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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Fixirung des letzteren oder vielmehr des Theils desselben, welcher zur
Repräsentation des Regenten dienen sollte, hatte Kurfürst Wil¬
helm II. sich lange widersetzt. Das deshalbige Verlangen der Stände war
1813 und 1816 der Grund, aus welchem die damaligen Verhandlungen zur
Vereinbarung einer Verfassung scheiterten. Noch 1813 wollte die hessische
Regierung vom Begriffe eines Staatsvermögens nichts wissen. 1830 kam end¬
lich jene Fixirung zu Stande. Die Stände einigten sich mit dem Kurfürsten
dahin, daß alles bisher Geschehene unberührt bleiben, die Schulden des Lan¬
des und die des Fürsten von dem vereinigten Bestände der General- und
der Cabinetskasse abgezogen und der Rest in 2 gleiche Theile getheilt werden
solle. Der eine Theil solle das Staatsvermögen, der andere unter dem Na¬
men "Haus schätz" nebst bestimmten Gebäuden, Schlössern, Parks u. s. w.
das Fideicommißvermögen des Kurhauses in der Art bilden, daß der jedes¬
malige Regent die Revenuen beziehen solle. Die Unterhaltungskosten
jener Gebäude u. s. w. sollten der Staatskasse nicht zur Last fallen. Zugleich
einigte man sich über die dem Landesherrn aus Staatsmitteln auszusetzende
Hofdotation. Als solche hatte der Kurfürst 300,000 Thlr. verlangt. Die
Stände verwilligten nur 392,000 Thlr. und auch diese Summe nur für den
damaligen Kurfürsten, während dessen Nachfolger dereinst blos 300,000 Thlr.
haben solle. Dagegen wurde, um jenem Verlangen nach einer halben Mil¬
lion nahe zu kommen, bestimmt, daß der Landesherr die Hälfte der Revenuen
des Hausschatzes als Theil der Hofdotation, die andere dagegen als
Chatoullegelder zu beziehen habe. Endlich erhielt Wilhelm II. aus dem
Hausschatze, bevor derselbe als solcher behandelt wurde, (statt verlangter
3 Millionen Gib.) 1^ Millionen Gib. als Chatoullevermögen, jedoch mit der
Auflage, diese Summe nur zu solchen Zwecken zu verwenden, welche den
Nachkommen in der Regierung zu bleibendem Nutzen gereichen würden.
Wegen dieser Auflage ließ Wilhelm II. die 1^ Millionen Gib. durch
Testament v. 4. Dec. 1841 an den Haus schätz abliefern, zu dem sie seit¬
dem gehören. -- Diese Vereinbarungen wurden abgeschlossen durch die am
30. Dec. 1830 vom Kurfürsten genehmigten Verhandlungen mit den Ständen
und durch die 2 Gesetze v. 27. Februar 1831, deren eines die Bildung des
Staatschatzes, das andere die des Hausschatzes betrifft, endlich durch den schon
oben erwähnten Vertrag v. 9. März 1831. In Verbindung mit diesen Ab¬
machungen stand das Zustandekommen der später so vielen Lärm hervorrufen¬
den Verfassung von 1831, unter deren Schutz (in §. 140) erstere gestellt
wurden.

Bei allen diesen Abreden sowie bei allen früheren Vorgängen und Strei¬
tigkeiten war es dem Landesherrn weniger darauf angekommen, zu seinen
oder seines Hauses Gunsten dem Lande Capitalien dauernd zu entfremden,


Fixirung des letzteren oder vielmehr des Theils desselben, welcher zur
Repräsentation des Regenten dienen sollte, hatte Kurfürst Wil¬
helm II. sich lange widersetzt. Das deshalbige Verlangen der Stände war
1813 und 1816 der Grund, aus welchem die damaligen Verhandlungen zur
Vereinbarung einer Verfassung scheiterten. Noch 1813 wollte die hessische
Regierung vom Begriffe eines Staatsvermögens nichts wissen. 1830 kam end¬
lich jene Fixirung zu Stande. Die Stände einigten sich mit dem Kurfürsten
dahin, daß alles bisher Geschehene unberührt bleiben, die Schulden des Lan¬
des und die des Fürsten von dem vereinigten Bestände der General- und
der Cabinetskasse abgezogen und der Rest in 2 gleiche Theile getheilt werden
solle. Der eine Theil solle das Staatsvermögen, der andere unter dem Na¬
men „Haus schätz" nebst bestimmten Gebäuden, Schlössern, Parks u. s. w.
das Fideicommißvermögen des Kurhauses in der Art bilden, daß der jedes¬
malige Regent die Revenuen beziehen solle. Die Unterhaltungskosten
jener Gebäude u. s. w. sollten der Staatskasse nicht zur Last fallen. Zugleich
einigte man sich über die dem Landesherrn aus Staatsmitteln auszusetzende
Hofdotation. Als solche hatte der Kurfürst 300,000 Thlr. verlangt. Die
Stände verwilligten nur 392,000 Thlr. und auch diese Summe nur für den
damaligen Kurfürsten, während dessen Nachfolger dereinst blos 300,000 Thlr.
haben solle. Dagegen wurde, um jenem Verlangen nach einer halben Mil¬
lion nahe zu kommen, bestimmt, daß der Landesherr die Hälfte der Revenuen
des Hausschatzes als Theil der Hofdotation, die andere dagegen als
Chatoullegelder zu beziehen habe. Endlich erhielt Wilhelm II. aus dem
Hausschatze, bevor derselbe als solcher behandelt wurde, (statt verlangter
3 Millionen Gib.) 1^ Millionen Gib. als Chatoullevermögen, jedoch mit der
Auflage, diese Summe nur zu solchen Zwecken zu verwenden, welche den
Nachkommen in der Regierung zu bleibendem Nutzen gereichen würden.
Wegen dieser Auflage ließ Wilhelm II. die 1^ Millionen Gib. durch
Testament v. 4. Dec. 1841 an den Haus schätz abliefern, zu dem sie seit¬
dem gehören. — Diese Vereinbarungen wurden abgeschlossen durch die am
30. Dec. 1830 vom Kurfürsten genehmigten Verhandlungen mit den Ständen
und durch die 2 Gesetze v. 27. Februar 1831, deren eines die Bildung des
Staatschatzes, das andere die des Hausschatzes betrifft, endlich durch den schon
oben erwähnten Vertrag v. 9. März 1831. In Verbindung mit diesen Ab¬
machungen stand das Zustandekommen der später so vielen Lärm hervorrufen¬
den Verfassung von 1831, unter deren Schutz (in §. 140) erstere gestellt
wurden.

