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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Regierung bekannte also, daß sie von Unklarheit über das jetzige Verhältniß
beherrscht und ihr nur das Eine klar sei, daß sie wenigstens einen Theil des
werthvollen Gegenstandes für sich behalten möchte. Warum sie aber als
diesen Theil den Hausschatz bezeichnete, ist nicht zu begreifen. Sie ist bei
jener Erklärung von einer durchaus nicht zu rechtfertigenden Unterscheidung
ausgegangen: von der Trennung des Fideicommisses in zwei Theile, von de¬
nen der eine Theil, der Hausschatz, eine andere Natur und anderes Schicksal
haben solle als der übrige Theil, bestehend aus den oben unter b und e er¬
wähnten Gegenständen.

Das "Kurfürstlich Hessische Hcmsfideicommiß" wurde gegründet durch
einen am 9. März 1831 zwischen dem damaligen Kurfürsten Wilhelm II., dem
Vater des 1866 Entthronten, und der Volksvertretung geschlossenen Vertrag,
Nach Bestimmung desselben sollen die Nutzungen des "unveräußerlichen Fidei-
commißvermögens des kurfürstlichen Hauses" dem "jedesmaligen Lan¬
desherrn" zufallen. Der "Landesherr", welcher einzig und allein, ein für
allemal hiermit gemeint war und gemeint sein konnte, der jedesmalig re¬
gierende Kurfürst aus der Familie von Brabant, ist aber seit 1866 für im¬
mer hinweggefallen. Anstatt nun obige Ansicht von einer Theilung des Fidei¬
commisses grundlos aufzustellen, würde es der preußischen Regierung viel¬
leicht weit näher gelegen haben, zu sagen: infolge Wegfalls des Kurfürsten
als Regenten sei es zweifelhaft, ob überhaupt noch ein Nutzungsberechtigter
und somit das Fideicommiß als solches noch bestehen könne. Die fürstliche
Familie von Brabant blüht zwar, abgesehen vom Kurfürsten (dessen Kinder
aus morganatischer Ehe -- die Prinzen und Prinzessinnen von Hanau--übri¬
gens nicht in Betracht kommen können), noch in den Linien: Hessen-Rumpen-
heim mit den Nebenlinien Hessen-Philippsthal und Hessen-Philippsthal-
Barchfeld, sowie Hessen-Darmstadt, allein sie besteht, so hätte man ausführen
können, nicht mehr als die in jenem Vertrage bezeichnete kurfürstlich hessische
Familie. Und diese Unterscheidung ist, hätte es dann vielleicht weiter heißen
können, eine wohlberechtigte wegen der mit der Verfassungsgeschichte Kurhesseus
aufs Engste verbundenen Entstehung, dem Zwecke und der Bedeutung des
Hausfideicommisses.

Es ist schwer zu sagen, ob die preußische Regierung diesen einfachsten
Weg, dem letzteren beizukommen, sich durch unzweideutige Ausdrücke im Stet¬
tiner Vertrage und in späteren königl. Verordnungen verlegt hat oder verlegt zu
haben glaubt. Im ersteren wird der Kurfürst als Nutznießer des Fidei¬
commisses bezeichnet, auf dessen Vorschlag die Behörde zur Verwaltung des¬
selben ernannt werden soll; dasselbe wird in der Verordnung vom 22. Sep¬
tember 1867 mit dem Bemerken wiederholt, daß der Nutznießer das Recht
habe, "jeder Zeit eine außerordentliche Revision der Amtsführung und der


Regierung bekannte also, daß sie von Unklarheit über das jetzige Verhältniß
beherrscht und ihr nur das Eine klar sei, daß sie wenigstens einen Theil des
werthvollen Gegenstandes für sich behalten möchte. Warum sie aber als
diesen Theil den Hausschatz bezeichnete, ist nicht zu begreifen. Sie ist bei
jener Erklärung von einer durchaus nicht zu rechtfertigenden Unterscheidung
ausgegangen: von der Trennung des Fideicommisses in zwei Theile, von de¬
nen der eine Theil, der Hausschatz, eine andere Natur und anderes Schicksal
haben solle als der übrige Theil, bestehend aus den oben unter b und e er¬
wähnten Gegenständen.

Das „Kurfürstlich Hessische Hcmsfideicommiß" wurde gegründet durch
einen am 9. März 1831 zwischen dem damaligen Kurfürsten Wilhelm II., dem
Vater des 1866 Entthronten, und der Volksvertretung geschlossenen Vertrag,
Nach Bestimmung desselben sollen die Nutzungen des „unveräußerlichen Fidei-
commißvermögens des kurfürstlichen Hauses" dem „jedesmaligen Lan¬
desherrn" zufallen. Der „Landesherr", welcher einzig und allein, ein für
allemal hiermit gemeint war und gemeint sein konnte, der jedesmalig re¬
gierende Kurfürst aus der Familie von Brabant, ist aber seit 1866 für im¬
mer hinweggefallen. Anstatt nun obige Ansicht von einer Theilung des Fidei¬
commisses grundlos aufzustellen, würde es der preußischen Regierung viel¬
leicht weit näher gelegen haben, zu sagen: infolge Wegfalls des Kurfürsten
als Regenten sei es zweifelhaft, ob überhaupt noch ein Nutzungsberechtigter
und somit das Fideicommiß als solches noch bestehen könne. Die fürstliche
Familie von Brabant blüht zwar, abgesehen vom Kurfürsten (dessen Kinder
aus morganatischer Ehe — die Prinzen und Prinzessinnen von Hanau—übri¬
gens nicht in Betracht kommen können), noch in den Linien: Hessen-Rumpen-
heim mit den Nebenlinien Hessen-Philippsthal und Hessen-Philippsthal-
Barchfeld, sowie Hessen-Darmstadt, allein sie besteht, so hätte man ausführen
können, nicht mehr als die in jenem Vertrage bezeichnete kurfürstlich hessische
Familie. Und diese Unterscheidung ist, hätte es dann vielleicht weiter heißen
können, eine wohlberechtigte wegen der mit der Verfassungsgeschichte Kurhesseus
aufs Engste verbundenen Entstehung, dem Zwecke und der Bedeutung des
Hausfideicommisses.

Es ist schwer zu sagen, ob die preußische Regierung diesen einfachsten
Weg, dem letzteren beizukommen, sich durch unzweideutige Ausdrücke im Stet¬
tiner Vertrage und in späteren königl. Verordnungen verlegt hat oder verlegt zu
haben glaubt. Im ersteren wird der Kurfürst als Nutznießer des Fidei¬
commisses bezeichnet, auf dessen Vorschlag die Behörde zur Verwaltung des¬
selben ernannt werden soll; dasselbe wird in der Verordnung vom 22. Sep¬
tember 1867 mit dem Bemerken wiederholt, daß der Nutznießer das Recht
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/494>, abgerufen am 06.02.2025.