Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.Akt der Walküre als eine Leistung seltener Kraft anerkannt werden. Die Nur ein Wort wollen wir bemerken, warum wir den Abscheu mancher Eine andere Rechtfertigung dieses geschwisterlichen Liebesbundes dagegen Der zweite Akt der Walküre beginnt mit Wotans Auftrag an Brünn- Akt der Walküre als eine Leistung seltener Kraft anerkannt werden. Die Nur ein Wort wollen wir bemerken, warum wir den Abscheu mancher Eine andere Rechtfertigung dieses geschwisterlichen Liebesbundes dagegen Der zweite Akt der Walküre beginnt mit Wotans Auftrag an Brünn- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0468" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193271"/> <p xml:id="ID_1558" prev="#ID_1557"> Akt der Walküre als eine Leistung seltener Kraft anerkannt werden. Die<lb/> Wirkung liegt nicht nur in der unheimlichen Lebensgluth der Gestalten, von<lb/> ganz besonderer Kunst und Kraft ist auch die echt dramatisch organische<lb/> Bewegung, wo eine ganz zur Gegenwart gebrachte Situation sich wie von<lb/> selbst in stetig gebundenem Zusammenhang und doch in gewaltigen Schritten<lb/> weiter entwickelt und uns zum völligen Miterleben zwingt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1559"> Nur ein Wort wollen wir bemerken, warum wir den Abscheu mancher<lb/> Kritiker nicht theilen, daß hier ein Geschwisterpaar sich mit der Gluth ge¬<lb/> schlechtlicher Liebe erfaßt. Sind denn das Geschwister, wie Karlchen und<lb/> Lieschen oder Robertchen und Hannchen, die mit einander aufgewachsen bei<lb/> Papa und Mama? Die Geschwisterschaft, die auf der Vaterschaft eines<lb/> Gottes beruht, reicht sehr weit, und wenn alle solche Geschwister sich meiden<lb/> wollten, würde das schönste Geschlecht aussterben, was sehr schade wäre.<lb/> Diese Art von Kritik müßte auch die Hände ringen, wenn ein Deutscher und<lb/> eine Deutsche sich irgendwo als Kinder des Vater Teut erkennen und lieben<lb/> wollten. Nun wird allerdings in der Dichtung selbst der Bund der beiden<lb/> Wälsungen als ein unrechter anerkannt. Aper der Haupttor liegt auf dem<lb/> Ehebruch. Zwar redet Fricka, Wotans Gemahlin, die Hüterin der Ehe, auch<lb/> von Blutschande. Aber dies ist im Zorn gesprochen zur Verstärkung des<lb/> Hauptvergehens, welches im Ehebruch liegt. Es ist mit diesem Vorwurf<lb/> nicht wirklicher Ernst. Das Verbot der Geschwisterehe entsteht erst mit der<lb/> verschwindenden Wildheit der Zustände, mit der ausschließlichen Pflege der<lb/> Kinder durch Eltern, die ausschließlich zusammen gehören, Alles Dinge, die<lb/> Fricka vertritt, die aber noch nicht das herrschende, durch eine lange Ver¬<lb/> gangenheit und unvordenkliche Gewohnheit geheiligte Gesetz sind. Zwar<lb/> stimmt Wotan ein und widerspricht nicht entschieden, wenn Fricka ausruft,<lb/> daß solcher Geschwisterbund nie erlebt worden, aber er beruft sich doch auf<lb/> das ältere Urgesetz der schaffenden Kraft, dessen Walter er vor Allem ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1560"> Eine andere Rechtfertigung dieses geschwisterlichen Liebesbundes dagegen<lb/> weisen wir zurück: die aus der Natursymbolik. Wir haben es hier mit leib¬<lb/> haften Menschen zu thun. Siegmund und Sieglinde bedeuten nicht Lenz und<lb/> Liebe, sondern sie lieben sich, weil der Lenz die Liebe geweckt, die sich in<lb/> ihren Busen und in der Natur barg.</p><lb/> <p xml:id="ID_1561" next="#ID_1562"> Der zweite Akt der Walküre beginnt mit Wotans Auftrag an Brünn-<lb/> Hilde, die wir hier zum ersten Mal erblicken, für Siegmund im Kampf gegen<lb/> Sieglindes Gatten das Siegesloos zu wählen. Da erscheint Fricka als<lb/> Schützerin der Ehe, von Hunding, Sieglindes Gatten angerufen, um der Sie¬<lb/> geswahl für Siegmund mit hoher Leidenschaft zu widersprechen. Es ist kein<lb/> geringes Verdienst des Dichters, daß er auch in diese Scene und in den<lb/> Charakter Frickas volles dramatisches Leben gebracht hat. Nachdem die Got-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0468]
Akt der Walküre als eine Leistung seltener Kraft anerkannt werden. Die
Wirkung liegt nicht nur in der unheimlichen Lebensgluth der Gestalten, von
ganz besonderer Kunst und Kraft ist auch die echt dramatisch organische
Bewegung, wo eine ganz zur Gegenwart gebrachte Situation sich wie von
selbst in stetig gebundenem Zusammenhang und doch in gewaltigen Schritten
weiter entwickelt und uns zum völligen Miterleben zwingt.
