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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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pommern je 6, Mecklenburg 6, Westpreußen 6, Ostpreußen 7, Posen ö,
Schlesien 3. Königreich Sachsen 9, Altenburg 3, Neuß 3, Weimar 1,
Meiningen 3. Durch seine Mitwirkung entstanden ö neue Vereine. Die
Zahl seiner Vorträge belief sich auf 94. Die Bildungsbestrebungen, die er antraf,
erschienen ihm am regsten da, wo noch am wenigsten dafür hatte geschehen können.
An kleineren Orten waren die Vereine zu Bildungszwecken verhältnißmäßig
stärker als in größeren. Die Betheiligung der Frauen, wo sie sich fand, er¬
wies sich als für das Leben der Vereine sehr vortheilhaft. Geistige Regsam¬
keit meint der Redner, sei in den untern Klassen in hohem Maaße vorhan¬
den, nur fehle es ihr häufig an der rechten Nahrung. Was das Volk vor
Allem wolle, sei Belehrung über die Bedingungen seiner körperlichen, materiellen
Existenz.

Als ein sehr erfreuliches Zeichen gemeinnütziger Theilnahme für die Be¬
strebungen der Gesellschaft konnte der Geschäftsführer dieser letzteren, Dr. Lei-
bing, noch im Laufe der Sitzung mittheilen, wie ein in der Versammlung an¬
wesender aber ungenannt bleiben wollender Freund der Volksbildung sich an¬
heischig gemacht habe, zur Anstellung eines zweiten Wanderlehrers 2000 Thlr.
entweder zu sammeln oder nöthigenfalls auch selbst aufzubringen.

A. Lammers aus Bremen berichtete sodann von der dort ins Leben
gerufenen Organisation zur Verbreitung guter Volksliteratur und zur Be¬
schaffung von Jugendbibliotheken. Ein Aktienunternehmen: "Nordwestdeutscher
Volksschriften-Verlag", ist von einem Kreise angesehener Männer in Olden¬
burg. Bremen, Lüneburg, Osnabrück, Hildesheim, projectirt und in Angriff
genommen. Ein förmliches Verlagsgeschäft für Volksschristen (für dessen Be¬
trieb ein junger unternehmender Buchhändler schon gewonnen ist), mit einem Netze
localer Agenten zum Vertriebe derselben, soll eingerichtet werden. Eine mä¬
ßige Rente ist in Aussicht genommen, denn die "Geschäftsführung soll nicht
glauben, mit geschenkten Gelde sorglos wirthschaften zu können" und die
Schöpfung soll nicht "eine ephemere sein". Gute Unterhaltungsschriften sind
zunächst ins Auge gefaßt, theils "um der ungeheuern Verbreitung von ge¬
meinen Schauder- und Skandalerzählungen aller Art (die meist von Berlin und
durch Colportage in Bewegung gesetzt wird) entgegenzuwirken", theils um den
Agenten Lust zum Vertrieb zu machen und das Publikum selbst an das Un¬
ternehmen zu fesseln. Damit will man den Weg bahnen zur Verbreitung
anderer Schriften, die direkter auf Bildung abzwecken. "Aufklärung über ge¬
sundheitliche, wirthschaftliche, geschichtliche, naturwissenschaftliche, .staatliche und
kirchliche Fragen in jener allgemeinen Weise, die dem Glaubensbekenntniß
aller liberalen und patriotischen Parteien gleichmäßig entspricht, kann in zweck¬
mäßiger Form nicht früh genug in unsere Bevölkerung hineingetragen wer¬
den, wenn auch die Empfänglichkeit dafür erst mit der Zeit in den breitesten


pommern je 6, Mecklenburg 6, Westpreußen 6, Ostpreußen 7, Posen ö,
Schlesien 3. Königreich Sachsen 9, Altenburg 3, Neuß 3, Weimar 1,
Meiningen 3. Durch seine Mitwirkung entstanden ö neue Vereine. Die
Zahl seiner Vorträge belief sich auf 94. Die Bildungsbestrebungen, die er antraf,
erschienen ihm am regsten da, wo noch am wenigsten dafür hatte geschehen können.
An kleineren Orten waren die Vereine zu Bildungszwecken verhältnißmäßig
stärker als in größeren. Die Betheiligung der Frauen, wo sie sich fand, er¬
wies sich als für das Leben der Vereine sehr vortheilhaft. Geistige Regsam¬
keit meint der Redner, sei in den untern Klassen in hohem Maaße vorhan¬
den, nur fehle es ihr häufig an der rechten Nahrung. Was das Volk vor
Allem wolle, sei Belehrung über die Bedingungen seiner körperlichen, materiellen
Existenz.

Als ein sehr erfreuliches Zeichen gemeinnütziger Theilnahme für die Be¬
strebungen der Gesellschaft konnte der Geschäftsführer dieser letzteren, Dr. Lei-
bing, noch im Laufe der Sitzung mittheilen, wie ein in der Versammlung an¬
wesender aber ungenannt bleiben wollender Freund der Volksbildung sich an¬
heischig gemacht habe, zur Anstellung eines zweiten Wanderlehrers 2000 Thlr.
entweder zu sammeln oder nöthigenfalls auch selbst aufzubringen.

A. Lammers aus Bremen berichtete sodann von der dort ins Leben
gerufenen Organisation zur Verbreitung guter Volksliteratur und zur Be¬
schaffung von Jugendbibliotheken. Ein Aktienunternehmen: „Nordwestdeutscher
Volksschriften-Verlag", ist von einem Kreise angesehener Männer in Olden¬
burg. Bremen, Lüneburg, Osnabrück, Hildesheim, projectirt und in Angriff
genommen. Ein förmliches Verlagsgeschäft für Volksschristen (für dessen Be¬
trieb ein junger unternehmender Buchhändler schon gewonnen ist), mit einem Netze
localer Agenten zum Vertriebe derselben, soll eingerichtet werden. Eine mä¬
ßige Rente ist in Aussicht genommen, denn die „Geschäftsführung soll nicht
glauben, mit geschenkten Gelde sorglos wirthschaften zu können" und die
Schöpfung soll nicht „eine ephemere sein". Gute Unterhaltungsschriften sind
zunächst ins Auge gefaßt, theils „um der ungeheuern Verbreitung von ge¬
meinen Schauder- und Skandalerzählungen aller Art (die meist von Berlin und
durch Colportage in Bewegung gesetzt wird) entgegenzuwirken", theils um den
Agenten Lust zum Vertrieb zu machen und das Publikum selbst an das Un¬
ternehmen zu fesseln. Damit will man den Weg bahnen zur Verbreitung
anderer Schriften, die direkter auf Bildung abzwecken. „Aufklärung über ge¬
sundheitliche, wirthschaftliche, geschichtliche, naturwissenschaftliche, .staatliche und
kirchliche Fragen in jener allgemeinen Weise, die dem Glaubensbekenntniß
aller liberalen und patriotischen Parteien gleichmäßig entspricht, kann in zweck¬
mäßiger Form nicht früh genug in unsere Bevölkerung hineingetragen wer¬
den, wenn auch die Empfänglichkeit dafür erst mit der Zeit in den breitesten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/511>, abgerufen am 06.02.2025.