Bei allen diesen Abreden sowie bei allen früheren Vorgängen und Strei¬
tigkeiten war es dem Landesherrn weniger darauf angekommen, zu seinen
oder seines Hauses Gunsten dem Lande Capitalien dauernd zu entfremden,


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[0499] Fixirung des letzteren oder vielmehr des Theils desselben, welcher zur Repräsentation des Regenten dienen sollte, hatte Kurfürst Wil¬ helm II. sich lange widersetzt. Das deshalbige Verlangen der Stände war 1813 und 1816 der Grund, aus welchem die damaligen Verhandlungen zur Vereinbarung einer Verfassung scheiterten. Noch 1813 wollte die hessische Regierung vom Begriffe eines Staatsvermögens nichts wissen. 1830 kam end¬ lich jene Fixirung zu Stande. Die Stände einigten sich mit dem Kurfürsten dahin, daß alles bisher Geschehene unberührt bleiben, die Schulden des Lan¬ des und die des Fürsten von dem vereinigten Bestände der General- und der Cabinetskasse abgezogen und der Rest in 2 gleiche Theile getheilt werden solle. Der eine Theil solle das Staatsvermögen, der andere unter dem Na¬ men „Haus schätz" nebst bestimmten Gebäuden, Schlössern, Parks u. s. w. das Fideicommißvermögen des Kurhauses in der Art bilden, daß der jedes¬ malige Regent die Revenuen beziehen solle. Die Unterhaltungskosten jener Gebäude u. s. w. sollten der Staatskasse nicht zur Last fallen. Zugleich einigte man sich über die dem Landesherrn aus Staatsmitteln auszusetzende Hofdotation. Als solche hatte der Kurfürst 300,000 Thlr. verlangt. Die Stände verwilligten nur 392,000 Thlr. und auch diese Summe nur für den damaligen Kurfürsten, während dessen Nachfolger dereinst blos 300,000 Thlr. haben solle. Dagegen wurde, um jenem Verlangen nach einer halben Mil¬ lion nahe zu kommen, bestimmt, daß der Landesherr die Hälfte der Revenuen des Hausschatzes als Theil der Hofdotation, die andere dagegen als Chatoullegelder zu beziehen habe. Endlich erhielt Wilhelm II. aus dem Hausschatze, bevor derselbe als solcher behandelt wurde, (statt verlangter 3 Millionen Gib.) 1^ Millionen Gib. als Chatoullevermögen, jedoch mit der Auflage, diese Summe nur zu solchen Zwecken zu verwenden, welche den Nachkommen in der Regierung zu bleibendem Nutzen gereichen würden. Wegen dieser Auflage ließ Wilhelm II. die 1^ Millionen Gib. durch Testament v. 4. Dec. 1841 an den Haus schätz abliefern, zu dem sie seit¬ dem gehören. — Diese Vereinbarungen wurden abgeschlossen durch die am 30. Dec. 1830 vom Kurfürsten genehmigten Verhandlungen mit den Ständen und durch die 2 Gesetze v. 27. Februar 1831, deren eines die Bildung des Staatschatzes, das andere die des Hausschatzes betrifft, endlich durch den schon oben erwähnten Vertrag v. 9. März 1831. In Verbindung mit diesen Ab¬ machungen stand das Zustandekommen der später so vielen Lärm hervorrufen¬ den Verfassung von 1831, unter deren Schutz (in §. 140) erstere gestellt wurden. Bei allen diesen Abreden sowie bei allen früheren Vorgängen und Strei¬ tigkeiten war es dem Landesherrn weniger darauf angekommen, zu seinen oder seines Hauses Gunsten dem Lande Capitalien dauernd zu entfremden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/499>, abgerufen am 06.02.2025.