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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Auf Grund der geschichtlichen Entwicklung und der in Betracht kommen¬
den Bestimmungen ergiebt sich Folgendes:

Vor Vereinbarung der Verfassung von 1831 war das Staatsvermögen
von dem zur Aufwendung des Fürsten und seines Hofes dienenden Vermögen
grundsätzlich nicht getrennt. Es bestanden zwar eine "Generalkasse" für Lan¬
deszwecke und eine fürstliche "Cabinetskasse", allein die letztere war gegrün¬
det aus Geldern, welche eigentlich in eine für Staatszwecke bestimmte Kasse,
also in die Generalkasse, hätten fallen sollen. Sie war nämlich entstanden
aus einem Theile der berüchtigten Subsidiengelder, welche den Preis für die
an fremde Mächte verkauften Landeskinder u. f. w. bildeten. Diese wurden
zuerst im 7jährigen Kriege bezahlt und vom Landgrafen Wilhelm VIII. dem Lande
wirklich zugewandt.. Friedrich II. aber gab dem Lande nicht die Entschädi¬
gungsgelder, welche England für die durch die feindliche Ueberziehung des
Landes nothwendig gewordenen Aufwendungen bezahlt hatte, während doch
Wilhelm VIII. die Verwendung dieser Summen zur Berichtigung der damals
auf landständischen Credit gemachten Schulden zugesagt hatte. Durch strenges
Beharren auf ihrem Recht erhielten die Stände 1764 durch Vergleich einen
Theil jener Gelder, statt des übrigen Theils mußte das Land auf 36 Jahre
eine außerordentliche Steuer zur Bezahlung der Kriegsschulden verwenden.
Aus den ferneren von Friedrich II. und Wilhelm IX. mit England abge¬
schlossenen Subfidienverträgen, wonach Landeskinder gegen die Freiheit Nord¬
amerikas zu kämpfen hatten, erhielt das Land gar nichts, der Landesherr
aber bezog aus dieser Quelle nach und nach 22 Millionen Thaler. Ein
Theil dieser Gelder wanderte zwar in die Kriegskasse, deren Eigenschaft als
Staatskasse die Stände 1798 vergeblich geltend machten, aus der Kriegskasse
aber in die Cabinetskasse. Aus dieser wurde dann ein Theil des Bluts¬
gelds von den Fürsten zur Errichtung der wunderbaren Bauten auf
Wilhelmshöhe u. dergl. verwendet. Derselben Cabinetskasse hatte der
Kurfürst 1806 anderweite große Capitalien zugeführt, welche sich bei eini¬
gen für Landeszwecke bestimmten Specialkassen befanden. Dies war nur eines
vorübergehenden Zweckes, des Eindringens der Franzosen wegen, geschehen;
gleichwohl blieben die Gelder bei der Cabinetskasse. Auch später wurde diese auf
Kosten der Generalkasse benachtheiligt. So wurde 1829 ein Reservefonds der
letzteren gebildet, welcher der Verwendung für Staatszwecke entzogen blieb;
ein bei der Kriegskasse gebildeter "Reservefonds" floß in die Cabinetskasse,
aus welcher dann alte Schulden Kurfürst Wilhelm's II. bezahlt wurden u. s. w.
So war also die fürstliche Cabinetskasse entstanden und vermehrt durch will-
kührliche Aneignung von Landesgeldern. Es war dies so offenbar und
klar, daß gerichtliche Erkenntnisse in den 1820er Jahren aussprachen, die Ca¬
binetskasse sei noch fortwährend Staatseigenthum. Einer vertragsmäßigen


Auf Grund der geschichtlichen Entwicklung und der in Betracht kommen¬
den Bestimmungen ergiebt sich Folgendes:

Vor Vereinbarung der Verfassung von 1831 war das Staatsvermögen
von dem zur Aufwendung des Fürsten und seines Hofes dienenden Vermögen
grundsätzlich nicht getrennt. Es bestanden zwar eine „Generalkasse" für Lan¬
deszwecke und eine fürstliche „Cabinetskasse", allein die letztere war gegrün¬
det aus Geldern, welche eigentlich in eine für Staatszwecke bestimmte Kasse,
also in die Generalkasse, hätten fallen sollen. Sie war nämlich entstanden
aus einem Theile der berüchtigten Subsidiengelder, welche den Preis für die
an fremde Mächte verkauften Landeskinder u. f. w. bildeten. Diese wurden
zuerst im 7jährigen Kriege bezahlt und vom Landgrafen Wilhelm VIII. dem Lande
wirklich zugewandt.. Friedrich II. aber gab dem Lande nicht die Entschädi¬
gungsgelder, welche England für die durch die feindliche Ueberziehung des
Landes nothwendig gewordenen Aufwendungen bezahlt hatte, während doch
Wilhelm VIII. die Verwendung dieser Summen zur Berichtigung der damals
auf landständischen Credit gemachten Schulden zugesagt hatte. Durch strenges
Beharren auf ihrem Recht erhielten die Stände 1764 durch Vergleich einen
Theil jener Gelder, statt des übrigen Theils mußte das Land auf 36 Jahre
eine außerordentliche Steuer zur Bezahlung der Kriegsschulden verwenden.
Aus den ferneren von Friedrich II. und Wilhelm IX. mit England abge¬
schlossenen Subfidienverträgen, wonach Landeskinder gegen die Freiheit Nord¬
amerikas zu kämpfen hatten, erhielt das Land gar nichts, der Landesherr
aber bezog aus dieser Quelle nach und nach 22 Millionen Thaler. Ein
Theil dieser Gelder wanderte zwar in die Kriegskasse, deren Eigenschaft als
Staatskasse die Stände 1798 vergeblich geltend machten, aus der Kriegskasse
aber in die Cabinetskasse. Aus dieser wurde dann ein Theil des Bluts¬
gelds von den Fürsten zur Errichtung der wunderbaren Bauten auf
Wilhelmshöhe u. dergl. verwendet. Derselben Cabinetskasse hatte der
Kurfürst 1806 anderweite große Capitalien zugeführt, welche sich bei eini¬
gen für Landeszwecke bestimmten Specialkassen befanden. Dies war nur eines
vorübergehenden Zweckes, des Eindringens der Franzosen wegen, geschehen;
gleichwohl blieben die Gelder bei der Cabinetskasse. Auch später wurde diese auf
Kosten der Generalkasse benachtheiligt. So wurde 1829 ein Reservefonds der
letzteren gebildet, welcher der Verwendung für Staatszwecke entzogen blieb;
ein bei der Kriegskasse gebildeter „Reservefonds" floß in die Cabinetskasse,
aus welcher dann alte Schulden Kurfürst Wilhelm's II. bezahlt wurden u. s. w.
So war also die fürstliche Cabinetskasse entstanden und vermehrt durch will-
kührliche Aneignung von Landesgeldern. Es war dies so offenbar und
klar, daß gerichtliche Erkenntnisse in den 1820er Jahren aussprachen, die Ca¬
binetskasse sei noch fortwährend Staatseigenthum. Einer vertragsmäßigen


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[0498] Auf Grund der geschichtlichen Entwicklung und der in Betracht kommen¬ den Bestimmungen ergiebt sich Folgendes: Vor Vereinbarung der Verfassung von 1831 war das Staatsvermögen von dem zur Aufwendung des Fürsten und seines Hofes dienenden Vermögen grundsätzlich nicht getrennt. Es bestanden zwar eine „Generalkasse" für Lan¬ deszwecke und eine fürstliche „Cabinetskasse", allein die letztere war gegrün¬ det aus Geldern, welche eigentlich in eine für Staatszwecke bestimmte Kasse, also in die Generalkasse, hätten fallen sollen. Sie war nämlich entstanden aus einem Theile der berüchtigten Subsidiengelder, welche den Preis für die an fremde Mächte verkauften Landeskinder u. f. w. bildeten. Diese wurden zuerst im 7jährigen Kriege bezahlt und vom Landgrafen Wilhelm VIII. dem Lande wirklich zugewandt.. Friedrich II. aber gab dem Lande nicht die Entschädi¬ gungsgelder, welche England für die durch die feindliche Ueberziehung des Landes nothwendig gewordenen Aufwendungen bezahlt hatte, während doch Wilhelm VIII. die Verwendung dieser Summen zur Berichtigung der damals auf landständischen Credit gemachten Schulden zugesagt hatte. Durch strenges Beharren auf ihrem Recht erhielten die Stände 1764 durch Vergleich einen Theil jener Gelder, statt des übrigen Theils mußte das Land auf 36 Jahre eine außerordentliche Steuer zur Bezahlung der Kriegsschulden verwenden. Aus den ferneren von Friedrich II. und Wilhelm IX. mit England abge¬ schlossenen Subfidienverträgen, wonach Landeskinder gegen die Freiheit Nord¬ amerikas zu kämpfen hatten, erhielt das Land gar nichts, der Landesherr aber bezog aus dieser Quelle nach und nach 22 Millionen Thaler. Ein Theil dieser Gelder wanderte zwar in die Kriegskasse, deren Eigenschaft als Staatskasse die Stände 1798 vergeblich geltend machten, aus der Kriegskasse aber in die Cabinetskasse. Aus dieser wurde dann ein Theil des Bluts¬ gelds von den Fürsten zur Errichtung der wunderbaren Bauten auf Wilhelmshöhe u. dergl. verwendet. Derselben Cabinetskasse hatte der Kurfürst 1806 anderweite große Capitalien zugeführt, welche sich bei eini¬ gen für Landeszwecke bestimmten Specialkassen befanden. Dies war nur eines vorübergehenden Zweckes, des Eindringens der Franzosen wegen, geschehen; gleichwohl blieben die Gelder bei der Cabinetskasse. Auch später wurde diese auf Kosten der Generalkasse benachtheiligt. So wurde 1829 ein Reservefonds der letzteren gebildet, welcher der Verwendung für Staatszwecke entzogen blieb; ein bei der Kriegskasse gebildeter „Reservefonds" floß in die Cabinetskasse, aus welcher dann alte Schulden Kurfürst Wilhelm's II. bezahlt wurden u. s. w. So war also die fürstliche Cabinetskasse entstanden und vermehrt durch will- kührliche Aneignung von Landesgeldern. Es war dies so offenbar und klar, daß gerichtliche Erkenntnisse in den 1820er Jahren aussprachen, die Ca¬ binetskasse sei noch fortwährend Staatseigenthum. Einer vertragsmäßigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/498>, abgerufen am 06.02.2025.