Nur ein Wort wollen wir bemerken, warum wir den Abscheu mancher
Kritiker nicht theilen, daß hier ein Geschwisterpaar sich mit der Gluth ge¬
schlechtlicher Liebe erfaßt. Sind denn das Geschwister, wie Karlchen und
Lieschen oder Robertchen und Hannchen, die mit einander aufgewachsen bei
Papa und Mama? Die Geschwisterschaft, die auf der Vaterschaft eines
Gottes beruht, reicht sehr weit, und wenn alle solche Geschwister sich meiden
wollten, würde das schönste Geschlecht aussterben, was sehr schade wäre.
Diese Art von Kritik müßte auch die Hände ringen, wenn ein Deutscher und
eine Deutsche sich irgendwo als Kinder des Vater Teut erkennen und lieben
wollten. Nun wird allerdings in der Dichtung selbst der Bund der beiden
Wälsungen als ein unrechter anerkannt. Aper der Haupttor liegt auf dem
Ehebruch. Zwar redet Fricka, Wotans Gemahlin, die Hüterin der Ehe, auch
von Blutschande. Aber dies ist im Zorn gesprochen zur Verstärkung des
Hauptvergehens, welches im Ehebruch liegt. Es ist mit diesem Vorwurf
nicht wirklicher Ernst. Das Verbot der Geschwisterehe entsteht erst mit der
verschwindenden Wildheit der Zustände, mit der ausschließlichen Pflege der
Kinder durch Eltern, die ausschließlich zusammen gehören, Alles Dinge, die
Fricka vertritt, die aber noch nicht das herrschende, durch eine lange Ver¬
gangenheit und unvordenkliche Gewohnheit geheiligte Gesetz sind. Zwar
stimmt Wotan ein und widerspricht nicht entschieden, wenn Fricka ausruft,
daß solcher Geschwisterbund nie erlebt worden, aber er beruft sich doch auf
das ältere Urgesetz der schaffenden Kraft, dessen Walter er vor Allem ist.
Eine andere Rechtfertigung dieses geschwisterlichen Liebesbundes dagegen
weisen wir zurück: die aus der Natursymbolik. Wir haben es hier mit leib¬
haften Menschen zu thun. Siegmund und Sieglinde bedeuten nicht Lenz und
Liebe, sondern sie lieben sich, weil der Lenz die Liebe geweckt, die sich in
ihren Busen und in der Natur barg.
Der zweite Akt der Walküre beginnt mit Wotans Auftrag an Brünn-
Hilde, die wir hier zum ersten Mal erblicken, für Siegmund im Kampf gegen
Sieglindes Gatten das Siegesloos zu wählen. Da erscheint Fricka als
Schützerin der Ehe, von Hunding, Sieglindes Gatten angerufen, um der Sie¬
geswahl für Siegmund mit hoher Leidenschaft zu widersprechen. Es ist kein
geringes Verdienst des Dichters, daß er auch in diese Scene und in den
Charakter Frickas volles dramatisches Leben gebracht hat. Nachdem die Got-
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