschaulichen Bericht des Herrn Heine aus Halberstadt an, der nachwies, wie
der dortige Verein Wanderlehrer sozusagen auf gemeinschaftliche Kosten be-


ziehung der Kinder gern den Nachmittagsunterricht in der Schule, der soviel
Mißliches habe, daran geben. Professor Biedermann sieht darin ein Mittel,
um die oft sehr unzweckmäßige Hausarbeit zu ersetzen. Dr. Schuster-Leipzig
möchte die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf den Kindergarten lenken.

Man einigt sich schließlich auf folgenden von den Herren Biedermann und
Parisius-Gardelegen combinirten Antrag:


„Die Generalversammlung beauftragt die Schulcommission damit, die durch
den Vortrcig des Herrn Prof. Schmidt angeregte, durch die darauf gcfolgte Debatte
weiter entwickelte Frage betreffs der Erziehung der Kinder, die von ihren Eltern
überhaupt oder außerhalb der Schulzeit vernachlässigt werden, näher zu erörtern,
und für eine praktische Ausführung reif zu machen, bzw. der nächsten Generalver¬
sammlung Bericht darüber zu erstatten."

Eine andere interessante Debatte entspann sich über zwei gleichzeitig ge¬
stellte und sich gegenseitig ergänzende Anträge, den von Pache-Zittau aus
Beschaffung einer Anzahl geigneter Männer, die sich zu belehrenden Borträgen
in Bildungsvereinen im Umkreis ihrer Wohnorte (gegen Erstattung der Reise¬
kosten) verpflichten, und einen anderen durch die Herren Julius Moser und
August Heine im Auftrage des Halberstädter Handwerker-Gewerkvereins ge¬
stellten dahin gehend: „Der Centralausschuß möge für geeignete Organi¬
sation sorgen, die eine regelmäßige Wiederverkehr von Borträgen in jedem
Verein möglich machen."

Das doppelte Bedürfniß — dies ward von unsern Rednern anerkannt —
erheischt eine zweifache Art der Befriedigung. In den Bildungscentren, den
größern Städten, wird es möglich sein, eine Zahl von Männern zu gewinnen,
die nicht nur am Orte, sondern auch in einer Entfernung von 5 — 10 Mei¬
len in Bildungs- und a. dergl. Vereinen von Zeit zu Zeit Vorträge halten.
Dabei wies Biedermann-Leipzig darauf hin, wie wichtig es sei, den Vereinen
möglichst zusammenhängende Vorträge über einen bestimmten Gegenstand
(z. B. eine größere Geschichtsperiode, ein naturwissenschaftliches Gebiet u. tgi.)
zu verschaffen. Das bloße Naschen, wenn heute dieses, in acht Tagen ein da¬
von ganz verschiedenes Thema abgehandelt, und so immer fort wechselnd und
stückweise gelehrt werde, erzeuge leicht bloße Scheinbildung und eine bedenkliche
Unstätigkeit des Bildungstriebes. Es empfehle sich daher, gemäß der Namens des
Centralausschusses von Duncker gemachten Andeutung, auf die Errichtung ge¬
meinsamer „Bildungshallen" in großen Städten hinzuwirken, wo die Mit¬
glieder unserer Vereine gleichzeitig und gemeinsam ihr Bildungsbedürfniß be¬
friedigen könnten.

Mit großem Interesse hörte die Versammlung einen sehr lebendigen und
anschaulichen Bericht des Herrn Heine aus Halberstadt an, der nachwies, wie
der dortige Verein Wanderlehrer sozusagen auf gemeinschaftliche Kosten be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/514>, abgerufen am 06.02.2025.